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Empört Euch! – „Brennpunkt“ von Michaela Ernst

Ein Jahr Lockdown, ein Jahr der Dreifachlast. Dennoch ist die Zeit für Neuverhandlungen des Privaten selten so günstig wie jetzt.

Für die meisten Frauen lastet nach einem Jahr Lockdown ein Fluch auf dem Wort „Home“, denn es ist gleich dreifach belastet: mit Homeoffice, Homeschooling und dem ohnedies traditionellen Homework. Frauen mit höherem Bildungsgrad empfinden die Situation als ganz besonders schlimm, zeigen Studien – aber natürlich auch Alleinerzieherinnen und all die anderen. „Die Ungleichheiten, die es schon zu Normalzeiten gibt, könnten sich jetzt deutlich verschärfen“, sagt die Berliner Soziolgin Lena Hipp, Untersuchungen würden bereits darauf hinweisen.

Dabei sah es ja für viele anfänglich erst gar nicht mal so schlecht aus. „Der Horror und die Unbeliebtheit von Großraumbüros“, wie die Digitalisierungsexpertin Ingrid Brodnig es nennt, wichen vorerst der Gemütlichkeit der eigenen vier Wände. Doch schon nach kürzester Zeit machten sich Mängel breit: Zu wenig Raum, mangelnde Ergonomie, Abgeschnittensein von der Kollegenschaft, Angst vor dem Vergessenwerden. Und dann eben noch die Rund-um-die-Uhr-Partnerschaft, bei der es – mehr als sonst – darum ging (und geht), Grenzen abzustecken, sich Freiräume zu erkämpfen, Arbeitsteilung einzufordern. Denn was selbst Politiker dieser Tage gern verdrängen, sind die Lebenstatsachen der meisten Bürger. Im Schnitt teilen sich Familien 70 (urbaner Raum) beziehungsweise 100 (Land) Quadratmeter Wohnfläche. Sie besitzen im Regelfall einen Computer beziehungsweise Laptop pro Haushalt, auf dem Homeoffice der Frau, des Mannes sowie das Homeschooling der Kinder erledigt werden sollen. Um dieser Beengtheit zu entkommen, braucht es beklemmend viel Organisation, eine respektvolle Handhabung des Prinzips des Teilens und eine Abflachung beziehungsinterner Hierarchien, die traditionellerweise von dem angeführt werden, der das große Geld nach Hause bringt. Also vom Mann.

Keine leichte Zeit für die Frauen. Andererseits war sie selten so günstig wie jetzt, wenn es um eine Neuverhandlung des Privaten geht. Kein Mann kann mehr die Augen davor verschließen, was es bedeutet, Haushalt und Kinder neben einem (Fulltime-)Job zu schupfen. Keiner kann mehr die Arbeitsthemen der Partnerin als Fisimatenten herunterspielen, wenn er nun tagtäglich ihre Aufgabenstellungen, Kommunikationsanforderungen oder den Leistungsdruck mitbekommt. Jetzt ist der Augenblick, um Männer dauerhaft in die Familienarbeit einzubinden, selbst wenn dies vorübergehend mühsam und konfliktbeladen ist. Denn weibliche Mehrarbeit ist nicht gottgewollt. Daher gilt, was der ehemalige Widerstandskämpfer Stéphane Hessel, zu einem Buchtitel gemacht hat: „Empört Euch!

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