Wie wäre es, wenn ich in Ihr Haus einbrechen und ein paar Kunstgegenstände mitnehmen würde? Wäre das erlaubt? Weil ich doch als Kunstberaterin und Expertin den Wert besonders gut einschätzen kann – und Sie vielleicht nicht? Weil Sie die Exponate eventuell gar nicht so richtig zur Geltung bringen in Ihrem Umfeld. Weil ich also besser für die Kunst sorgen würde wie Sie. Für eine gute Versicherung, die richtige Restaurierung und Aufbewahrung. Ja, ich könnte Ihre Kunst sogar schön präsentieren und ausstellen, anderen Menschen zugänglich machen. Vielleicht mach ich aber auch gar nichts damit und lasse die Dinge einfach ungepflegt in meinem Archiv, könnte doch sein, dass ich sie mal brauche.
Wie finden Sie das?
Wahrscheinlich sind sie nicht so unbedingt von der Richtigkeit meiner Argumentation überzeugt. Dann geht es Ihnen so ähnlich wie mir, wenn ich die Ethnologischen Sammlungen der Welt betrachte. Gerade aktuell war ich nun zum zweiten Mal im neu eröffneten Humboldt Forum in Berlin. Nur ein Bruchteil der im Archiv gesammelten Kunstwerke aus aller Welt, vorwiegend aus früher besetzten oder kolonialisierten asiatischen und afrikanischen Ländern ist dort ausgestellt. Trotzdem unglaublich umfangreich. Vitrinen über Vitrinen.
Durch die kontroverse Diskussion speziell auch zur Eröffnung des Humboldt Forums im Berliner Schloss, die Ankündigung Emmanuel Macrons für Frankreich eine Untersuchung einzuleiten und die Kunst konsequent zurück geben zu wollen, ist einiges in Bewegung geraten. Die Werke werden nicht mehr einfach so ausgestellt. Völkerkundemuseen, die mit dieser Bezeichnung suggerierten, dass es sich dabei ja nicht um Kunstwerke handelt, heissen heute Ethnologische Museen. Und im Humboldt Forum wird der Diebstahl nun auch als solcher benannt und mit Bildern und Video-Statements von Menschen aus den betroffenen Ländern ergänzt.
Aber würde Sie das befriedigen, wenn ich nach meinem oben genannten Diebstahl ein Video mit Ihnen drehen würde, um Ihre Meinung zu dokumentieren? Nur zurückgeben würde ich Ihre Kunstwerke natürlich nicht! Auch wenn Sie über die Jahrzehnte und Jahrhunderte hinweg immer neue Forscher*innen und Anwält*innen beauftragen, die das Unrecht bestätigen und Lösungen aufzeigen.
Es kommt eigentlich nie vor, dass ich aus einem Museum komme und zutiefst traurig bin. Doch diese Ethnologischen Ausstellungsräume im Humboldt Museum deprimieren. So überwältigend schön die Exponate sind. Sie gehören nicht hierher. Sie gehören uns nicht.
Mit bewegten Grüßen
Ihre Eva Mueller