StartInnovationPlanetChancengleichheit in der Wissenschaft: Nachhaltige Entwicklung für alle

Chancengleichheit in der Wissenschaft: Nachhaltige Entwicklung für alle

Sheconomy Gastautorin Nina Smidt, CEO der Siemens Stiftung, erläutert anlässlich des „International Day of Women and Girls in Science“, warum eine Bildungsoffensive für Mädchen und Frauen in MINT-Fächern ein, wenn nicht sogar DAS zentrale Instrument ist, den großen globalen Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen.

Um die Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung zu erreichen, werden Wissenschaft und Technologie immer bedeutsamer. Bis 2030 bleiben nur sieben Jahre, um dieses Vorhaben voranzutreiben. Wie die Vergangenheit gezeigt hat, ist die Wissenschaft in der Lage, sich in dringenden Fällen rasch weiterzuentwickeln. Nicht selten beruhte dies auf grenzüberschreitender Zusammenarbeit zur Bewältigung einer gemeinsamen Herausforderung. Die Entwicklung neuer Impfstoffe während der Corona-Pandemie in einem noch nie dagewesenen Zeitrahmen, hat uns die unverzichtbare Bedeutung von Wissenschaft in der heutigen Zeit deutlich vor Augen geführt.

Nina Smidt, CEO der Siemens Stiftung. Die Siemens Stiftung zählt zu den größten unternehmensnahen Stiftungen Deutschlands.

Die Wissenschaft als solche ist einerseits eine verbindende Kraft, andererseits kann sie ebenso neue Ungleichheiten schaffen oder bestehende verschärfen. Hintergrund sind wirtschaftliche und soziale Unterschiede sowie geschlechtsspezifische Ungleichheiten in der Bildung und am Arbeitsplatz. Nach Schätzungen der UNESCO sind nur 28 % der Hochschulabsolvent:innen aus dem Ingenieurwesen und 40 % aus der Informatik Frauen, damit stellen sie weniger als 30 % der Forscher:innen weltweit und nur eine von fünf Fachkräften in aufstrebenden Bereichen wie der künstlichen Intelligenz.

Eine aktuelle Studie von McKinsey zeigt, dass das europäische BIP von 260 Milliarden Euro auf 600 Milliarden Euro steigen würde, wenn der Anteil von Frauen in Technologieberufen von den heutigen 22 % bis zum Jahr 2027 auf 45 % steigen würde.

Um die bestehenden Hindernisse für Frauen zu beseitigen, hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Förderung des vollen und gleichberechtigten Zugangs und der Beteiligung von Frauen und Mädchen an der Wissenschaft beschlossen und den 11. Februar zum Internationalen Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft erklärt.

Wissenschaft für alle

Eine Ausbildung in MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) verbunden mit den sogenannten „21st Century Skills“, also Fähigkeiten wie kreative Problemlösung, Zusammenarbeit und kritisches Denken sind die Basis für nachhaltige Innovation und Entwicklung.

Sie eröffnet neue Wege zur Bewältigung einiger der drängendsten Herausforderungen unserer Zeit. Das gilt insbesondere für die Klimakrise, deren Auswirkungen Mädchen und Frauen deutlich härter treffen – nach Angaben des UN-Umweltprogramms sind 80 % der durch den Klimawandel vertriebenen Menschen Frauen. Bestehende Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern werden verschärft, die Lebensgrundlage, Gesundheit und Sicherheit von Frauen ist einer zusätzlichen Bedrohung ausgesetzt.

Es überrascht also nicht, dass Frauen und Mädchen zu den kreativsten und lautesten Verfechter:innen des gemeinsamen Kampfes gegen den Klimawandel gehören. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, die Kluft zwischen den Geschlechtern zu überbrücken und mehr Möglichkeiten für Frauen in MINT-Bereichen zu schaffen, um den Beitrag von Frauen zur Innovation und unserer Zukunft zu gewährleisten. Dies würde letztlich dazu beitragen, das geschlechtsspezifische Lohngefälle zu verringern und die Beschäftigung zu erhöhen.

Lebenslanges Lernen erfordert frühe Praxis

Da sich die Welt um uns herum rasant entwickelt, müssen wir unsere nächste Generation auf gänzlich ungewisse Zukunftsszenarien vorbereiten. Die MINT-Fächer stehen an der Spitze der Innovation, und die Einführung von evidenzbasiertem Lernen und kritischem Denken bereits in jungen Jahren legt den Grundstein für lebenslanges Lernen.

In Lateinamerika führt das Programm der Siemens Stiftung Experimento 3+ Vorschulkinder durch forschendes Lernen an die Gleichstellung der Geschlechter heran. In Deutschland werden wir gemeinsam mit der Stiftung Haus der kleinen Forscher den „Tag der kleinen Forscher“ (13.06.2023) unter dem Motto „Abenteuer Weltraum“ begehen – Kindergärten, Kindertagesstätten und Grundschulen organisieren einen Tag voller Aktivitäten, um das Interesse der Kinder an den Naturwissenschaften zu wecken.

Auch das Deutsche Bundesministerium für Bildung und Forschung begeht das Wissenschaftsjahr 2023 zum Thema Weltraum. Ziel ist es, Mädchen und Jungen in der prägendsten Phase ihres Lebens stärker und kreativer für diese Fächer und für eine mögliche spätere Ausbildung zu begeistern.

STEM Unterrichtseinheit in Kenia (c) Siemens Stiftung

Für Jugendliche bietet die digitale Lernplattform atingi, des deutschen Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, maßgeschneiderte E-Learning-Kurse für Schüler:innen. Entwickelt von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), führen die Siemens Stiftung Berufsorientierungskurse mit MINT-Inhalten für benachteiligte afrikanische Jugendliche durch – damit sie Karrieren in Technik und Naturwissenschaften einschlagen können: als Softwareentwickler, Sanitäter oder „Agripreneur“. Für junge afrikanische Mädchen, die beim Zugang zu Bildung und Arbeitsplätzen diskriminiert werden, sind solche innovativen und kostenlosen Online-Ressourcen sehr hilfreich, vor allem wenn die etablierten Bildungssysteme versagen.

Umsetzung der Geschlechterparität

Auch in Europa brauchen Frauen gleiche Ausbildungs- und Führungschancen. Das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen schätzt, dass die Verringerung der geschlechtsspezifischen Unterschiede in den MINT-Bereichen die Beschäftigung in der EU bis 2050 um 850.000 erhöhen würde. Das geschlechtsspezifische Lohngefälle ist nach wie vor ein gesellschaftliches Problem: Frauen verdienen in Deutschland im Durchschnitt immer noch 18 % weniger als Männer. Eine der vielen Möglichkeiten, diese Ungleichheit zu bekämpfen, ist die Förderung von Frauen und Mädchen in der MINT-Ausbildung. Es ist an der Zeit, in die Zukunft der Frauen zu investieren, um eine gleichberechtigtere und gerechtere Gesellschaft zu schaffen und sie für zukünftige Wachstumssektoren wie die grüne und digitale Wirtschaft auszubilden.

Die Regierungen sind zunehmend bestrebt, den wissenschaftlichen Fortschritt für eine transformative Entwicklung zu nutzen. Es wäre jedoch unverhältnismäßig, wenn die Wissenschaft nicht auch für die andere Hälfte der Gesellschaft zugänglich wäre. Die Vereinten Nationen heben die Gleichstellung der Geschlechter als Grundrecht hervor. Frauen sind nicht nur die Leidtragenden der größten globalen Herausforderungen, sie haben auch die Ideen und Führungsqualitäten, um diese zu lösen. Das SDG 5 „Gleichstellung der Geschlechter“ ist integraler Bestandteil aller 17 Ziele. Wir können wirtschaftliche Gerechtigkeit und Inklusion sowie Fortschritte hin zu einer modernen und nachhaltigen Gesellschaft nur erreichen, wenn wir die Rechte der Frauen in allen Zielen gewährleisten.

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