Digitalisierung und Nachhaltigkeit zusammen zu denken, das ist das Prinzip der Twin Transition. Welches Innovationspotenzial in diesem Wandel liegt, und warum dafür auf allen Ebenen Diversität gebraucht wird, das zeigt Eeva Raita, Global Head of Strategy und Renewal bei Futurice.
Einer der wesentlichen Aspekte der Twin Transition ist, dass man Herausforderungen holistisch, aus vielen unterschiedlichen Perspektiven betrachtet. Wann haben Sie das erste Mal mit dieser Herangehensweise Erfahrungen gemacht?
Einen differenzierten Blick auf ein bestimmtes Problem zu haben, ist meiner Meinung nach in der heutigen Zeit ein Muss. Die Welt wird immer vernetzter, digitaler und schnelllebiger – da reicht es nicht mehr, wenn wir uns nur in unserer eigenen Blase bewegen.
Dass unterschiedliche Backgrounds verschiedene Denkweisen und Ansichten mit sich bringen, habe ich anhand meiner eigenen, eher untypischen Vita erfahren. Mein Weg führte mich von der Theaterbühne über die Wissenschaft ins Unternehmen. So unterschiedlich diese Stationen waren, so eindeutig war das, was ich daraus gelernt habe: Die vielfältigen und komplexen Herausforderungen, mit denen wir heute in Wirtschaft und Gesellschaft umgehen müssen, können nur nachhaltig gelöst werden, wenn wir unterschiedliche Perspektiven in den Lösungsweg einbeziehen. Wir brauchen echte Diversität, nicht nur in Bezug auf Herkunft und Geschlecht, sondern auch in Bezug auf unterschiedliche Denkweisen.
Warum ist die Twin Transition für Unternehmen heute so wichtig?
Eine Transformation hin zu mehr Nachhaltigkeit und Digitalisierung ist aus mehreren Gründen wichtig für Unternehmen. Einer davon ist die soziale Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und den nachkommenden Generationen, die mit dem Thema Nachhaltigkeit einhergehen. Ein weiterer Grund ist finanzieller Natur: Verschlafen Unternehmen die Digitalisierung, werden sie auf lange Sicht nicht mehr wettbewerbsfähig sein. Das ist für viele Unternehmer:innen teilweise jetzt schon spürbar und beim Thema Nachhaltigkeit wird es sich künftig ebenso verhalten. Um langfristig erfolgreich sein zu können, müssen wir diese Dinge also zusammen denken und Strukturen und Systeme holistisch verändern. Die gemeinsame Entwicklung von digitalen und nachhaltigen Strategien birgt große Wettbewerbschancen und jede Menge Innovationspotenzial.
Wie weit sind die Unternehmen ihrer Meinung nach, wenn es um die Twin Transition geht? Hat sich die Gewissheit schon durchgesetzt, dass Digitalisierung und Nachhaltigkeit Hand in Hand gehen müssen?
Wir sehen, dass der Reifegrad in den verschiedenen Industrien sehr unterschiedlich ist. Insgesamt lässt sich feststellen, dass das Bewusstsein für das Thema immer weiter wächst. Dennoch fehlt vielen Unternehmen noch das richtige Mindset und das Handwerkszeug bzw. die passende Herangehensweise, um die Twin Transition erfolgreich anzupacken. Dabei geht es um mehr, als nur darum, bestimmte Gesetzgebungen zu erfüllen, um dadurch ökologische Ziele zu erreichen. Vielmehr geht es um die Gesamtverantwortung von Unternehmen, die sie in der Gesellschaft haben. Da reicht es nicht aus, in der Firmenstruktur lediglich einen „Responsibility Lead“ einzuführen, der ein Auge auf die Nachhaltigkeitsziele hat. Vielmehr kommt es darauf an, das Verantwortungsbewusstsein bei allen Unternehmensaktivitäten einfließen zu lassen, z.B. wenn es um die Gestaltung von Lieferketten oder den eigenen Umgang mit Ressourcen geht. Digitalisierung und Nachhaltigkeit müssen in die Gesamtstrategie eingebettet und in alle Bereiche integriert werden. Silo-Denken ist dabei fehl am Platz.
Wie kann Futurice Unternehmen helfen, diese doppelte Transformation zu meistern?
Wir helfen unseren Kunden vor allem dabei zu definieren, was der aktuelle Status Quo im Unternehmen ist und entwickeln gemeinsam einen Plan, wohin die Reise gehen kann und soll. Ein zentraler Punkt jedes Transformationsprojekts ist, sich klare Ziele zu stecken und Schwerpunkte zu setzen. Außerdem müssen Fortschritte messbar gemacht werden – nur so können valide Aussagen über das Erreichen von Meilensteinen gemacht werden. Dafür ist ein effizienter und smarter Umgang mit Daten notwendig, auch dabei unterstützen wir unsere Kunden.
Außerdem haben wir ganz unterschiedliche diverse Teams, die je nach Kundenanforderung zum Einsatz kommen und sowohl strategisches Knowhow, als auch Expertise in der Unternehmensentwicklung sowie Daten-Expertise mitbringen. So können wir beispielsweise Dashboards entwickeln, die möglichst viele Perspektiven abbilden, zwischen Abteilungen vermitteln und Silos überwinden.
„Silo-Denken überwinden“
Wagen wir einen Blick über die Unternehmensebene hinaus: Wie stehen Deutschland und der DACH-Raum aus Ihrer Sicht bei der Twin Transition da?
Wir sollten hier Europa als Ganzes sehen. Je mehr wir in der EU zusammenarbeiten, desto größer ist unser Einfluss. Es geht darum, sich gegenseitig zu helfen, um die nächsten Stufen zu erreichen. Deshalb möchten Finnland – wo Futurice seinen Hauptsitz hat – und die skandinavischen Länder bei der Twin Transition eine führende Rolle übernehmen. Nicht, weil wir Erster sein möchten, sondern weil wir andere Staaten einladen wollen, den Weg mit uns zu gehen. Konsequenterweise verfolgen wir das Konzept der Twin Transition also auch in allen anderen Ländern, in denen wir operieren und helfen unseren Kunden dabei, die doppelte Transformation zu meistern.
Welche Rolle spielt hier die Regulierung von staatlicher Seite?
Die Vorgaben durch den rechtlichen ESG-Rahmen bringen viel voran und haben einen großen Impact. Aber die Regulierung ist insgesamt nicht schnell genug. Deshalb müssen wir als Unternehmen mehr Verantwortung übernehmen. Wenn Konzerne, die zum Teil inzwischen größer sind als Staaten, nicht ihren Teil beitragen, wer soll es denn dann tun?
Doch neben der Gesetzgebung spielen auch die Investoren eine entscheidende Rolle: Geldgeber haben hier inzwischen einen großen Einfluss, sie schauen in Sachen Nachhaltigkeit und sozialer Verantwortung immer genauer hin und tragen diese Erwartungen auch in die Unternehmen.
Was bedeuten die Veränderungen, die die Twin Transition mit sich bringt, konkret für die Beschäftigten? Welche Eigenschaften sind künftig besonders wichtig?
Neugier und Offenheit sind essenzielle Eigenschaften, die Mitarbeitende heute mitbringen sollten. Ebenso wie ein „Growth Mindset“ und die Bereitschaft, sich immer wieder weiterzuentwickeln. Gleichzeitig ist aber auch ein tiefgreifendes Knowhow in den jeweiligen Fachgebieten unerlässlich. Expertenwissen zu haben, ist nach wie vor von großer Bedeutung, denn alle einfachen, grundlegenden Tätigkeiten können künftig automatisiert werden, das gilt auch für Wissensarbeiter:innen – Stichwort ChatGPT. Expert:in sein im eigenen Gebiet und die Offenheit und Kommunikationskompetenz für die enge Kollaboration mit anderen, darauf kommt es heutzutage an. Generalisten sind immer weniger gefragt.
„Generalisten sind immer weniger gefragt.“
Wo sind Führungskräfte aus Ihrer Sicht gerade im Hinblick auf die Twin Transition besonders gefordert?
Bei all den unterschiedlichen Projekten, die wir begleiten oder begleitet haben, hat sich immer wieder eines besonders klar herauskristallisiert: Veränderungen müssen von der Unternehmensspitze angestoßen werden. Von dort aus geht der Wandel dann über die Leadership-Teams in die gesamte Organisation. Viele Beschäftigte sind begeistert und durchaus bereit, Veränderungen mitzugehen – wenn sie aber nicht genügend Unterstützung oder die entsprechenden Tools an die Hand bekommen, schlägt die Begeisterung schnell in Frustration um.
Führungskräfte sind außerdem besonders gefordert, wenn es darum geht, Brücken zwischen den verschiedenen Stakeholdern zu schlagen und Silos aufzubrechen. Es liegt auch an ihnen, eine gemeinsame Sprache zu finden und dieses neue Miteinander vorzuleben. Dazu zählt unter anderem auch, eine sogenannte „Psychological Safety“ zu schaffen – also einen sicheren Raum, in dem sich alle Teams trauen offen zu kommunizieren und auch einfach mal zu sagen: „Das habe ich nicht verstanden.“ Nur dann kann echte Kommunikation mit Aha-Momenten für beide Seiten entstehen – nicht nur für den Fragenden, sondern eben auch für die Führungskraft, die erkennt: Das sollte ich besser erklären können.
Natürlich spielt das Leadership auch bei der Zusammenstellung gut funktionierender Teams eine große Rolle sowie bei der Frage, wie kontinuierliches Lernen auf dem Weg zur Twin Transition aussehen muss.
Was heißt das für Führungskräfte?
Sie sollten sich und ihre Herangehensweisen regelmäßig hinterfragen und für sich klären, welchen Impact sie auf ihre Teams haben und ob sie den Purpose des Unternehmens und dessen Ziele gut vermitteln können. Vor allem das Thema Sinnhaftigkeit und Mehrwert wird in der aktuellen Zeit immer wichtiger. Das spiegelt sich auch im Recruiting wider – Impact und Purpose sind die Treiber im Wettbewerb um die besten Talente. Da reicht ein einfacher Slogan nicht aus, denn die Leute merken schnell, ob das Unternehmen die Werte wirklich lebt, die es nach außen trägt.
„Impact und Purpose sind die Treiber im Wettbewerb um die besten Talente.“
Über Eeva Raita:
In ihrer Rolle fungiert Eeva Raita als Katalysator für die Erneuerung von Futurice, indem sie die Zusammenarbeit fördert, den aktuellen Status quo in Frage stellt und Veränderungen initiiert. Gemeinsam mit ihrem Team entwickelt und leitet sie die Strategie und Erneuerung von Futurice in Zusammenarbeit mit globalen und lokalen Teams, um die strategische Ausrichtung, die Nutzung von Synergien sowie die erforderliche organisatorische Unterstützung für den Wandel sicherzustellen. Diese Rolle ist eine natürliche Fortsetzung ihrer vorherigen, in der sie sich darauf konzentrierte, Kunden von Futurice bei der Schaffung besserer Arbeitskulturen und wachstumsfördernder Innovationen zu unterstützen. Sie hat einen Doktortitel in Sozialpsychologie und kombiniert ihr Fachwissen in den Bereichen Mensch und Technik, um Unternehmen dabei zu helfen, das Lernen zu fördern und sich sowohl stärker auf die Menschen an sich als auch auf die effektive Nutzung von Daten zu konzentrieren.
Über Futurice:
Futurice ist ein ergebnisorientiertes Unternehmen für digitale Transformation. Es hilft Organisationen, die unsere Welt zum Besseren verändern wollen, messbare und nachhaltige Ergebnisse zu erzielen.
Futurice entdeckt und gestaltet das Neue. Das Unternehmen ist nutzerzentriert bei der Entwicklung, Skalierung und Nachhaltigkeit von Lösungen für die digitale Transformation. Es gestaltet gemeinsam eine Kultur, die Innovationen ermöglicht. Futurice arbeitet in verschiedenen Branchen – von Mobilität, Gesundheitswesen, Retail und Bauwesen bis hin zu Medien und Energie und vielem mehr, in enger Kollaboration mit den Kunden, um messbare Resultate zu erreichen.
2000 gegründet, besteht das Team aus über 800 diversen Expert:innen aus Design, Technologie und Strategie, die mehr als 60 verschiedene Nationalitäten repräsentieren. Futurice hat nordische Wurzeln, eine globale Denkweise und ist in Europa tätig.