Die Anwältin Anke Voswinkel ist Expertin im Arbeitsrecht in München. Beruflich schult sie Unternehmen im Arbeitsrecht, in ihrer Freizeit engagiert sie sich in dafür, junge Unternehmerinnen zu stärken.
Als Vorstandsmitglied im Landesverband des Verbands deutscher Unternehmerinnen e.V. setzt sich Anke Voswinkel dafür ein, jungen Unternehmerinnen eine Plattform für den Austausch zu geben. Sie weiß, wie wichtig ein starkes Netzwerk und weibliche Vorbilder für junge Frauen sind. Denn auch sie hat sich zu Beginn ihrer Karriere von erfahrenen Juristinnen inspirieren lassen, wie sie im Gespräch mit SHEconomy erzählt.
Warum sind Sie Anwältin geworden?
Ich beschloss in der 11. Klasse, Juristin zu werden. Ich wollte das machtvolle Instrument Recht kennenlernen und ihm nicht einfach ausgeliefert sein. Nach dem Abitur studierte ich daher Jura in Freiburg im Breisgau, ursprünglich mit dem Ziel Richterin zu werden. Im Referendariat merkte ich dann aber, dass die Tätigkeit als Anwältin vielfältiger ist und mehr Möglichkeiten bietet, mit Menschen zu arbeiten, zu beraten und zu gestalten. Wie beim Richteramt sind gute Rechtskenntnis und Ausdrucksfähigkeit wichtig. Es kommt jedoch noch das Gespräch mit den Mandant*innen hinzu: Die Vermittlung der rechtlichen Anforderungen an Bürger*innen und umgekehrt die Vermittlung der Lebenswirklichkeit der Bürger*innen an das Gericht.
Wie haben sie sich als Anwältin durchgesetzt?
Ich hatte das Glück, in meiner ersten Stelle für einen sehr erfahrenen älteren Anwalt in einer kleinen Kanzlei zu arbeiten. Der Kanzleiinhaber stand kurz vor der Rente und musste niemandem mehr etwas beweisen. Anders als in Großkanzleien hat er mich daher in alle Aspekte der Anwaltstätigkeit hineinblicken lassen und mich von Anfang an mit großer Selbständigkeit und in engem Kontakt mit Mandant*innen arbeiten lassen. Das hat mir den Mut gegeben, mich schon nach vier Jahren Anwaltstätigkeit selbständig zu machen.
Ein mutiger Schritt nach nur vier Jahren Berufserfahrung. Wie haben Sie diesen Mut aufgebracht?
Es war ein Sprung ins kalte Wasser. Den Mut habe ich dadurch entwickelt, dass der Käufer der Kanzlei meines Chefs sehr hierarchisch gedacht hat. Gleich am Anfang hat er versucht, meine Bezüge zu kürzen und meine Selbständigkeit einzuschränken. Ich habe daher die Chance ergriffen, zusammen mit einer Kanzleikollegin eine eigene Kanzlei aufzubauen.
Wieso haben sie sich für ihr Spezialgebiet entschieden? Woher kam ihr Interesse?
Im Studium habe ich mich zunächst mit Familienrecht befasst. Bald fand ich die Vorstellung, im Berufsleben dauerhaft zerrüttete Familien zu betreuen, aber ziemlich zermürbend. In der Examensvorbereitung entdeckte ich das Arbeitsrecht für mich und war sofort begeistert: Die Arbeitssituation ist essentiell für Menschen. Für schwierige Arbeitssituationen gute Lösungen zu finden, ist wichtig für alle Beteiligten. Ich hatte damals schon einige Jahre Erfahrung in der Betreuung eines „Armenviertels“ in Argentinien hinter mir und hatte beobachtet, dass ohne eine Arbeitsstelle und ein regelmäßiges Einkommen menschliche und familiäre Entwicklung sehr schwierig ist. Sobald Menschen eine ertragreiche und befriedigende Arbeit haben, können sich Selbständigkeit und Selbstwertgefühl gut entfalten. Ich spürte daher schnell, dass das Arbeitsrecht ein Gebiet ist, das mich mein ganzes Berufsleben lang interessieren und erfüllen könnte.
Wie sieht ihre Beurteilung als Arbeitsrechtsexpertin aus: Sind Frauen im Arbeitsrecht ausreichend abgesichert?
Die rechtliche Absicherung von Frauen ist sehr weitgehend. Ich sehe die Probleme für Frauen eher in den praktischen Gegebenheiten: Sie wählen in ihrem Wunsch, eng mit anderen Menschen zusammenzuarbeiten, oft schlechter bezahlte Berufe. Und sie gehen aus dem Bedürfnis heraus, sich um ihre Familie zu kümmern, oft in Teilzeit oder entscheiden sich gegen eine fordernde Karriere. Eine gute Kinderbetreuung und letztlich auch die Reduzierung der Arbeitslast in herausfordernden Berufen für Männer, so dass sowohl Männer als auch Frauen mehr Freiraum für die Familienarbeit haben, sind meines Erachtens entscheidend, um die finanzielle Schlechterstellung von Frauen und auch die geringe Quote von Frauen in Führungspositionen zu überwinden.
Haben Sie in der Vergangenheit Situationen erlebt, in denen sie sich Mandant*innen nicht von einer Frau vertreten lassen wollten?
Nein, erlebt habe ich das nie. Ich vermute allerdings, dass sich solche Personen eben gar nicht erst an eine Anwältin wie mich wenden.
Haben sie ein Vorbild bzw. hatten sie eins zu Beginn ihrer Karriere?
Ich hatte einige. Als Studentin waren mir die Mitglieder des Deutschen Juristinnenbundes ein Vorbild. Ich war sehr beeindruckt von der Vielfalt der Lebensläufe und den Umwegen in ihren Leben, trotz derer sie es geschafft haben, als Juristinnen viel zu bewegen. Viele haben gleichzeitig auch eine Familie großgezogen. Fachlich war mein erster Chef mit seiner Fähigkeit, das Arbeitsrecht verständlich zu erläutern, und mit seiner Mentoren-Haltung ein Vorbild am Beginn meiner Karriere. Große Vorbilder sind für mich auch meine Mediations-Ausbilder Dres. Gisela und Hans-Georg Mähler. Es gelingt den beiden immer wieder, völlig zerstrittene Menschen in ihrer Selbstverantwortung zu stärken und mit ihnen kreative, nachhaltige Lösungen für Streitfragen zu erarbeiten.
Heute sind all jene Frauen Vorbilder für mich, die Mädchen, junge Frauen und Unternehmerinnen ermutigen, sich des trotz eines Kinderwunschs an anspruchsvolle berufliche Aufgaben zu wagen, insbesondere in MINT-Fächern. Und außerdem jene Menschen, die sich offen und bewusst den Herausforderungen des Älter- und Schwächerwerdens stellen und ihre Lebensumstände dem anpassen. Dazu gehören insbesondere meine Großmutter, meine Mutter und meine beiden genannten Mediationsausbilder.
Was hätten Sie aus heutiger Sicht gerne zu Beginn ihrer Karriere gewusst?
Ich hätte gerne mehr über neurobiologische und psychologische Zusammenhänge gewusst: wie lernen Menschen, wie bewältigen sie Konflikte, wie können Veränderungsprozesse gefördert werden und was bedeutet das für Führung und Zusammenarbeit im Arbeitsleben. Ich hätte auch gerne mehr über unternehmerisches Handeln und die wirtschaftlichen Anforderungen der Selbständigkeit gewusst.
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