Eine Studie zeigt, dass besonders Frauen von einer Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro profitieren würden. SPD und Grüne wollen den Mindestlohn anheben, CDU und FPD nicht. Wie realistisch ist es, dass die 12 Euro pro Stunde kommen?
Sinkende Beschäftigung, steigende Preise, unbezahlbare Arbeit bei gleichzeitigem Arbeitskräftemangel – all diese Befürchtungen sind in Deutschland durch die Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015 nicht eingetroffen. Und das sollen sie laut den Forschern auch nicht bei einer Erhöhung von derzeit 9,60 Euro auf 12 Euro pro Stunde. Laut einer neuen Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) würden rund acht Millionen Menschen in Deutschland von einer Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro direkt profitieren. Zwei weitere Millionen würden mittelbar eine Verbesserung spüren.
Insbesondere für Frauen könnte das eine überproportionale Verbesserung ihrer Lohnsituation bedeuten. Sie sind häufiger in Teilzeit-Arbeitsverhältnissen tätig oder haben einen befristeten Arbeitsvertrag. Die Forscher haben errechnet, dass Minijobs zwar verstärkt wegfallen, es jedoch einen Anstieg an Teilzeit- und Vollzeit-Beschäftigungen geben werde, komme nun die Erhöhung des Mindestlohns. Darüber hinaus würden durch die Anhebung des Mindestlohns nicht nur Beschäftigte traditioneller Niedriglohnsektoren wie dem Gastgewerbe oder dem Einzelhandel besser bezahlt werden. Auch Beschäftigte in Arztpraxen, Anwaltskanzleien und Friseurshops hätten am Ende deutlich mehr Geld in der Tasche.
Als sich die CDU noch uneinig darüber war, wer als Nachfolger Angela Merkels als Spitzenkandidat zur Bundestagswahl kandidieren werde, machte die SPD die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro bereits zum Wahlkampfthema. Der damalige Finanzminister und SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz beteuerte Anfang März, die Anhebung würde seine erste Umsetzung als Kanzler sein. Mittlerweile hat die SPD diese Forderung zur Koalitionsbedingung gemacht. Und die könnte sie durchaus stellen, wie ein Blick auf die Zahlen verrät: Die SPD liegt laut Wahlumfragen mit derzeit 25 Prozent vor der CDU (23%) und den Grünen (16,5%). Am Sonntag, dem 26. September, wird gewählt.
Was bedeutet das für den Mindestlohn? Die Grünen verlangen laut Wahlprogramm ebenfalls eine Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro, die Linke will gar 13 Euro. Zurückhaltung gibt es auf Seiten der CDU und FPD. Die beiden Parteien zeigen sich ähnlich skeptisch wie vor der Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015. Dabei prognostiziert das WSI eine weitere – für die Union und FPD wohl interessante – Folge: es würde bei einer Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro mehr Geld ausgegeben und die Wirtschaft angekurbelt werden. Langfristig würde das die deutsche Wirtschaftsleistung um circa 50 Milliarden Euro pro Jahr steigern.
Für viele Vollzeit-Beschäftigte in Niedriglohnsektoren bedeutet die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro jedenfalls immer noch nicht die Sicherheit vor Altersarmut. Die Hans-Böckler-Stiftung hat berechnet, dass Personen, die über 40 Jahre lang 38,5 Stunden pro Woche arbeiten, einen Mindestlohn von 13,45 Euro benötigen, um später Rentenansprüche oberhalb der Grundsicherung zu erwerben.