von Melanie Vogel
Das Jahr 2020 war eine Zäsur. Zum ersten Mal in der Geschichte wurden weltweit in noch nie dagewesener Weise ökonomische Prozesse zum Erliegen gebracht, ganze Branchen stillgelegt und die unternehmerische Handlungsfreiheit über viele Monate massiv eingeschränkt. Mehr als 12 Monate später ist die Welt eine andere. Ein Zurück in die alte Normalität wird es aus vielen Gründen nicht mehr geben. Ein elementarer Grund ist die Digitalität, in der wir seit über einem Jahr angekommen sind – ob wir wollen oder nicht.
Doch was heißt Digitalität? Waren wir nicht bis Ende 2019 noch mit der Digitalisierung beschäftigt? Um den epochalen Wandel zu verstehen, den nicht nur das Jahr 2020 eingeleitet hat, sondern zu dem uns auch die Digitalität zwingt, ist zunächst eine Begriffserklärung notwendig.
Digitalisierung vs. Digitalität
Digitalisierung ist nichts Neues, auch wenn es in Deutschland ab und an den Anschein hatte, als würde eine neue Sau durch’s Dorf getrieben. Digitalisierung ist Jahrzehnte alt und begann mit der Entwicklung von Computern und dem Siegeszug der PCs, die das Alltagsleben der Menschen radikal veränderten. Kombiniert mit der Erfindung des World Wide Web stehen wir spätestens seit den Nuller-Jahren des 21. Jahrhunderts vor der großen Herausforderung, die zunehmende Konnektivität und die mit ihr einhergehende Zerstörung von Branchen und Geschäftsmodellen, bewältigen zu müssen. Digitalisierung ist der Überbegriff, der diesen Prozess beschreibt – auch bekannt als „Digitale Revolution“ im sogenannten Informationszeitalter. Mit der Digitalisierung ist das Mantra verbunden: Alles, was digitalisiert und automatisiert werden kann, wird digitalisiert und automatisiert.
Während die Digitalisierung den Prozess der digitalen Umwandlung und Modifikation und damit eine Zeit des Übergangs beschreibt, so ist die Digitalität gewissermaßen das Endergebnis. Der Übergang ist vorbei, man ist in der Digitalität angekommen. Das ist Vergleichbar mit dem Prozess der Demokratisierung. Mit der ersten freien demokratischen Wahl ist der Übergang von einem System zum anderen abgeschlossen. Die Demokratie ist erreicht. Das bedeutet noch nicht, dass der erreichte Zustand perfekt ist und es entbindet auch niemanden von der Verantwortung, den Zustand stetig zu überprüfen und zu verbessern. Doch der Duktus der Neuheit ist vorbei, der Wandels vollzogen.
Und genau das passierte im Jahr 2020. In den Jahrzehnten zuvor haben wir uns im Prozess der Digitalisierung befunden. Bei allem Hightech war unsere Arbeitswelt immer noch in weiten Teilen analog und materiell an einen Arbeitsort gebunden. Das ist nun für sehr viele Menschen nicht mehr der Fall. Der Rückzug ins Homeoffice, der Dauer-Lockdown seit 12 Monaten, die über viele Monate geschlossenen Geschäfte, der Verbot, sich zu treffen, das Untersagen von Veranstaltungen, Konzerten oder eines Kinobesuchs – all das fand bis Ende 2019 in einer analogen Welt statt und hat sich nun im letzten Jahr Schritt für Schritt in die virtuelle Welt bewegt, die Ersatz und Alternativen bereithält. Unabhängig davon, ob wir die Entwicklung gutheißen oder nicht, so müssen wir feststellen, dass sich ein Großteil unseres Lebens und viele Business-Konzepte dematerialisiert haben.
Wirtschaft neu denken
Wir alle müssen lernen, uns in einer weitgehend dematerialisierten Welt zurechtzufinden, denn derzeit ist völlig unklar, wann eine barrierefreie analoge Welt überhaupt wieder möglich wird. Selbst wenn alle Restriktionen irgendwann aufgehoben würden, so wird doch mindestens eine durch und durch hybride (Arbeits-)Welt zurückbleiben. Mit diesem epochalen Wandel muss sich auch die Wirtschaft ändern. Mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner, der Hybridität, müssen Geschäftsmodelle, muss das miteinander arbeiten, müssen Führungsprinzipien neu gedacht und radikal angepasst werden. Denn was bedeutet eine zumindest teilweise dematerialisierte Welt? Amazon (kindle), airbnb, zoom oder bitcoin zeigen es uns:
- Handel ohne Ladenflächen
- Hoteldienst ohne Hotels
- Meetings ohne Raum
- Währung ohne Münzen und Scheine
- Bücher ohne Papier
Doch damit nicht genug, denn wir haben im letzten Jahr gelernt, dass
- Sekretariat ohne Büro
- Führung ohne Präsenz
- Messen ohne Hallen
- Kongresse ohne Vortragssäle
- Konzerte ohne Publikum
- Nähe ohne Berührung
- Liebe auf Entfernung
möglich sind, wenn es sein muss. All das sind sichtbare Zeichen für eine dematerialisierte Welt und ein Beweis für die Digitalität, in der wir angekommen sind. Wie viel davon nachhaltigen Bestand haben wird, bleibt abzuwarten und wird in entscheidendem Maße davon abhängen, wie schnell und in welcher Form die analoge Welt wieder geöffnet wird. Je länger wir in die virtuelle Welt gedrängt werden, umso nachhaltiger werden die Veränderungen sein und umso fremder wird manchen die analoge Welt in einigen Monaten vorkommen.
Darauf müssen sich Unternehmen einstellen und sich fragen:
- Wie definieren und gestalten wir zukünftig eine mindestens hybride Arbeitswelt?
- Welche digitalen Geschäftsmodelle sind möglich (und ggf. sogar dringend notwendig), wenn wir radikal denken und unterstellen, dass die alte Normalität ein für allemal vorbei ist?
In meinem aktuellen Buch „Der Goldene Schnitt der Ökonomie“ zeige ich Wege auf, was Unternehmen jetzt und in Zukunft noch tun können, um sich nachhaltig und enkeltauglich aufzustellen.
Unter allen Leserinnen verlose ich 2 Exemplare dieses Buches. Wer ein Buch gewinnen möchte, schreibt gern an news@sheconomy.at. Es gilt das Prinzip „First come, first serve“. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Über Melanie Vogel
Die dreifach ausgezeichnete Innovatorin ist seit 1998 passionierte Unternehmerin. Das von ihr entwickelte und preisgekrönte „Futability®-Konzept” ist ihre Antwort auf VUCA – eine Welt radikaler Veränderungen. Als VUCA-Expertin macht sie Menschen fit für eine Welt dauerhaften Wandels und sorgt für eine mentale Frischzellenkur. Als WirtschaftsPhilosophin und Innovation-Coach begleitet sie bei ganzheitlichen Unternehmenstransformationen. Die mehrfache Buchautorin ist Mitglied der Arbeitsgruppe „Hochschulbildung für das digitale Zeitalter im europäischen Kontext”, initiiert vom „Hochschulforum Digitalisierung” der Hochschulrektorenkonferenz (HRK). Außerdem schreibt sie regelmäßig als Fachautorin für die Publikationen “PersonalEntwickeln” (Deutscher Wirtschaftsdienst) und „Grundlagen der Weiterbildung” (Luchterhand-Verlag).
www.WirtschaftsPhilosoph.in | www.VogelPerspektive.gmbh