StartBusinessKopf der Woche – Alexandra Vetrovsky-Brychta

Kopf der Woche – Alexandra Vetrovsky-Brychta

Die Digitalisierungsexpertin Alexandra Vetrovsky-Brychta ist Geschäftsführerin des Forum Verlag Herkert in Österreich und seit neuestem auch Präsidentin des Dialog Marketing Verband Österreich. Ihre Expertise hat Sie unter anderem als Managing Director bei Bisnode D&B Austria, Geschäftsführerin des drittgrößten Online-Zielgruppenvermarkters Purpur Media oder als Vizepräsidentin des IAB Austria erlangt. Was sie motiviert und wie es Frauen gelingt Schlüsselpositionen in Unternehmen zu besetzen, verrät Sie im Interview.

Welches Klischee rund um Frauen im Job können Sie nicht mehr hören?

Generell sind Klischees problematisch, ob positiv oder negativ. Denn sie verallgemeinern, packen Personen in Schubladen und beeinflussen die Selbstwahrnehmung. Daher habe ich so meine grundsätzlichen Probleme mit jeder Art von Klischee. Speziell auf Frauen bezogen führen zwei Klischees meine „Shitlist“ an: Frauen sind launisch und Frauen können mit Zahlen nicht umgehen. 

Was war die größte Hürde, die Sie auf Ihrem bisherigen Karriereweg gemeistert haben?

Ganz klar – die Coronakrise. Auch wenn das jetzt so gut wie alle betrifft, ob Frau oder Mann. Als Managerin und Digitalisierungsexpertin bin ich es gewohnt Krisen zu meistern und Unternehmen in Veränderungsprozessen zu führen. Auch digitales Arbeiten und remote zu Führen waren mir nicht fremd. Aber das was ab März 2020 mit der Arbeitswelt passiert ist und wie sich mein beruflicher und privater Alltag von jetzt auf gleich geändert hat, das war extrem. Home-Office als Chefin eines von der Krise stark betroffenen Unternehmens und Home-Kindergarten als Mama einer Zweijährigen in einen 24 Stunden Tag zu packen hat mich um viele Erfahrungen reicher gemacht.  Ich habe hier ganz klar vor Augen geführt bekommen, wie wichtig es ist ein stabiles Umfeld zu haben. Ohne Unterstützung, privat durch meinen Mann und beruflich durch ein familienfreundliches Konzernumfeld, hätte ich diese Situation niemals so gut meistern können. Ich bin stolz darauf, ein Jahr später sagen zu können: wir haben es geschafft. Obwohl die Pandemie weiter grassiert und wir vom Ende der Krise noch immer ein Stück entfernt sind. Unser Fachverlag und mein Team sind wieder erfolgreich und wir haben unser Geschäftsmodell und unsere Arbeitsweise an die neue Normalität angepasst.

Was würden Sie Frauen raten die ebenfalls den Wunsch haben Schlüsselpositionen in Ihren Unternehmen zu besetzen?

Sich die Vorgehensweise von Männern abzuschauen. Männer die bereits in höheren Positionen sind besetzen meistens Schlüsselpositionen aus ihrem Netzwerk und das sind natürlich oft ebenso Männer. Das sollten wir Frauen auch tun, wir sollten unser Netzwerk screenen, um zu sehen welche Frau für diese Stelle geeignet sein könnte. Selbstverständlich immer vorausgesetzt, dass die Qualifikation passt. So erzielen wir einen Multiplikatoreffekt und tragen aktiv zur Gleichstellung bei.

Welche Ziele verfolgen Sie als erste weibliche Präsidentin des Dialog Marketing Verbands Österreich?

Die oberste Priorität haben für mein Vorstandsteam und mich die Anliegen unserer Mitglieder. Mein Ziel ist es diese zu verstehen, laufend zu evaluieren und auf komplexe Fragen und Herausforderungen praxisnahe Antworten und Hilfestellungen zu bieten. Der DMVÖ wird auch weiterhin für Wissensvermittlung, Service und Impulse für die datengetriebene Kommunikationsbranche stehen.

Wie steht es um die Digitalisierung und die Digitalkompetenz in Österreich?

Corona hat bei Österreichs Wirtschaft, aber auch Gesellschaft, als Turboboost gewirkt. Allerdings zeigt sich immer noch das wir deutlich Aufholbedarf in Sachen Digitalisierung haben, beziehungsweise sogar leicht rückläufig sind. Sowohl die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat jüngst in ihrem Papier „Going for Growth 2021: Shaping a Vibrant Recovery“ Österreich bescheinigt zu langsam in Sachen Digitalisierung zu sein als auch Acredia mit dem „Enabling Digitalization Index“ (EDI), in dem Österreich wieder einen Platz verloren hat (von 12 auf 13). Vor allem im Bereich Konnektivität und E-Commerce besteht nach wie vor eine Lücke zu anderen Ländern.

Wie behalten Sie den Fokus und was motiviert Sie?

Raum und Zeit zum Fokussieren schaffe ich mir durch „Ich-Zeit“ beim Sport oder in der Natur. Schon eine halbe Stunde am Tag den Kopf freimachen und meine Gedanken zu strukturieren hilft mir den Fokus auf die Dinge richtig zu setzen. Meine Motivation ziehe ich aus Erfolgen. Und damit meine ich nicht nur meine persönlichen Erfolge, sondern Erfolge insgesamt, im Team aber auch privat in der Familie. Denn in agilen und unsicheren Zeiten wie derzeit zählt umso mehr gemeinsam stark zu sein.

Haben Sie ein weibliches Vorbild?

Nicht nur eines, sondern viele. Meine Vorbilder sind nicht Stars, Top CEOs oder Politiker*innen sondern die Frauen mit denen ich mich umgebe. Das sind Vollzeitmütter genauso wie Unternehmer*innen oder junge und ältere Frauen. Alle diese wunderbaren Frauen haben Eigenschaften die für mich eine Vorbildwirkung haben und an denen ich mich orientiere. Vorbilder müssen aus meiner Sicht nicht perfekt sein, sondern viel mehr Persönlichkeiten, die einen weiterbringen.

Sind Sie Feministin?

Nein, nicht im klassischen Sinne. Ich setze mich sehr wohl für Gleichstellung ein, aber nicht nur im feministischen Sinne, sondern im allgemeinen Sinne der Vielfalt. Fragen Sie mich jetzt aber danach ob ich für die Quote bin muss ich klar sagen: Ja, auch wenn ich sie nicht mag. Aber ich mag das was sie auslöst und vollbringen kann.

Was wären Ihrer Meinung nach die nächsten wichtigen Schritte in Richtung Gender Equality?

Da möchte ich an meine vorige Antwort anschließen: eine Frauenquote auf Vorstandsebene. Denn wie gesagt, ich bin kein Fan der Quote aber ein Fan der Auswirkung. Und auf Vorstandsebene ist der Frauenanteil in Österreich immer noch verschwindend gering.

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