„Social Media ist meine Therapie“

Ihren Stumpf nennt sie liebevoll „Ärmchen“. Wenn das Stück, das von ihrem linken Arm noch übrig ist, besonders schmerzt oder sich mit einer Reizung meldet, zieht Model und Influencerin Gina Rühl eine kurze Socke zum Schutz darüber. Erst dann kann sie ihre fast drei Kilo schwere Arm-Prothese anlegen. Mit dieser Situation hadert sie nicht, im Gegenteil. „Vieles in meinem Leben wäre nie passiert, hätte es diesen Motorrad-Unfall nicht gegeben“, sagt die Wuppertalerin mit einem Lächeln, das authentisch strahlt. 2019 rutschen Gina Rühl und ihr Freund in einer Kurve mit der Maschine weg. Die junge Frau crasht gegen einen Baum und liegt danach mit schwersten Verletzungen mehrere Monate im Krankenhaus. Als ihre Eltern weinend im Zimmer standen, wusste sie, dass die Amputation des linken Arms sein musste. „Ich bin dankbar, dass ich überhaupt noch lebe“, wiederholt sie immer wieder.

Mit dieser positiven Haltung zeigt sie auf Tiktok und Instagram nun User*innen, wie sich einhändig Knoten binden, Brote schmieren oder Haare machen lassen. Die zahlreichen positiven Reaktionen haben sie selbst überrascht. „Social Media ist meine Therapie, meine Heilung“, sagt sie. Gina Rühl berichtet von berührenden Nachrichten. Denn in ihrer Community gibt sie nun auch denen ein Vorbild, die teilweise schon keinen Mut mehr hatten. Vor allem Mütter wenden sich an sie und berichten von kleinen „einarmigen Prinzessinnen“, die sich mit ihrem Handicap wieder in den Kindergarten trauen oder kleinen Patienten, die nach ausgiebiger Begutachtung ihrer Accounts endlich ihre Prothese annehmen. Auch viele einseitig gelähmte Schlaganfall-Patient*innen und deren An- gehörige aus aller Welt bedanken sich für die Tipps auf ihren Kanälen.

Dabei ist auch für Gina Rühl nicht jeder Tag leicht oder schmerzfrei. Das Gewicht der myoelektrischen Prothese zieht einseitig an ihrer Schulter und ihrem Rücken. Die Steuerung ist eine Kunst für sich. Da der Oberarm nicht zur Verfügung steht, übernimmt die Brustmuskulatur das Aussenden der Signale, die Bewegungen wie das Greifen von Gegenständen ermöglichen. Ein Gurt ist nötig, um alles richtig zu fixieren. Die Bewegungen, die das Model mit dieser Prothese ausführen kann, sind eher grobmotorisch, sie muss immer weiter trainieren. Das technische Hilfsmittel erfüllt trotzdem eine unerlässliche Rolle für Gina Rühl. „Die künstliche Hand signalisiert dem Kopf, dass der Arm noch da ist, das ist wichtig für die Psyche.“

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