Gerne werden Frauen*, die Karriere machen möchten, mit einer Art »Bringschuld« konfrontiert. Hart arbeiten muss sie, nicht zu weich sein soll sie und wehe ein Bild der Familie steht auf dem Schreibtisch. Doch damit nicht genug. Auf dem Weg nach oben warten einige »gläserne Decken« auf sie, oder sagen wir treffenderweise lieber Betonwände dazu. Als effektives Werkzeug, um sich durch diese Mauern zu kämpfen erwies sich die Frauenquote. Doch was tun, wenn niemand eine Quotenfrau* sein will?
Um den eigenen Diskussionsbaukasten in der Debatte um das Thema Quotenfrau*-Dasein etwas aufzurüsten, hat das Karrierefrauennetzwerk »nushu« gemeinsam mit Eva Lindner, Journalistin und Vorstandsmitglied von Pro Quote Medien, zum Gespräch eingeladen. Na dann, setzen wir mal alles zurück auf Anfang. Vorsicht allerdings an dieser Stelle: Es wird provokativ.
Geburtsstunde Quote
Bevor sich in der Sekunde die eigenen (Vor-)urteile dazwischen drängen, sollte erstmal der grundlegenden Begriffsdefinition auf den Zahn gefühlt werden. Was ist denn überhaupt die Frauenquote? Sie bezeichnet eine geschlechterbezogene Quotenregelung bei der Besetzung von Gremien oder Stellen. Der angestrebte Zweck ist die Gleichstellung von Frauen* und Männern* in Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Kultur. Obwohl in Österreich seit dem Staatsgrundgesetz von 1867 der Gleichheitssatz als Verfassungsgebot gilt, wurde 1979 erst die Erweiterung des Gesetzes auf Entgelt und Arbeitswelt (Privatwirtschaft) beschlossen. Die Frauenquote kam in Österreich überhaupt erst mit 2018 zu einer Übereinkunft.
Erzielte Entwicklungen durch die Frauenquote
Ab 2018 verpflichteten sich Aufsichtsräte von börsennotierten und großen Unternehmen zu einem Mindestanteil von 30 % Frauen*. Der Aufholbedarf war groß, wie die Zahlen zeigen: Im Jahr 2017 lag der Anteil von Frauen in Aufsichtsräten lediglich bei 16 %, in den Vorständen waren es überhaupt nur vier Prozent. Im Jänner 2020 zeigt die Quote bereits Wirkung: Dank der gesetzlichen Verpflichtung hat sich der Frauenanteil in Aufsichtsratsgremien erhöht, während die Unternehmensführung (Vorstand, Geschäftsführung) ein weiteres Mal »reine Männersache« bleibt.
Stimmen der Rebellion
Einmal mehr ist der Gestaltungswille der Politik gefragt, um die notwendigen, nächsten Schritte zu setzen: Dazu gehört die Anhebung der Aufsichtsratsquote auf 40 % sowie die Ausdehnung des Geltungsbereichs auf ALLE großen und börsennotierten Unternehmen. Wenn 30% allerdings schon für rebellierende Aufrufe gesorgt haben, lässt sich erahnen wie Folgende klingen könnten: Wie kann eine Frauenquote gegen Diskriminierung sein, wenn sie genau das doch mit Männern tut? Aber aufgepasst, bei der Frauenquote geht es nicht um Männer und schon gar nicht um deren Diskriminierung. Expertin Lindner erklärt das so: »Momentan haben wir sowas wie eine Männerquote. Überdurchschnittlich viele durchschnittliche Männer schaffen es an die Spitze, da kann von leistungsgerechter Beurteilung und Auswahl wohl kaum die Rede sein. Viele von ihnen sind einfach gut vernetzt. Deshalb diskriminiert eine Frauenquote Männer* auch nicht, sondern sorgt für mehr Chancengleichheit.«
Ein weiterer Unsinn, mit dem gerne versucht wird, Frauen* in eine Diskussion zur Quote zu verwickeln, lautet wie folgt: Es gelten doch schon gleiche Bedingungen für Frauen* und Männer* in Unternehmen, vielleicht stellen sich Frauen* einfach nicht gut genug an? Damit wird zwar versucht die grundlegende Daseinsberechtigung von Feminismus anzuzweifeln, aber sehen wir uns das Argument doch mal genauer an. Auch gesetzlich hält diese Argumentation nämlich nicht stand. Lindner macht darauf aufmerksam, dass zwar eine gesetzlich verankerte Gleichberechtigung besteht, allerdings keine, die zu wirklicher Gleichstellung führt. Frauen* verdienen immer noch wesentlich weniger, schaffen es seltener in Führungspositionen und »müssen« sexistische Rollenverteilungen im Alltag hinnehmen. Solange offene Gleichstellung nicht gelebt wird, kann wohl kaum die Rede davon sein, »sich nicht gut genug anzustellen«.
Auch Stimmen aus der Wirtschaft werfen gerne mal mit Rechtfertigungen um sich, warum eine Frauenquote von nur 30% nicht erfüllt werden kann: Es ließ sich einfach keine qualifizierte Frau* finden. Dem widerspricht die Journalistin. »Pro Quote Medien« gibt beispielsweise halbjährlich eine Studie in Auftrag, um Entwicklungen in Print, Online und auch Rundfunk in Deutschland hervorzuheben. So stellte sich heraus, dass beispielsweise das Magazin »Stern« den geforderten Veränderungen schon in wenigen Jahren nachkommen konnte. Nach kurzer Zeit schafften sie es über einen Frauenmachtanteil von 50% hinauszuwachsen. Das zeigt klar, dass es sich bei der Aussage also um eine Rechtfertigung und nicht um ein Argument handelt. »In Wirklichkeit stehen die Unternehmen in der Bringschuld, nicht die Frauen*«, so Lindner. Der Machtanteil der Frauen* in Deutschlands Medienwelt hat sich von 2012 bis 2020 verdoppelt. Von anfänglichen 13% ist der Anteil in Führungspositionen auf knappe 28% gestiegen und dazu hat die selbst-auferlegte Quote diverser Unternehmen wesentlich beigetragen.
Abschließend noch eine dritte und letzte stereotypische Konfrontation: Wer will denn schon eine Quotenfrau sein? Eva Lindner bestätigt, dass der Begriff sehr negativ konnotiert ist. Gleichzeitig wirft sie aber auch die Frage in den Raum, wie es denn sein kann, dass dies verdächtig häufig bei Bezeichnungen für Frauen* der Fall sei. »Es braucht schon ein Reframing des Begriffs«, so die Journalistin. Frauen* unterstellen zu wollen, weder Talent noch Qualifikation zu besitzen, sondern nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort mit dem richtigen Geschlecht gesessen zu sein, ist außerdem kein Argument, sondern ein Angriff. »Frauen* sollten stolz darauf sein, eine Quotenfrau zu sein – sie haben es sich schließlich erkämpft!«, so das Vorstandsmitglied.
Generation Feminismus
Positiv schaut Eva Lindner auf künftige Generationen: »Umso jünger, desto feministischer sind sie!«. Immer wieder betont sie, dass die Quote Männer* auf keinen Fall ausschließen will. Im Gegenteil, sie soll inklusiver sein und dafür braucht es gesamtgesellschaftliche und intersektionale Zusammenarbeit. Außer dem Patriachat will doch eh niemand bis 2108 auf Gleichstellung warten!
Credits: Hendrik Steffens