StartBusiness"Eine gesunde Streit-Kultur bringt bessere Ergebnisse"

„Eine gesunde Streit-Kultur bringt bessere Ergebnisse“

Nahezu jedes Unternehmen steht vor der Herausforderung des digitalen Wandels und der aktuellen Krisen. Nina Pütz, CEO des Payment-Dienstleisters Ratepay, zeigt im Interview ihre wichtigsten Learnings in der Transformation und verrät, warum sie auf Senior-Level und neue Werte setzt.

 

Ratepay wurde vor 13 Jahren gegründet ist mit Ihnen als CEO seit zweieinhalb Jahren durch eine größere Transformation gegangen – warum war das nötig, und was hat sich geändert?

Seit ich CEO bei Ratepay bin, transformieren wir massiv – bildlich gesprochen: Jeder Stein hier wurde mindestens einmal umgedreht. Natürlich geht nicht alles auf einmal. Alle Abteilungen werden professionalisiert und seniorisiert, denn ein Scale-up benötigt einen anderen Fokus als ein Start-up. Im Finance-Bereich sind wir zum Beispiel von vier auf inzwischen knapp 40 Personen gewachsen. Seit Mitte letzten Jahres sind die IT und der Produkt-Bereich dran, wir bauen unter Anderem massiv technische Schulden ab. Der Wandel dauert länger als gedacht, denn ich will auf alle Mitarbeitenden eingehen und sie mitnehmen. Transformation funktioniert nur, wenn sie oben beginnt und dann durch die gesamte Organisation kaskadiert. Wir haben außerdem unsere Mission und unsere Werte überarbeitet – die vorherigen passten nicht mehr für eine Organisation, die erwachsen wird und hybrid arbeitet. Ownership und Growth Mindset stehen jetzt im Mittelpunkt.

Die Transformation lief ja auch in der Corona-Phase. Wie hat sich die Unternehmenskultur verändert?

Ratepay hatte vor Corona eine starke Präsenz-Kultur. In Corona ging es für alle ins Mobile Office, und die Produktivität stieg im ersten Jahr damit sogar massiv an und die Krankheitsquote fiel. Dann wurde jedoch das Thema mentale Gesundheit offenbar, gerade bei den jüngeren Kolleg:innen. Die Bereitschaft, zurück ins Büro zu kommen, ist heute deutlich geringer. Stattdessen wünschen sich die Mitarbeitenden viel Flexibilität.

Was macht die Kultur bei Ratepay aus Ihrer Sicht noch aus?

Uns ist wichtig den Mitarbeitenden immer wieder zu verdeutlichen, welchen Einfluss das eigene „Zahnrad“ für das Große Ganze hat. So kann ich dann Entscheidungen besser erklären, die dem Wohl des Unternehmens dienen sollen. Wir arbeiten dabei auf der Basis von „vulnerability based trust“ und haben eine gesunde Streitkultur etabliert – so entstehen bessere Ergebnisse. Wir haben außerdem massiv ins Hiring investiert und wichtige Positionen mit Seniors besetzt – ich stelle lieber weniger, und dafür erfahrene Leute ein und zahle mehr, als viele unerfahrene. Auch das ist anders als in einem Start-up.

Senior Levels und Generation Z – wie verträgt sich das?

Wir haben hier eigentlich jeden Tag irgendeine Krise und konstanten Wandel.  Dafür brauche ich resiliente Talente, die mit diesen Herausforderungen umgehen können. Viele Ältere haben diese große Resilienz, aber es gibt auch viele Jüngere, die ein lösungsorientiertes Mindset mitbringen. Die Mischung macht es. Je diverser, je bunter, desto besser – aber auch das ist eine neue Führungsaufgabe, denn die Generation Z hinterfragt deutlich mehr, als wir es früher gemacht haben. Es wird Führung auf Augenhöhe eingefordert und erwartet, dass eine Chefin auch klar Position zu gesellschaftlichen Themen oder Entscheidungen erklärt. Ich hole mir Kraft aus solchen „Challenges“, aber viele Führungskräfte müssen sich daran erst noch gewöhnen. Wir wollen ja ein Umfeld bieten, in dem alle möglichst erfolgreich arbeiten.

Sie ziehen in dieser Woche in ihr neues Office – warum der Umzug?

Erst einmal ist es uns wichtig, wieder einen Ort zu schaffen, wo alle gerne hinkommen möchten. Und wir wollen im neuen Gebäude ein Umfeld bieten, dass die Bedürfnisse abbildet – also wofür kommt man heute überhaupt noch ins Büro? Entweder, um konzentriert zu arbeiten, oder um etwas gemeinsam mit dem Team zu entwickeln. Deshalb ziehen wir nun quasi in ein „House of Collaboration“ – mit viel Platz, um Zeit mit Kolleg:innen zu verbringen, Gedanken schweifen zu lassen und Ideen zu erarbeiten. Das neue Büro sieht eher aus wie ein großes Wohnzimmer, hat aber auch viele kleine Rückzugsräume. Zwei Tage lang machen wir unser „Ratepay Homecoming“, damit alle den neuen Space und die Umgebung entdecken können. Im neuen Büro kann ich hoffentlich auch meine „Leadership-Superpower“ wieder besser ausspielen: Ich kann Menschen begeistern, wenn ich selbst begeistert bin. Das fällt mir aber im persönlichen Gespräch deutlich leichter als über Videocalls.

Wie wichtig sind heute die so genannten „weichen“ Faktoren im Business?

Als ich zum ersten Mal Führungsverantwortung hatte in den 2000ern, da waren Softskills oder empathisches Führen noch gar nicht gefragt. Das hat sich extrem gewandelt. Ich stelle immer nach Mindset ein. Ohne Hardskills geht es jedoch nach wie vor nicht, gerade in unserem Segment – der Payment-Bereich ist hochgradig reguliert und komplex, dafür brauchen wir das entsprechende Skillset. Mindset lässt sich jedoch auch ändern. Es geht darum zu schauen: Arbeiten alle in den richtigen Rollen, haben sie sozusagen den richtigen Platz im Bus? Wenn ich das gelöst habe, kann ich auch jede Strategie und jeden Plan umsetzen – aber erst dann. Im Rückblick wäre ich heute sicher weiter im Prozess, wenn wir für die Mitarbeitenden früher oder konsequenter den „richtigen Platz“ gefunden hätten. In der Remote-Phase hat dies aber länger gedauert als erwartet.

Wie hat sich Führung aus Ihrer Sicht in den vergangenen Jahren verändert?

Das Modell „Die Chefin weiß alles“ hat zum Glück ausgedient. Ich führe so, dass ich Spezialist:innen habe – die Leute sind dann in allem, was sie tun, viel besser als ich. Ich kann maximal dafür sorgen, dass sich die  Mitarbeitenden entfalten können und den nötigen Freiraum für ihre Aufgaben haben. Mir geht es darum, empathisch und authentisch zu führen. Wir haben OKRs (Objectives and Key Results, Anm.) festgelegt, von mir kommen dazu die Leitplanken und die grobe Richtung. Den Weg gehen die Teams dann autark, die Führungskräfte sollten da natürlich eine ähnliche Herangehensweise haben wie ich. Für Leader:innen wird ein Coaching-Mindset immer wichtiger und eine hohe Technologie-Affinität – wenn ich selbst nicht in der Lage bin, die modernen Kommunikationstools zu bedienen, dann kann ich auch nicht erfolgreich führen.

Nina Pütz ist die CEO von Ratepay. Mit mehr als 17 Jahren Erfahrung im E-Commerce war sie zuletzt Geschäftsführerin des Online-Shopping-Clubs brands4friends und 15 Jahre in verschiedenen Führungsrollen bei dem Online-Marktplatz eBay tätig. Neben Ratepay ist Nina ebenfalls Beiratsmitglied des Textilhandelsunternehmens L&T. Ratepay bietet Payment-Lösungen mit hundertprozentiger Zahlungsgarantie für die DACH-Region. Dazu zählen Buy now, pay later-Zahlungsarten wie der Kauf auf Rechnung, der Ratenkauf und die Zahlung per Lastschrift. Die Ratepay GmbH mit Sitz in Berlin wurde im Dezember 2009 gegründet, beschäftigt mehr als 250 Mitarbeiter:innen und ist Teil der Nexi Group.

 

Fotomaterial© Ratepay

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