Die aktuelle Teuerungswelle macht sich weiterhin auch im Supermarkt bemerkbar: Nahrungsmittel haben sich im Mai durchschnittlich um 8,8 Prozent verteuert. Fleisch landet infolge der Inflation immer seltener im Warenkorb.
7,7 Prozent beträgt die Inflation derzeit, das ist die höchste Inflationsrate seit April 1976. Vor dem Hintergrund des russischen Kriegs in der Ukraine steigen die Energie- und Treibstoffpreise, aber auch die Nahrungsmittelpreise seit einigen Monaten stetig an. Laut Statistik Austria kosteten Lebensmittel im Mai im Durchschnitt um 8,8 Prozent mehr als vor einem Jahr. Bei einigen Grundnahrungsmitteln gab es besonders hohe Preissteigerungen: Öle kosten um 21,4 Prozent Prozent mehr, Gemüse um 12,5 Prozent und Fleisch verzeichnete einen Preisanstieg von 11,3 Prozent.
Es wird weniger Fleisch gekauft
Die Konsequenz: Die Österreicher:innen sparen bei ihrem täglichen und wöchentlichen Einkauf. Bio-Produkte sind das erste, das nun seltener im Warenkorb landet, stattdessen greifen Konsument:innen stärker auf günstigere Eigenmarken der Supermärkte zurück. Auch Fleisch wird aufgrund der Preissteigerung seltener gekauft. Die Rinderbörse beklagt gegenüber der Tageszeitung Der Standard Absatzeinbußen von 30 bis 40 Prozent innerhalb der letzten Wochen. Die Schweinebörse spricht von einem Rückgang des europaweiten Fleischkonsums um zehn bis 15 Prozent. Auch in Deutschland hat die Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI) einen Rückgang des Fleisch-Verbrauchs wegen höheren Preise im Handel festgestellt.
Der Fleischkonsum gilt weltweit als Indikator für den Wohlstand einer Gesellschaft. „Je reicher [ein Land], um so mehr Fleisch wird konsumiert“, heißt es im Fleischatlas 2021, der jährlich Daten über die Tierhaltung und Fleisch als Nahrungsmittel zusammenträgt. Umgekehrt sinkt der Fleischverzehr, wenn der Wohlstand sinkt, heißt es. Im 19. Jahrhundert war der Fleischkonsum noch ein Wohlstandsindikator in statistischen Erhebungen. Doch wie zutreffend ist dies noch in der heutigen Zeit, in der viele Menschen in Österreich nicht aufgrund der monetären Kosten, sondern aus Klimaschutz- oder Gesundheitsgründen auf den Verzehr von Fleisch verzichten?
Es ist kompliziert. In Österreich beträgt der Pro-Kopf-Verzehr von Fleisch 60,5 Kilogramm pro Jahr. Das ist knapp drei Mal so viel, wie die Österreichische Gesellschaft für Ernährung (ÖGE) empfiehlt. Eine repräsentative Umfrage unter 15- bis 29-Jährigen zeigt jedoch: immer mehr junge Menschen, rund 13 Prozent der Befragten, leben vegetarisch oder vegan. Rund 70 Prozent der Vegetarier:innen und Veganer:innen sind weiblich. „Das Stück Fleisch ist nicht mehr das, was es für frühere Generationen war: ein Zeichen, dass es einem nach dem Krieg wieder gut geht“, sagt Dagmar Gordon, Leiterin des Bereichs ,Biodiversität, Landwirtschaft, Ernährung und Chemie‘ bei „Global 2000“, im Gespräch mit SHEconomy. Während der Fleischverzehr früher dem Adel vorbehalten war, ist er heute vor allem in der Mittelschicht verbreitet. Steigen die Preise, ist Fleisch – insbesondere Bio-Fleisch – daher unter den ersten Produkten, auf die verzichtet wird. Obwohl der Fleischverzicht infolge der Inflation derzeit besonders stark ausgeprägt sein dürfte, finde schon seit längerer Zeit eine Wende statt, die darauf hindeutet, dass Fleischkonsum und Wohlstand nicht zwangsläufig miteinander in Verbindung stehen, erklärt Dagmar Gordon. „Es kommt gerade eine Generation nach, die bewusst weniger Fleisch konsumiert. Global gibt es aber ein Nord-Süd-Gefälle. Die Industrieländer konsumieren viel mehr Fleisch als Länder des globalen Südens“, so Gordon.
Steigende Großhandelspreise
Noch wird davon ausgegangen, dass die Nahrungsmittelpreise weiter ansteigen werden: Jene Preise, um die Großhändler ihre Waren beschaffen, sind im Mai um 25,1 Prozent angestiegen. Für Fleisch wurde 14,9 Prozent mehr bezahlt, für Futtermittel rund 59 Prozent. Die Großhandelspreise gelten als Frühindikator dafür, wie sich die Verbraucherpreise in Zukunft entwickeln könnten. „Da sich die Teuerung im Großhandel meist mit Verzögerung auf die Verbraucherpreise durchschlägt, gibt diese auch einen Hinweis auf die weitere Entwicklung der allgemeinen Inflation“, so Statistik Austria-Generaldirektor Tobias Thomas.