StartRolemodels"Es gibt zu viele kosmetische Besetzungen an der Spitze"

„Es gibt zu viele kosmetische Besetzungen an der Spitze“

Miriam Wohlfarth und Nina Pütz wollen mit ihrem neuen Buch „Die Macherinnen”  Frauen dazu ermutigen, sich auch höhere Positionen zuzutrauen.

Warum brauchen wir in Deutschland mehr „Macherinnen“?

Miriam Wohlfahrt: Dass es in Deutschland signifikant weniger Frauen als Männer in Führungspositionen gibt, ist wohl bekannt, aber auch der Anteil der Gründerinnen ist erschreckend niedrig: 2021 lag er gerade einmal bei 38 %. Da ist also noch sehr viel Luft nach oben!

Nina Pütz: Prinzipiell ist es sehr schade zu sehen, dass viele Frauen das Zeug zur Macherin haben, es aber nicht nutzen, weil es die Gesellschaft einfach nicht zulässt. Mehr Macherinnen bedeutet auch mehr Vorbilder für Frauen, die sich bisher noch nicht getraut haben, ihr Talent einzusetzen.

Wie haben Sie selbst entdeckt, dass Sie Unternehmerin sein möchten?

Miriam Wohlfahrt: Ich wusste für eine sehr lange Zeit nicht, was ich beruflich erreichen möchte. Ich habe mein Studium abgebrochen und war mir nicht sicher, wo die Reise hingehen sollte. Rückblickend hab ich alles richtig gemacht und das kann ich daran festmachen, dass ich genau da stehe, wo ich jetzt bin und das fühlt sich gut an.

Nina Pütz: Ich selbst bin ja Managerin und keine Gründerin, aber ich weiß wie es ist, Kompetenz abgesprochen zu bekommen, was ja oft eine Motivation ist, sich selbstständig zu machen. Es ist ein großer Luxus, das machen zu dürfen, auf was frau Lust hat, und ich bin der Meinung, dass sich niemand verbiegen sollte, um die eigenen Ziele zu erreichen.

Welche wichtigsten Eigenschaften sollte eine Unternehmerin auf jeden Fall mitbringen, welche Skills lassen sich erlernen?

Miriam Wohlfahrt: Die drei wichtigsten Eigenschaften sind Resilienz, Mut und Tatendrang – alles andere lässt sich erlernen. Mir persönlich hat auch eine gesunde Portion Optimismus geholfen. Vieles regelt sich dann doch einfach von selbst.

Nina Pütz: Karriere macht man mit dem eigenen Kopf. Der Wille sollte da sein, denn ohne den Erfolg wirklich zu wollen, wird er immer in einer gewissen Distanz zu einem selbst stehen. Darüber hinaus braucht es Mut und eine gehörige Portion Resilienz.

Wir stecken in einer riesigen Transformation – Wie haben sich die Anforderungen in den vergangenen Jahren damit auch für Unternehmen verändert?

Miriam Wohlfahrt: Es hat sich auf jeden Fall etwas getan, was das Bewusstsein über Diversität in Unternehmen betrifft. Bestes Beispiel ist das Foto der CEO-Sicherheitskonferenz, das enorme Wellen im Netz geschlagen hat. Es ist schön zu sehen, dass solche Muster nicht mehr als selbstverständlich angesehen werden, sondern Gegenwind erfahren. Wir brauchen schlichtweg mehr Diversität in Führungspositionen!

Nina Pütz: Ich stimme Miriam voll zu. Mit Ratepay möchten wir als Positivbeispiel vorangehen und haben in den letzten Jahren eine Art Role-Model-Effekt geschafft, der Frauen dazu ermutigt, sich auch in höhere Positionen zu trauen. Wir sehen, dass unsere ausgeglichene Geschlechterquote im Management insgesamt zu mehr weiblichen Bewerbern führt, und genau dort sollten Unternehmen auch ansetzen. Bisher sehen wir noch viel zu viele kosmetische Besetzungen – eine Frau kommt auf vier Michaels. Die Transformation hat zwar schon begonnen, die Geschwindigkeit des Fortschritts ist allerdings noch ausbaufähig. Auch wenn wir den Wandel schon angestoßen haben, liegt noch ein weiter Weg vor uns.

Viele Initiativen wollen inzwischen den Unternehmer- bzw. Gründergeist von Frauen stärken – bringt das etwas?

Nina Pütz: Definitiv! Sichtbarkeit ist hierbei das Stichwort – je mehr Initiativen diese Thematik aufgreifen, desto alltäglicher wird sie. Ziel dabei ist es, dass Unternehmerinnen oder Gründerinnen irgendwann keine Ausnahme mehr darstellen, sondern als Norm angesehen werden.

Miriam Wohlfahrt: Generell sollten in unserer Gesellschaft Mut und Experimente mehr gefördert werden, und genau das wird von diesen Initiativen angestoßen. Womit sie einen großen Beitrag für die Unterstützung von Frauen leisten, die ebenfalls Macherinnen werden möchten oder es vielleicht auch schon sind.

Wertesystem und Authentizität

Wie lassen sich mehr weibliche Talente begeistern, selbst zu gründen?

Nina Pütz: Was es vor allem braucht, sind mehr weibliche Vorbilder! Es ist unfassbar motivierend, Role Models zu haben, mit denen man sich identifizieren kann. Zu jemandem aufzusehen, der das alles schon durchgestanden hat, kann den nötigen Kick geben, wenn man gerade nicht weiterkommt oder an seinen Entscheidungen zweifelt. Je nahbarer Role Models sind, desto besser.

Miriam Wohlfahrt: Das war auch einer der Gründe, weshalb wir uns dazu entschieden haben, unser Buch “Die Macherinnen” zu schreiben. Mit den darin enthaltenen Expert:innen-Statements, Ninas und meiner Sichtweise auf die Dinge sowie unseren Erlebnissen möchten wir aufzeigen, wie viele starke Persönlichkeiten es schon geschafft haben, karrieretechnisch dort zu sein, wo sie sein möchten und es gar nicht so unmöglich ist, wie manche vielleicht denken. Ein perfekter Lebenslauf ist dafür nicht unbedingt nötig, solange man mit Leidenschaft dabei ist und sich nicht unterkriegen lässt. Authentizität ist der Schlüssel!

An welchen Punkten hätten sie gern mal aufgegeben, wer oder was hat Ihnen dann geholfen?

Miriam Wohlfahrt: Aufgeben ist ein sehr harter Begriff – es gibt immer mal wieder schwierige Zeiten, das ist klar. Allerdings hatte ich bisher immer das Glück, starken Rückhalt aus meinem privaten Umfeld zu erfahren und das hat mir in manchen Situationen enorm geholfen. Einer dieser Rückschläge war gesundheitlich bedingt. In dieser Zeit hatte ich es wirklich nicht leicht, aber ich habe mich für meine Mitarbeiter:innen und natürlich meine Familie durchgekämpft.

Nina Pütz: Als CEO habe ich gefühlt ständig Krisen zu meistern und große Probleme zu lösen. Was ich in solchen Fällen regelmäßig praktiziere, ist ein Perspektivenwechsel. Ich frage mich dann, was ich aus der jeweiligen Situation gerade lerne und wie ich daran als Person wachsen kann.

Wie haben Sie sich beide in der gemeinsamen Führung ergänzt?

Miriam Wohlfahrt: Ich denke, dass unsere unterschiedlichen Werdegänge eine große Bereicherung für unsere Zusammenarbeit waren. Ich bringe die Erfahrung einer Gründerin im Start-up-Umfeld mit, Nina die Konzernperspektive. Das war auch einer der Gründe, warum ich die Führung bei Ratepay an Nina übergeben wollte. Denn Ratepay war zu diesem Zeitpunkt kein kleines Start-up mehr, sondern ein profitabler Mittelständler in einem kompetitiven Umfeld. Da war eine andere Art von Führung gefragt.

Nina Pütz: Es waren nicht nur Lebensläufe oder unsere Stärken und Schwächen, die sich hervorragend ergänzt haben, sondern auch unser ähnliches Denken und die gleiche Wertvorstellung. Miriam hätte mir ihr Baby nie überlassen, wenn sie nicht hundertprozentig darauf hätte vertrauen können, dass ich es mit dem gleichen Wertesystem weiterführe.

Wer sollte Ihr Buch auf jeden Fall lesen?

Nina Pütz: Mit unserem Buch möchten wir vor allem Menschen ansprechen, die Inspiration und Impulse für die Zukunftsgestaltung im eigenen Unternehmen suchen. Wir möchten aufzeigen, was es für eine Unternehmensgründung braucht und gleichzeitig dazu anregen, mal über den eigenen Horizont hinaus zu denken. Unser Buch ist aber nicht nur für diejenigen, die schon Führungskraft sind oder kurz vor der Gründung stehen, sondern auch für solche, die noch nicht wissen, wo es karrieretechnisch für sie hingeht und was es braucht, um im Beruf erfolgreich und glücklich zu werden.

Miriam Wohlfahrt: Es ist also insbesondere auch an junge Frauen gerichtet, die noch auf der Suche nach Vorbildern sind oder sich einfach etwas Inspiration einholen möchten, was ihre eigene Karriere anbetrifft.

Miriam Wohlfahrt ist als Geschäftsführerin und Gründerin von Ratepay eine der ersten weiblichen Fintech-Gründerinnen in Deutschland und hat fast 20 Jahre Erfahrung im Online-Payment und Vertrieb. Durch die AI-basierte, selbst entwickelte State-of-the-art-Risikosoftware bei Ratepay sind Fraud und Risk keine Fremdwörter für sie. Sie hat für einige erfolgreiche, internationale Unternehmen gearbeitet (Worldpay, Royal Bank of Scotland), ist als Angel-Investor für Startups unterwegs und engagiert sich als Gesellschafterin bei Startup Teens. Neben Ratepay ist Miriam Wohlfarth ebenfalls Gründerin von Banxware, ein Software-as-a-Service Anbieter für integrierte Finanzdienstleistungen, der es Unternehmen ermöglicht, Darlehen sowie weitere Bankdienstleistungen an ihre Kunden anzubieten.

Nina Pütz ist CEO von Ratepay. Zuvor war sie als CEO und Managing Director bei dem Online-Shopping-Club brands4friends tätig, außerdem in verschiedenen leitenden Funktionen bei dem Online-Marktplatz Ebay. Ratepay ist ein deutscher Zahlungsdienstleister, spezialisiert auf Dienstleistungen wie Rechnungskauf, Lastschrift und Ratenkauf. Ratepay bietet Zahlungslösungen nach dem Buy-Now-Pay-Later-Prinzip und ist als Whitelabel Service nur im Hintergrund auf Händler-Websites eingepflegt.

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