StartBalanceDie Reisebranche im Umbruch: Auf ein Wort mit Stefanie Brandes

Die Reisebranche im Umbruch: Auf ein Wort mit Stefanie Brandes

Die Reise- und Tourismusindustrie ist von der Pandemie betroffen wie fast keine andere Branche. Und obwohl in der Industrie gleich viele Frauen und Männer arbeiten, liegt der Frauenanteil unter den CEO‘s nach einer Erhebung des World Tourism Forum Lucerne lediglich bei fünf Prozent. Die Frauen, die in der Branche den Ton angeben, haben sich den Fragen von SHEconomy gestellt. Diesmal ein Gespräch mit Stefanie Brandes.

Stefanie Brandes – Geschäftsführerin, Aldiana GmbH

Wenn Kompetenz einen Namen hat: Stefanie Brandes gehört zweifellos zu den führenden Köpfen der europäischen Reisebranche, wenn es um Club-Urlaub geht. Seit 2018 steht sie als Geschäftsführerin an der Spitze der Aldiana GmbH. Die Gesellschaft ist Reiseveranstalter und Hotelbetreiber von gegenwärtig neun Club- Anlagen in Griechenland, Italien, Österreich, Spanien und Tunesien. Das Unternehmen mit Sitz in Frankfurt am Main beschäftigt weltweit rund 2.500 Mitarbeiter. Zuvor war sie dreieinhalb Jahre als Director Sales & Marketing für den Mitbewerber Robinson tätig.

Frau Brandes – zurückblickend auf die vergangenen Monate: was würden Sie heute als die größte Enttäuschung bezeichnen?

Sicherlich war das letzte Jahr für uns alle sehr herausfordernd und wir konnten nur auf Sicht fahren. Das ist in einer Krise normal. Enttäuschend war für mich der Stellenwert der Touristikbranche in Deutschland und das Wirrwarr bei den Entscheidungen für den Hotel- und Gastronomiebereich von Seiten der Bundesregierung. Hotels können nicht innerhalb von 48 Stunden geöffnet oder geschlossen werden. Die Prozessschritte, angefangen bei der Kunden- und Reisebürokommunikation bis hin zur Einstellung von Mitarbeiter*innen oder auch dem F&B (Food&Beverage) Einkauf sind nicht so kurzfristig zu lösen. Hier hätte ich mir ein größeres Verständnis gewünscht. Hinzu kommen die unterschiedlichen Regelungen für Reiserückkehrer in den verschiedenen Bundesländern. Der Föderalismus hat uns das Leben nicht einfacher gemacht.

Und – gibt es eine positive Erkenntnis, die Sie aus der Pandemie für sich und Ihr Unternehmen mitnehmen?

Definitiv – vom Zusammenhalt der Kolleg*innen, ein absoluter Teamspirit, der uns getragen hat, bis zu Spendenaktionen von Gästen für Mitarbeiter im nicht- europäischen Ausland, die nicht wie in EU-Ländern über Kurzarbeitergeld abgesichert sind, haben mich nachhaltig berührt und begeistert.

Die größte Herausforderung für Ihr Unternehmen beim „Re-Start“?

Einen klaren Kopf zu bewahren. Die Informationspolitik der Bundesregierung war zum Teil sehr herausfordernd aufgrund der oft sehr kurzfristigen Kommunikation. Hier hätte ich mir eine größere Planungssicherheit und klarere Kommunikation gewünscht. Unsere Gäste hätten sich ebenfalls eine frühzeitigere Information

gewünscht, wann ihr Lieblingsclub öffnet. Dies hängt jedoch von vielen Faktoren ab. Welche Entscheidung trifft die Bundesregierung bezüglich der Rückreisekriterien für Urlauber? Müssen sie in Quarantäne oder nicht? Gibt es zu dem Zeitpunkt schon genügend Flüge oder nicht? Wie sind die Einreisekriterien in dem jeweiligen Urlaubsland? Das Jonglieren dieser Informationen bedarf eines klaren Kopfes und des Mutes, zum richtigen Zeitpunkt die richtige Entscheidung zu treffen.

Ihre Prognose: wird Reisen wieder so aussehen, wie wir es kennen? Oder wird die Pandemien die Reiseindustrie nachhaltig verändern?

Aus meiner Sicht werden wir definitiv eine Veränderung sehen. Allerdings glaube ich, dass dies primär den Geschäftsreisebereich betreffen wird. Deutsche Gäste werden auch weiterhin das Bedürfnis haben, Urlaub zu buchen und die schönen Wochen des Jahres an einem Traumort zu verbringen. Und sie schätzen die Qualität und Verlässlichkeit bei einem Hotelprodukt, das sie kennen. Deshalb sehe ich gerade für den Cluburlaub gute Chancen in der Zukunft.

Wann wird sich Ihr Geschäft wieder auf dem Niveau von 2019 einpendeln?

Wir gehen in der Touristik davon aus, dass sich die Entwicklung in den kommenden zwei Jahren wieder auf ein Niveau vor Corona einpendeln wird.

Last but not least: gibt es ein Netzwerk, das Ihnen zur Seite steht und in dem Sie sich engagieren? Können Sie ein Frauen-Netzwerk empfehlen?

Wichtig sind für mich Aufrichtigkeit und Austausch mit Kolleg*innen aus der Touristik. Hier schätze ich es sehr, auf Management Ebene auf viele liebgewonnene Kolleg*innen aus der Branche zu treffen, bei denen man einfach nur Mensch sein darf und sieht, dass geteiltes Leid auch halbes Leid sein kann. Hilfreich war und ist für mich auch immer der Austausch im Marketing Club und vor allem mit meinen Jury-Kolleg*innen im Deutschen Marketing Verband. Hier treffe ich auf Nicht-Touristiker und der Blick über den Tellerrand hilft immer, die Blickrichtung zu verändern.


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