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5 Tipps für Resilienz in der Krise

Wie können wir in der aktuellen weltpolitischen und pandemischen Lage resilient bleiben? Die Münchner Fachärztin und Buchautorin („Das Prinzip Selbstfürsorge“) Dr. med. Tatjana Reichhart hat konkrete Tipps.

„Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen“ wird Aristoteles zitiert. Dieses Zitat bringt auf den Punkt, worauf es in Krisen und herausfordernden Zeiten ankommt. Gerade werden wir von einem Krieg erschüttert, der so nah vor unserer Türe steht, wie es nur unsere Großeltern und vielleicht noch unsere Eltern erlebt haben. Und das, wo wir immer noch in der Corona Pandemie stecken. Viel Zeit zum Luftholen gab es nicht. Jetzt geht es darum, die eigenen Segel so zu setzen, um möglichst unbeschadet durch diese Unwetter zu navigieren. Dabei helfen die folgenden fünf Anregungen, die auf Erkenntnissen der Resilienzforschung, also der Forschung darüber, was uns trotz Krisen gesund erhält, der Neurobiologie und der positiven Psychologie basieren:

  • Sie dürfen sich schlecht fühlen.

Es ist völlig in Ordnung und normal, dass Sie beunruhigt sind, Angst haben, Grübeln, schlecht schlafen können bzw. sich traurig oder hilflos fühlen. Alle Gefühle haben Ihre Berechtigung und zeigen uns an, dass wichtige Bedürfnisse gefährdet oder unbefriedigt sind. Aktuell sind unsere Grundbedürfnisse nach Sicherheit, Ordnung und Autonomie besonders in Gefahr und das spüren wir. Anstelle nun streng mit sich zu sein und diese Gefühle „weghaben“ zu wollen, ist es hilfreicher ihnen mit Selbstmitgefühl zu begegnen.

 

  • Trösten Sie sich selbst.

In Ihren Selbstgesprächen bzw. Gedanken sollten Sie sich Verständnis und Wohlwollen, auch Selbstmitgefühl genannt, entgegenbringen: „Ich fühle mich ohnmächtig, das ist in dieser Situation total normal und nachvollziehbar. Es ist gerade auch echt schwierig und belastend.“ Überlegen Sie sich, wie eine Ihnen wohlgesonnene Großmutter Sie trösten würde, und tun Sie dies für sich selbst. Körperkontakt kann dabei über die Ausschüttung bestimmter Botenstoffe, wie Oxytocin, besonders beruhigend wirken. Haben Sie niemanden, der Sie in den Arm nehmen kann? Dann legen Sie sich Ihre eigene Hand auf den Brustkorb, die Herzregion und spüren Sie nach, wie sich Ihre Atem- und Herzfrequenz langsam reduzieren.

 

  • Konzentrieren Sie sich auf das, worauf Sie Einfluss haben.

Durch das Internet erhalten wir Informationen 24/7 aus der ganzen Welt. Doch handeln können wir meist nur in unserem direkten Umfeld. Dieses Missverhältnis zwischen dem, worauf wir tatsächlich Einfluss haben und dem, was wir theoretisch auf der ganzen Welt tun könnten, führt oft zu Schuldgefühlen, Hilflosigkeit und Frustration. Um aus dieser passiven „Opferrolle“ herauszukommen, konzentrieren Sie sich ganz konkret auf das, was Sie wirklich tun können in Ihrem eigenen Umfeld. Es muss sich dabei nicht unbedingt um Hilfsaktionen bezüglich des Krieges handeln. Einer Nachbarin die Einkaufstüten hochtragen oder dem Postboten danken, wirkt genauso gut. Aus der Forschung ist bekannt, dass wir positive Botenstoffe ausschütten, die unser Stressempfinden reduzieren, wenn wir andere tatsächlich unterstützen (ohne Gegenleistung zu erwarten).

 

  • Üben Sie sich in Dankbarkeit.

Wenn wir uns in Dankbarkeit üben, legen wir unseren Fokus auf die Fülle anstelle des Mangels, also auf das „Haben“ anstelle des „Solls“. Dankbarkeit fördert den Optimismus, führt zu einer positiven Sicht in die Zukunft und hilft, Veränderungen als weniger bedrohlich wahrzunehmen. Da wir uns hinsichtlich dessen, was wir bereits haben, bewusster sind und uns damit sicherer fühlen, lösen Veränderungen nicht mehr so viel Angst aus. Indem wir uns in Dankbarkeit üben, werden wir außerdem hilfsbereiter und empathischer, was sich positiv auf die Qualität unserer Beziehungen und als Stress Puffer für uns auswirkt. Dankbarkeit kann gegenüber sich selbst, Dingen, Situationen, Menschen ausgedrückt werden oder auch im Bereich des Glaubens oder der Spiritualität. Überlegen Sie sich täglich einmal, abends oder morgens, wofür Sie dankbar sind. Sammeln Sie mindestens 3 Punkte. Mit regelmäßiger Übung werden Sie immer leichter und automatischer im Alltag die Dinge sehen, die wir sonst meist erst wahrnehmen, wenn sie gefährdet sind, wie die Gesundheit, Freiheit, Frieden, den Strom aus der Steckdose, das fließende Wasser aus dem Hahn. Sie werden auch sich selbst gegenüber wohlwollender und friedlicher, wenn Sie im Blick haben, wofür Sie sich selbst dankbar sind, was Sie bereits alles erreicht und geschafft haben.

 

  • Konsumieren Sie Nachrichten sparsam.

Wir wollen gerade in Krisenzeiten gut informiert sein. Durch regelmäßiges Nachrichtenschauen geben wir der Illusion nach, Kontrolle über eine Situation zu erhalten. Vielleicht wollen wir auch Schuldgefühle über unsere de facto Untätigkeit übertünchen und glauben, dass wir aus Verantwortung oder Verpflichtung heraus informiert sein müssen. Allerdings bleiben wir als Nachrichtenseher ja wortwörtlich Zuschauer. Wir sind nicht wirklich involviert obwohl unsere Gefühle uns suggerieren, wir wären es. Wieso sollten wir uns daher immer weiter mit den Nachrichten belasten und uns darüber schlechter fühlen, weniger Energie haben und nur noch weniger aktiv ins Handeln kommen. Hilfreicher ist es, sich auf das zu konzentrieren, was unter Punkt 3 beschreiben ist. Überlegen Sie sich zusätzlich genau, wann Sie sich welche Nachrichten zumuten möchten. Lieber Nachrichten lesen, um etwas distanzierter bleiben zu können, oder eher Fernschauen und die bewegten Bilder aushalten? Welche Medien wollen Sie wie oft und wann nutzen? Auf keinen Fall sollten Sie die Nachrichten vor dem Einschlafen lesen. Es verlangt dann viel von Ihnen, abzuschalten, sich zu entspannen, um in einen erholsamen Schlaf zu finden. Da bietet sich zum Einschlafen eher eine Dankbarkeitsübung an, die nachweislich die Schaltqualität bessert.

Zuletzt ist es gut zu wissen, dass wir als Menschen eine sehr widerstandsfähige Spezies sind. An unseren Vorfahren können wir ablesen, dass wir – wenn es darauf ankommt – sehr viel innere Kraft und Stärke mobilisieren und im besten Fall durch das Überwinden von schwierigen Zeiten, Kompetenzen für die Bewältigung der nächsten schwierigen Zeiten aufbauen. Diese Zuversicht trägt uns.

Dr. med. Tatjana Reichhart ist Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie. Bereits während ihrer Zeit an der Uniklinik hat sie sich auf den Bereich der Prävention psychischer Erkrankungen für Privatpersonen und Unternehmen spezialisiert und hält deutschlandweit Workshops & Coachings zu den Themen Resilienz, Selbstfürsorge, gesunde Führung & Kommunikation. Sie ist Co-Gründerin des Kitchen2Soul, das Seminar- und Coaching-Café mit Buchhandel in München. In der Kitchen2Soul Akademie leitet sie die Ausbildung zum Resilienz Coach. 2019 ist ihr Buch „Das Prinzip Selbstfürsorge“ im Kösel-Verlag erschienen.

Fotomaterial©Andrea Mühleck

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