Mit Mag. Susanne Stein-Pressl lenkt die fünfte Generation der Verlegerfamilie Stein die MANZ’sche Verlags- und Universitätsbuchhandlung. Im Interview mit SHEconomy spricht die Geschäftsführende Gesellschafterin über ihren eigenen Werdegang, die ereignisreiche und sehr österreichische Geschichte von MANZ und darüber, welchen Stellenwert Diversität bei MANZ einnimmt.
Wollten Sie eigentlich immer schon in die Fußstapfen ihres Vaters und ihrer Vorfahren treten?
Nein, eigentlich nicht. Natürlich war das Familienunternehmen in meiner Kindheit sehr präsent und ich habe Jus studiert – allerdings nicht wegen MANZ, sondern weil mein Großvater mütterlicherseits Anwalt war und ich ebenfalls Anwältin werden wollte. Ich habe als Studentin dann aber immer wieder im Sommer im Unternehmen gearbeitet und gesehen, dass es mir Spaß macht. Nach ersten Berufserfahrungen im Anwaltsbereich habe ich gemerkt, dass das Streiten für andere nicht meines ist, sondern mir die Arbeit bei MANZ mehr Freude bereitet.
Wie sah Ihr Werdegang aus?
Nach dem Jus-Studium habe ich zunächst den klassischen Weg weiterverfolgt, indem ich mein Gerichtsjahr gemacht habe. Danach habe ich ein Traineeship-Programm bei einem Verlag in der Schweiz absolviert, bin zurück nach Wien gekommen und habe in einem kleinen Verlag als Produktmanagerin gearbeitet. Dort habe ich das Verlagsgeschäft kennengelernt. Erst 2004 bin ich in das Unternehmen meines Vaters gekommen und habe als seine Assistentin begonnen. Als mein Vater 2005 leider sehr unerwartet gestorben ist, bin ich schließlich mit 27 Jahren ins kalte Wasser gesprungen und habe die Geschäftsführung übernommen.
Wie war es für Sie, die Geschäftsführung des Familienunternehmens in einem so jungen Alter zu übernehmen?
Es war eine sehr große Verantwortung. Ich habe die Erwartungshaltung der Mitarbeiter*innen gespürt, sie haben sich gewünscht, dass es weitergeht. Sie alle haben sehr stark mitangepackt und mitgeholfen. Mir ist die familiäre Verbundenheit zugutekommen, weil mich die meisten Leute bereits gekannt haben. Trotzdem war es ungewohnt, als junge Frau neben teilweise sehr viel älteren Menschen aufzutreten. Oft hat man mich immer noch für die Assistentin gehalten und nicht für die Chefin. Aber es hat gut geklappt! Ich habe viel gefragt, um das Unternehmen kennenzulernen und mich in Bereiche einzuarbeiten, mit denen ich zuvor noch gar nichts zu tun hatte.
Die Geschichte von MANZ ist stark mit der österreichischen Geschichte verwoben. Bis heute befinden sich Verlag und Buchhandlung im Besitz Ihrer Familie. Aus Ihrer Perspektive: Was waren die wichtigsten Meilensteine in der MANZ’schen Geschichte?
Bei über 170 Jahren Bestehen ist es schwierig, alles zu überblicken (lacht). In den letzten 40 Jahren waren es auf jeden Fall der Computer und die Digitalisierung, die vieles verändert haben. Wir haben sehr früh damit angefangen, zu digitalisieren. Die Rechtsdatenbank ist beispielsweise bereits in den 1980er-Jahren entstanden. Heute bildet die frühe Vertrautheit mit der digitalen Welt sicher das Rückgrat des Unternehmens. In der langen Geschichte von MANZ gab es aber auch Weltkriege sowie politische und wirtschaftliche Krisen. In den 1920er-Jahren verkaufte MANZ zum Beispiel französische Belletristik nach Frankreich, um über die Währungsdifferenz die Druckkosten bezahlen und liquide bleiben zu können. Es war immer wieder ein Hauch Kreativität und Glück dabei, aber auch der Mut, neue Dinge auszuprobieren.
Welche Rolle spielt Diversität in der MANZ‘schen Verlags- und Universitätsbuchhandlung?
MANZ war immer schon ein sehr multikulturelles, aber auch weibliches Unternehmen – bereits zu Zeiten meines Vaters und sogar meines Großvaters. 60 Prozent der Mitarbeiter*innen bei MANZ sind Frauen, deshalb ist es auch gar nicht so ungewöhnlich, dass ich als Frau das Geschäft leite. Dieses Selbstverständnis muss jedoch gepflegt und weiterentwickelt werden, die Zeit bleibt ja nicht stehen. Ich habe nicht das Gefühl, dass die Probleme, die Frauen im Werdegang und Berufsleben haben, in den letzten Jahren weniger geworden sind. Man sieht es jetzt in der Pandemie: Es lastet wahnsinnig viel Druck auf Frauen. Es ist noch viel zu tun!
Welche Projekte unterstützt MANZ im Bereich Diversity?
Intern bemühen wir uns, flexible Möglichkeiten für Frauen anzubieten und auf ihre Wünsche einzugehen, wenn sie aus der Karenz zurückkehren. Bei uns gehen auch viele Männer in Karenz, was ich sehr befürworte! Wir unterstützen derzeit die Initiative „Women in Law“, mit der wir gemeinsam den Justitia-Award vergeben. Den Award widmen wir Frauen aus der Rechtsbranche, die Vorbildfunktion für junge Frauen haben. In der Vergangenheit haben wir zudem eine Gastprofessur für Gender-Studies am Juridicum Wien gefördert. Wir begleiten gerne Projekte, bei denen sich die juristische Auseinandersetzung gut mit der Sache verbinden lässt. Das eine ist, wie man es im eigenen Unternehmen lebt, und das andere ist, dass sich im großen Ganzen etwas ändern muss – und dafür muss es die rechtlichen Rahmenbedingungen geben.
Bei MANZ arbeiten ungefähr 40 Prozent Männer und 60 Prozent Frauen. Was sind die Vorteile von gemischten Teams? Welche Erfahrungen haben Sie mit gemischten Teams bei MANZ gemacht?
Ich persönlich finde es nie angenehm, die einzige Frau im Raum zu sein, die Stimmung ist gehemmter. Umgekehrt findet häufig ein kreativerer Austausch statt, wenn nicht ausschließlich Frauen in einem Raum oder in einem Team sind. Wenn es ein Team gibt, in dem nur Frauen sind, wird beim Freiwerden einer Position bewusst ein Mann gesucht und umgekehrt. Wir haben das Gefühl: Die Mischung macht es aus – in beide Richtungen.
Sie nehmen am 15. Juni an dem SHEconomy Online-Event zum Thema „How to make it in LAW – Warum gemischte Teams erfolgreicher sind“ teil. Thema wird sein: Woran liegt es, dass mehr Frauen das Studium der Rechtswissenschaften abschließen, aber später seltener in Rechtsberufen arbeiten? Und wie lässt sich dieser Karriereknick vermeiden? Was meinen Sie?
Es gibt Kanzleien, die mittlerweile ganz bewusst sagen: Wir wollen Partnerinnen aufnehmen und eine Quote einführen. Es gibt genügend qualifizierte Juristinnen, es schließen ja viele Frauen das Studium ab. Die Zahlen zeigen, dass die meisten dann zwar noch mit der Ausbildung bis zur Anwaltsprüfung weitermachen, aber der Schritt auf die Partner-Ebene oder in die Selbstständigkeit ist schwierig. Ich bin der Meinung, dass das Aufzeigen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie in diesem Berufsfeld noch fehlt. Es braucht Mütter, die jungen Frauen als Role Models dienen und vermitteln, dass es möglich ist. Dazu muss sich auch die Rollenverständnis in Partnerschaften ändern und es sollte normaler werden, dass auch Väter in Teilzeit gehen.