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Frauenrechte im Schatten der Taliban

Die Taliban haben in Afghanistan die Macht übernommen. Den 38 Millionen Menschen, die in dem gebirgigen Binnenstaat leben, stehen tiefeinschneidende Veränderungen sowohl auf politischer als auch auf gesellschaftlicher Ebene bevor. Lang erkämpfte Frauenrechte drohen im Schatten der radikal-fundamentalistischen Herrschaft zu fallen. 

Von Viktoria Nedwed und Jonathan Weidenbruch

Als die USA 2001 nach Afghanistan einzogen verbesserte sich die Lage für afghanische Frauen in manchen Bereichen. Es wurden neue Schulen eröffnet und während einige junge Frauen schon vor der amerikanischen Invasion heimlich lernten und damit ihr Leben riskierten, war es für viele Mädchen die erste Chance auf Bildung und eine Karriere. In den vergangenen 20 Jahren ist eine Generation junger Afghan*innen aufgewachsen, die von einer Zukunft abseits von Krieg und Unterdrückung zumindest träumen konnte. Dieser Traum scheint mit der Machtübernahme der Taliban nun wieder fern. 

Viele Frauen in Politik und Justiz

Nach 2001 fand sowohl im öffentlichen Leben als auch auf politischer Ebene eine Art der Emanzipation statt. So hat die Beteiligung von Frauen sowohl am öffentlichen Leben als auch in den politischen Strukturen des Landes zugenommen. Auf Landes- und Distriktebene stellten Frauen zuletzt mehr als ein Viertel der Abgeordneten und auch im Justizbereich stieg die Anzahl der Frauen auf knapp ein Fünftel aller Beschäftigten an.

Obwohl Frauenrechtsaktivist*innen auch nach 2001 noch stark von Drohungen bis hin zu Attentaten durch die Taliban gefährdet waren, formierten sich im ganzen Land Gruppen, die sich für die Rechte von Frauen einsetzten. Verpflichtungen, die Rechte von Frauen zu schützen, nahmen seither auch auf der innenpolitischen Agenda von Präsident Hamid Karsai einen Platz ein. 2004 wurden Frauen in der afghanischen Verfassung rechtlich gleichgestellt. Nach den jüngsten Ereignissen seit der Machtübernahme der Taliban scheint es, als würden die Errungenschaften durch die fundamentalistische Gesellschaftspolitik und die Einführung der Scharia als Rechtssystem zu Nichte gemacht werden.

Wenig Vertrauen in die Versprechen der Taliban

In einer Pressekonferenz gaben die Taliban vergangene Woche auf Nachfrage internationaler Medien an, dass Frauen unter ihrer Herrschaft Rechte haben sollen. Ohne auf Details einzugehen beteuern sie, dass Frauen arbeiten und studieren können werden. Solche Versprechen lassen hoffen, dass die Taliban aus 2021 nicht mehr dieselben sind, die sie vor 20 Jahren waren. Die meisten Beobachter*innen sehen in dem milderen Auftreten der Taliban jedoch eine geschickte PR-Kampagne, ausgelegt darauf den Westen zufriedenzustellen, um mit ihm Gespräche führen zu können. Eine junge afghanische Schauspielerin äußert gegenüber der New York Times ihr Misstrauen gegenüber der Angaben der Taliban: „Sie sagen, dass Frauen arbeiten dürfen. Das liegt aber nicht an Frauen sondern daran, dass sie nicht wissen, wie sie regieren sollen. Und sie brauchen Menschen, die in ihren Büros arbeiten.“ Vielleicht dürften Frauen, die den Chadori tragen, einen alles umhüllenden blauen Schleier, weiterarbeiten, sagt die junge Frau. Sich selbst sieht sie jedoch gefährdet, genauso wie Journalistinnen. Längst wird berichtet, dass Journalistinnen aus ihren Jobs gedrängt werden, mit der Begründung, Männer würden ihre Position einnehmen.

Bildung schafft Perspektive auf Karriere

Durch den drastisch verbesserten Zugang zu Schulen und Universitäten bekam eine ganze Generation junger afghanischer Frauen eine neue Perspektive auf Beruf und Karriere. Jedoch war es auch vor der erneuten Machtübernahme der Taliban nicht einfach für Frauen in Gesellschaft und Karriere Fuß zu fassen. Bis zuletzt sahen sich Frauen mit Hindernissen und dem fundamentalistischen Gedankengut in der Gesellschaft konfrontiert. Zurückzuführen ist das wohl auch auf das starke Ungleichgewicht zwischen Stadt und Land. Mehr als 80 Prozent der afghanischen Frauen leben auf dem Land, konservative und tradierte Rollenbilder sind hier besonders stark ausgeprägt. Doch zumindest gab es Versuche und Möglichkeiten, die Situation zu verbessern. Und Stimmen, die sich für Gleichberechtigung eingesetzt haben. Unter der Herrschaft der Taliban werden wohl auch diese Stimmen verstummen.

Journalist*innen in Gefahr

Journalist*innen geraten unter den Taliban besonders stark unter Druck. Berichten zufolge jagen die Taliban zahlreiche Journalist*innen, deren Namen auf Listen vermerkt sind. Sie und ihre Angehörigen sind in akuter Lebensgefahr, warnen die Reporter ohne Grenzen. „Afghanische Journalisten sind nirgendwo im Land mehr sicher,“ schreibt die Organisation. Während manche Journalist*innen weiterhin arbeiten, müssen viele von ihnen untertauchen und ihre Social Media Accounts deaktivieren. Afghanische Journalist*innen müssen sofort und unbürokratisch gerettet werden, fordern die Reporter ohne Grenzen. Die Ausreise afghanischer Staatsbürger*innen wird von den Taliban verhindert, viele bedrohte Afghan*innen machen sich dennoch auf den gefährlichen Weg zum Flughafen in Kabul. Unterdessen fordern zahlreiche Länder, dass US-Präsident Joe Biden die Frist des geplanten Evakuationsstopps Ende August verlängert.

Es muss nicht betont werden, dass die politische und gesellschaftliche Situation in Afghanistan angespannt ist und in der Zukunft angespannt bleibt. Die Machtübernahme durch die radikal-fundamentalistischen Taliban stellt die politischen Strukturen des Landes auf den Kopf und wird auch das Leben der Menschen stark beeinflussen. Es bleibt zu hoffen, dass die Errungenschaften im Bereich der Frauenrechte wenig, am besten garnicht kaputt gemacht werden. Schließlich ist es die Hoffnung, die zuletzt aufgegeben werden sollte.

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