Wie ist die Stimmung in den Frauenhäusern nach anderthalb Jahren Pandemie? Was sind die derzeit größten Herausforderungen? Cornelia Trajtnar von dem Frauenhaus Sozialdienst katholische Frauen München e. V. gibt Einblicke.
Wie war das erste Halbjahr 2021 in den Frauenhäusern?
Die Anzahl der Anfragen hat sich wieder normalisiert. Allerdings hatten wir mehr schwerere Fälle, da es Frauen und Kindern während des Lockdowns oft nicht möglich ist, aus der Wohnung des Gefährders zu kommen. Zudem häuften sich die Anfragen von Frauen mit mehreren Kindern, sie bringen zwischen drei und fünf Kinder ins Frauenhaus mit. Was die Arbeit vor Ort weiterhin einschränkt sind die Hygienemaßnahmen – wir können noch keine Gruppenangebote durchführen.
Inwiefern haben sich die Auswirkungen der Corona-Pandemie bemerkbar gemacht? Was der Alltag mit der Corona-Pandemie im Haus verändert?
Wir haben weniger Präsenz der Mitarbeiterinnen im Haus. Das heißt weniger Kontakt und daher auch weniger Bindung zwischen Klientinnen und den Sozialpädagoginnen. Wir stellen auch fest, dass es unter den Frauen öfter Konflikte gibt und auch mit den Nachbarn ist es schwieriger geworden, weil die Frauen und Kinder sich öfter im Haus aufhalten. Die Kooperation mit den Behörden ist wegen Homeoffice auch schwieriger geworden – vieles verzögert sich.
Was haben die Frauen erlebt, die zu Ihnen kommen?
Vor allem psychische Gewalt, Unterdrückung. Die Frauen fühlen sich wie entmündigt. Schwer wiegt auch die Erfahrung von körperlicher Gewalt, die unsere Klientinnen oft im Beisein der Kinder erleben müssen, was sich ja auch fatal auf die Kinder auswirkt. Und oft bedroht der Aggressor auch die Herkunftsfamilie, was zusätzlichen Druck auf die Frauen ausübt.
Was ist die derzeit größte Herausforderung in den Frauenhäusern?
Die ebenfalls von Traumatisierung betroffenen Kinder zu stabilisieren und ihnen die notwendige Hilfe zukommen zu lassen. Dann der Umgang mit Covid 19, denn die Klientinnen lassen sich größtenteils nicht impfen. Dazu kommen Sprachprobleme und oft monatelange Wartezeiten, bis Frauen eine Entscheidung über ihren Aufenthaltstitel erhalten. Und nicht zuletzt das alte und sich weiter verschärfende Problem, für die Frauen bezahlbaren Wohnraum zu finden.
In Österreich wurden im Vergleich zu anderen europäischen Ländern überdurchschnittlich viele Frauen ermordet. Im aktuellen Jahr waren es bereits 14 Femizide, ein sehr hoher Wert. Wie schätzen Sie diese Entwicklung ein?
Das ist in Deutschland auch zu beobachten. Leider verpuffen die Meldungen in der Presse schnell und das Thema wird in der Öffentlichkeit verdrängt. Ich würde mir wünschen, dass man stärker nach den Ursachen forscht und untersucht, wie die Fälle hätten vermieden werden können.
Was muss geschehen, um Gewalt gegen Frauen wirksam einzudämmen?
Die Istanbul Konvention muss konsequenter umsetzt werden. Und wir müssen dafür sorgen, dass die Frauen schneller bezahlbaren Wohnraum bekommen, sie resignieren sonst und gehen zurück in ihre gewaltvolle häusliche Situation. Wir brauchen auch mehr Sozialarbeit in den Familien vor Ort, betroffene Familien sind den Behörden ja bekannt, und mehr Aufklärungsarbeit bei Behörden und Gerichten, damit Gefahrensituationen schneller erkannt und Schlimmeres vermieden werden kann.
Anlaufstellen für Gewalt-Betroffene:
Frauenhelpline (Mo-So, 0-24 Uhr, kostenlos): 0800 / 222 555
Männerberatung (Mo-Fr, Ortstarif): 0720 / 70 44 00
Männernotruf (Mo-So, 0-24 Uhr, kostenlos): 0800 / 246 247
Telefonseelsorge (Mo-So, 0-24 Uhr, kostenlos): 142