Sabine Binder-Krieglstein, Director Human Resources bei Schönherr, über das Halten von Mitarbeiter:innen, flexible Arbeitsmodelle und den Appell, sich als Frau nicht selbst die Karriere zu verwehren.
Sie haben im Frühjahr 2022 Ihren Job als Human Resources Director bei Schönherr angetreten. Was war Ihr Ansporn und Ihre Vision?
Die internationale Struktur und die Bekanntheit für eine außerordentlich hohe Qualität in der Rechtsberatung haben mich besonders angezogen. Für mich ist es eine tolle Aufgabe, diese hohen Standards auch intern umzusetzen und den Arbeitgeber so am Markt zu positionieren.
Was sind in Ihrem Arbeitsablauf die größten fachlichen Herausforderungen?
Im operativen Ablauf habe ich ein wirklich tolles Team. Die Herausforderungen sind die, vor denen der gesamte Arbeitsmarkt aktuell steht. Allgemein ist es derzeit ein sehr arbeitnehmer:innengetriebener Markt – Recruiting, Employer Branding, Talent Management, Diversität und Mitarbeiter:innenbindung sind wichtige Themen. Wir bewegen uns auf einem zusätzlich sehr engen Markt. Es gibt nur ein kleines Segment an Absolvent:innen, die sich für unsere Schiene interessieren, weil die Möglichkeiten nach einem juristischen Abschluss sehr breit gefächert sind. Ziel ist es, jene, die sich als Wirtschaftsanwält:in der Zukunft sehen, auch anzuziehen.
Wie positioniert sich Schönherr als attraktiver Arbeitgeber für junge, speziell weibliche, Anwält:innen?
Bei Anwärter:innen oder Praktikant:innen sehen wir noch eine ausgeglichene Aufteilung. Dass sich das später ändert, hängt stark mit dem Zeitpunkt der Eintragung zur Anwält:in zusammen – diese fällt zeitlich mit der typischen Phase der Familiengründung zusammen. Wir müssen mit entsprechenden Angeboten Anwält:innen halten. Das funktioniert nicht mit starren Arbeitszeit-Modellen, sondern durch individuelle Konzepte. Es darf nicht an der Flexibilität scheitern. Das gilt besonders bei Frauen, denn das Thema Familie liegt leider noch immer stark bei ihnen. Es wäre von uns extrem ungeschickt, top ausgebildete und extrem erfahrene Spezialist:innen ziehen zu lassen, weil wir uns nicht auf eine veränderte Lebenssituation einlassen wollen.
Das Problem besteht also nicht in der Gewinnung, sondern im langfristigen Halten der Mitarbeiter:innen. Wie sehen Ihre konkreten Maßnahmen aus, um Female Talents zu behalten?
Veränderung betrifft nicht nur weibliche, sondern auch männliche Mitarbeiter:innen. Eine Karriere darf nicht daran scheitern, dass jemand mehr Zeit mit der Familie verbringen möchte. Wir leben auch keine reine Anwesenheitskultur, bei uns können Mitarbeiter:innen sehr gut remote arbeiten. Wir setzen auch keine Termine an, die für Mitarbeiter:innen mit Kleinkindern unmöglich einzuhalten sind. Es ist uns aber wichtig, Frauen nicht in eine Sonderposition zu drängen, es gelten die gleichen Regeln für alle.
Verlangen junge Kolleg:innen mehr Flexibilität, als das noch vor einigen Jahren der Fall war?
Ja, aber das betrifft nicht nur unsere Branche. Das ist der Zeitgeist. Aufgrund der technischen Möglichkeiten ist es viel einfacher geworden, flexibel zu sein. Operativ ist es weitgehend egal, von wo aus gearbeitet wird. Operativ sage ich bewusst, da wir dennoch großen Wert darauf legen, dass nicht nur noch von Zuhause gearbeitet wird, damit wir den persönlichen Austausch nicht verlieren.
Ist Ihre Branche für den Trend in Richtung Teilzeit, Homeoffice und 4-Tage-Woche gewappnet?
Technisch sind wir dafür gewappnet. Im täglichen Geschäft bedarf es noch einiger Anpassungen, da wir diese Themen nicht allein entscheiden können. Wir arbeiten mit Unternehmen und Mandant:innen, die nicht nur vier Tage Beratung benötigen. In diesem Fall müssten wir die Betreuung individuell lösen und Teams anders zusammenstellen. Wir werden unsere Beratungstätigkeit nicht auf vier Tage reduzieren, aber wir sind für alternative Modelle offen. Wir sehen aber, dass Bewerber:innen nicht immer weniger arbeiten, sondern mehr Selbstbestimmtheit und Flexibilität wollen.
Warum sind aus Ihrer Sicht in der Anwaltsbranche weniger Frauen vertreten und warum ist es Schönherr ein Anliegen, für mehr Diversität zu sorgen?
Diversität unter den Mitarbeiter:innen heißt für uns Vielfalt in den Bereichen Weltanschauung, Kompetenzen und Erfahrungen. Unsere Branche war früher ein männergetriebener Beruf, in dem man es als Frau sehr schwer hatte, voranzukommen. Dieser Ruf ist teilweise haften geblieben und der Grund, dass es viele Frauen es gar nicht probieren. Das ist genau der Punkt, an dem wir ansetzen. Wir wollen Frauen aktiv einladen, eine Karriere bei uns zu starten.
Gibt es weitere Initiativen für mehr Diversität, die Schönherr derzeit setzt?
Das fängt bereits bei unseren Panels an – wir besetzen sie immer ausgeglichen und nicht mit einer einzigen „Quotenfrau“. Eine weitere Initiative ist unsere Eventreihe „Marianne“. Der Name leitet sich von der Frau ab, die als erste Anwältin in Österreich eingetragen wurde. Hier laden wir Frauen auf das Podium ein, die einen spannenden Karriereweg hinter und vor sich haben. In dem Netzwerk herrschen ein wertschätzender Austausch sowie eine unterstützend-kollegiale Atmosphäre.
Woher kam der Impuls, diese Event-Reihe zu starten?
Der Impuls kam ursprünglich aus dem ESG-Gedanken. Wir bemühen uns um Nachhaltigkeit, Umweltschutz und auch soziale Aspekte. Etwas Eigenes zu kreieren, entstand aus unserem Pioniergeist. Marianne Beth haben wir als Namensgeberin herangezogen, da sie die es nicht gescheut hat, unkonventionelle Wege zu gehen. Seither sind viele Frauen in ihre Fußstapfen getreten. Wir sollten diesen Pioniergeist nicht vergessen und anderen Mut machen. Frauen haben oft die Befürchtung, dass ein bestimmter Karriereweg nicht zu einem zukünftigen Leben passt, das sie noch gar nicht haben. Sie treffen schon früh eine Entscheidung im Hinblick darauf, was sein könnte. Da ist meine Einladung, es einfach auszuprobieren und später zu schauen, wie man beides in Einklang bringt.
Welche Rolle spielt ESG bei Schönherr intern und extern?
ESG spielt intern und extern eine große Rolle. Extern, da wir unterschiedliche Unternehmen aus dem Energiesektor, Umweltbereich, Green Finance sowie Start-ups im Zusammenhang mit ESG beraten. Intern sind es tägliche Maßnahmen wie Mülltrennung, Energiesparen und nachhaltige Verpflegung. Wir unterstützen aber auch große Projekte, die uns unterstützenswert erscheinen.
Können Sie Zahlen nennen, wie sich Schönherr im Bereich Diversität in den vergangenen 20 Jahren entwickelt hat?
Schönherr setzt sich kontinuierlich für den Ausbau des Frauenanteils innerhalb der Kanzlei ein. Besonders stechen in diesem Bereich die neu ernannten Partnerinnen der vergangenen Jahre hervor. Von 2018 bis 2022 ist der Frauenanteil innerhalb der Partnerschaft in Österreich um 4 Prozent gestiegen. Innerhalb der Equity Partnerschaft (über alle Standorte hinweg) sind aktuell 6 von 38 EPs weiblich – Tendenz in den letzten Jahren steigend. Zudem konnte der Anteil an Frauen im selben Zeitraum hinsichtlich Rechtsanwältinnen und Counsels um 6,2 Prozent auf insgesamt 53 Prozent gesteigert werden. Insgesamt weisen die österreichischen Büros (Linz und Wien) einen 54-prozentigen Frauenanteil vor. Schönherr-weit sind es 60 Prozent.
Wie stellen Sie im Recruiting sicher, dass divers eingestellt wird?
Bei uns geht es um die Qualifikation und Erfahrung der Person. Wir suchen Menschen aus sehr spezifischen Rechtsgebieten. Wir wählen, egal ob Mann oder Frau, die am besten geeignete Person aus. Am Ende ergibt sich meist eine Ausgeglichenheit durch die Präferenzen der Personen in den unterschiedlichen Fachgebieten. In manchen Bereichen sind fast nur Männer zu finden, im Arbeitsrecht beispielsweise sind Frauen eindeutig in der Überzahl. Von unserer Seite wären das Interesse und Angebot da, mehr Diversität in die einzelnen Bereiche zu bringen.