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Aufbruch ins Unbekannte!

Seit einem Jahr verlassen wir notgedrungen tagtäglich unsere Komfortzonen. Wir haben gelernt, alles neu zu gestalten und waren schließlich sogar erfolgreich darin, unsere Tagesabläufe, Gewohnheiten und Prozesse je nach Umstand auf „Lockdown-Modus“ bzw. auf „Lockerungs-Style“ umzustellen. Schichtbetrieb in den Schulen und in Unternehmen. Homeschooling. Wir sind zu KöchInnen, BäckerInnen oder Putzhilfen mutiert. Zeitweise waren wir für unsere Kinder sogar Eltern, PädagogInnen und Mentalcoaches in Personalunion. So viele verschiedene Berufsbilder mit Praxiserfahrung hatte vor März 2020 selten jemand im Lebenslauf. Und wer weiß, was da in den nächsten Monaten noch alles dazukommen wird!

Klar, das Verlassen der Komfortzone erfolgte nicht freiwillig. Und: Die ersten Monate waren ganz schön anstrengend. Viele ManagerInnen und MitarbeiterInnen haben mir erzählt, dass sie sich wieder nach Normalität sehnen. Verständlich. Befindet man sich permanent außerhalb seiner Komfortzone – also auf Distanz zu gewohnten Rhythmen und Ritualen – kostet das Kraft. Sich neu zu arrangieren und etwas Neues zu gestalten, erfordert ein Umdenken und kreative Lösungen, die den Anforderungen in der Praxis standhalten.

Obwohl ich als langjährige Beraterin auf Veränderung und Flexibilität geeicht bin, habe auch ich eine gewisse „Lernmüdigkeit“ an mir festgestellt. Es war schlichtweg anstrengend, so viel in kurzer Zeit lernen und adaptieren zu müssen. Dennoch überwiegen die positiven Erfahrungen und Erkenntnisse! Sehen Sie es einmal von dieser Seite: In einem Jahr haben wir Entwicklungsschübe durchlebt und bewältigt, die im „Normalbetrieb“ nicht einmal in zehn Jahren denkbar gewesen wären.

Und: Vielleicht zum allerersten Mal saßen wirklich alle spürbar in einem Boot!

Weltweit mussten Menschen gleichzeitig ihre Komfortzonen verlassen. In meinen Augen haben wir dadurch als Spezies gesellschaftlich einen großen Entwicklungssprung gemacht. Mut zu neuen Wegen, Überwindung von Bequemlichkeit, das Erlernen neuer Fähigkeiten – all das sind Errungenschaften, die wir mitnehmen und auf die wir zurecht stolz sein können. Dies ist das Geschenk, das wir uns selbst in einer unerwarteten globalen Katastrophe selbst gemacht haben, weil uns nichts anderes übrig geblieben ist. Organisationen sind krisensicherer geworden, weil sie sich breiter aufgestellt oder verschlankt haben. Menschen sind abseits ihrer ausgetretenen Pfade vielseitiger und flexibler geworden.

Natürlich gibt es auch viele, die durch die Pandemie verloren haben. Ich will hier keinen realitätsfernen Zweckoptimismus zelebrieren. Viele haben ihr Leben verloren, viele hatten Familienmitglieder, Freunde und KollegInnen zu betrauern. Firmen haben die Krise nicht überlebt und viele Menschen sind arbeitslos. Aber all das verpflichtet uns, die relativ gut durch diese Zeit gekommen sind, etwas mitzunehmen und fortzuführen. Die Pandemie hat uns gezeigt, dass wir über uns hinauswachsen können, wenn es hart auf hart kommt – sogar in Bereichen, in denen wir uns das noch vor einem Jahr in keiner Weise vorstellen konnten.

Nehmen wir nicht nur das Negative, sondern auch das Positive aus dieser Zeit mit, denn wir werden diese neu- oder wiederentdeckten Qualitäten weiterhin brauchen. Unsere „alte Normalität“ wird es selbst nach der überstandenen Pandemie nicht mehr geben. Der Wandel, der in jedem von uns und auch in Organisationen passiert ist, lässt sich nicht vergessen und nicht ungeschehen machen. Und wir sollten uns auch keinen Schritt zurück in unsere alten Komfortzonen wünschen, denn wir haben diese Entwicklung und den Mut zum Aufbruch ins Unbekannte hart erkämpft!

Jeder von uns steht heute woanders als vor einem Jahr. Gehen wir gemeinsam weiter und blicken wir mit neuem Mut und Selbstvertrauen in die Zukunft. Wir haben ein Jahr überstanden, das sich ins kollektive Bewusstsein der Menschheit eingebrannt hat. Egal, was die Zukunft auch bringen mag: Wir wissen, was wir bewältigen können!

* Anke van Beekhuis berät Unternehmen in Unternehmenskulturfragen. 2019 erschien ihr Buch „Wettbewerbsvorteil Gender Balance.“ Im Herbst 2020 veröffentlichte sie das Buch „Führungsinstinkt“ im Gabal Verlag.

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