In der Mediathek des Kultursenders „ARTE“ kann man derzeit ein ausführliches, aus ungewöhnlichen Perspektiven erfasstes Porträt der verstorbenen Schauspielerin Hannelore Elsner streamen. Ich bin ein Fan. Von ihrer Art, ihrem Stil, ihrem Können und der zerbrechlichen Stärke, die sie für mich ausstrahlt. Ich schreibe „ich bin“, weil dieser Eindruck durch ihre Filme unsterblich ist. Wer Hannelore Elsner als Frau war, das kann ich nur erahnen, wobei meine Mutmaßungen doch nur Anmaßung sind.
In der Sendung kamen hingegen Personen, die ihr nahe standen, in einer Runde zusammen. Allesamt Stars des deutschen Films. Iris Berben, Dany Levy, Henry Hübchen und Adriana Altares. Letztere, vielfach in Autorenfilmen gefeierte Schauspielerin, sagte: „Ich weiß nicht, ob Hannelore Feministin war, so im Schwarzer-Sinne, aber allein dass sie in dieser Branche so lange bestanden hat…“ und „Es ist meiner Meinung nach kein Zufall, dass Iris und Hannelore nicht bei Fassbinder gespielt haben. Sie wurden bereits in anderen Kreisen anders wahrgenommen.“ Iris Berben brachte es dann für mich auf den Punkt: „Es ging so viel Energie darauf, zu beweisen, dass man auch drei zusammenhängende Sätze sprechen konnte.“
Als Frau. Als Frau, die durch ihr Äußeres in eine Schublade gesteckt wird. Und das häufig auch von Frauen. Eine Falle, die selbstverständlich auch bei Männern zuschnappt. Man denke an den legendären Auspruch der Tante Jolesch, einem von Friedrich Torberg kreiierten österreichischen Faktotum: „Ein Mann, der schöner als ein Aff ist, ist ein Luxus…“ . Also etwas, auf das man verzichten kann. Ein Gesundheitsminister, der in Österreich in Sneakers zur Angelobung kam, weiß nun, dass die Beurteilung des äußeren Erscheinungsbildes nicht durch Kompetenz kompensiert werden kann. Das Sein bestimmt das Bewusstsein.
Ich nehme mir vor, öfters zu hinterfragen, warum sich bei mir ein gewisses Bild von einem Menschen einprägt. Wieviel davon sind nur vorauseilende Bestätigungen meiner Vorurteile, die ich durch Erfahrung, Erziehung oder anderen Einflüssen angehäuft habe? Wieviel Energie könnte besser genützt werden, weil Talent rechtzeitig erkannt und zugelassen wird?
Hannelore Elsner hat letztendlich allen bewiesen, dass sie ein besonderes Können besitzt und dieses auch anwenden kann. Der große Durchbruch als sogenannte ernsthafte Schauspielerin erfolgte mit 58 als „Die Unberührbare“. Später meinte sie: „Vielleicht war es ein Glück, das ich in meinen jungen und mittleren Jahren nicht die Rollen bekam, die ich mir wünschte. Ich war zu sehr mit dem Leben beschäftigt.“