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Leading like a mom

Mütter werden leider in vielen Betrieben als Störfaktoren gesehen – und betrachten sich oft auch selbst als solche. Tatsächlich sind sie eine enorme Bereicherung, die den Wandel hin zu einem zukunftsfähigen Führungsstil und einer ebensolchen Unternehmenskultur vorantreiben. Und sie werden in Zeiten des Fachkräftemangels dringend gebraucht.

„Die ist erst 32 und hat gerade geheiratet. Können wir auf keinen Fall einstellen“, „Mit einem Kind ist sie in Gedanken meist zu Hause“, „Mütter sind unzuverlässig und am Nachmittag nicht erreichbar“: Sätze wie diese höre ich immer noch von vielen Personalverantwortlichen und Führungskräften. Entsprechend schwierig ist es für Frauen, Karriere und Familie zu vereinbaren. In Österreich und in Deutschland arbeiten Mütter im Vergleich zu anderen europäischen Ländern besonders oft in Teilzeit – mit negativen Folgen für ihre finanzielle Absicherung, aber vor allem auch für die Unternehmen.

Warum das so ist? Zum einen wegen der Vorurteile in den Betrieben, zum anderen aber auch, weil sich die Mütter selbst als ungenügend empfinden. Weil sie in Karenz gehen, Pflegeurlaube in Anspruch nehmen, Meetings pünktlich verlassen müssen, um ihre Kinder aus dem Kindergarten oder der Schule ab zu holen. Auch gegenüber ihrer Familie haben Frauen ein schlechtes Gewissen, weil ihnen ihre Arbeit wichtig ist. Wenn Frauen um 16 Uhr aus dem Büro gehen, um ihren noch anstrengenderen zweiten Job zu beginnen, ernten sie nicht selten missbilligende Blicke.

Perspektivenwechsel angesagt

Sowohl bei den Müttern als auch bei den Unternehmen liegt also der Fokus auf dem scheinbar Negativen. Und, zugegeben, es ist eine Herausforderung für den Betrieb und die Teams, wenn viele Arbeitnehmer:innen Teilzeit wählen, Auszeiten nehmen und Flexibilität bei Arbeitszeit und Arbeitsort wollen. Laut dem US-amerikanischen Wirtschaftsmagazin Forbes aber wird das durch die Corona-Pandemie üblich gewordene hybride Arbeiten nicht mehr verschwinden. Es gehöre zu den Top-10-Trends für die Arbeitswelt 2023. Wir haben demnach gelernt, dass Mobiles Arbeiten durchaus funktioniert. Gut so, denn das hilft insbesondere Frauen und Müttern.

Es wird aber ebenso den Männern zugutekommen, die sich mehr in der Familie engagieren wollen. Auch sie können sich mit Möglichkeiten zum Remote-Working leichter dazu entscheiden, sowohl Führungskräfte mit Ambitionen als auch aktive Väter zu sein. Und das wiederum wird die Sicht von Unternehmen auf Mütter ändern. Denn: Wenn nicht nur sie, sondern auch ihre Männer Care-Arbeit leisten, liegt kein Vorteil mehr darin, vor allem Männer mit Führungsaufgaben zu betrauen.

Spezifische Kompetenzen von Eltern nutzen

Diesen scheinbaren Vorteil gibt es ohnehin nicht – und deshalb sollten Unternehmen schon jetzt viel mehr Frauen und insbesondere solche mit Kindern einstellen und befördern. Mütter sind nämlich Universalgenies. Sie halten jeden Tag sehr viele Bälle in der Luft und übernehmen nachhaltig Verantwortung für ihren Nachwuchs. Es geht ihnen nicht um kurzfristige Erfolge. Mütter – und natürlich auch Väter – möchten, dass aus den Kindern zufriedene und erfolgreiche Erwachsene werden. Ziele sind deren Wohlergeben und Gesundheit.

Und die Liste lässt sich nahezu endlos fortsetzen: Eltern sind unglaublich belastbar. Sie stehen in den ersten Lebensjahren ihrer Kinder meist mehrmals in der Nacht auf. Obwohl völlig übermüdet, behandeln sie dennoch Tochter und Sohn liebevoll und fürsorglich. Geduldig wechseln sie wieder mal die Windel oder versuchen stundenlang, das Kind davon zu überzeugen, endlich zu schlafen. Eltern wissen, dass jedes Kind anders tickt – und unterstützen den Nachwuchs entsprechend, damit er seine Begabungen bestmöglich einsetzen kann.

Die Parallelen zu guter Führungsarbeit sind offensichtlich!

Eltern eignen sich Fähigkeiten in drei Bereichen an, die wir auch in der Arbeitswelt dringend benötigen: Selbstkompetenz, Fachkompetenz und soziale Kompetenz. Weil die Kinder ihnen oft den Spiegel vorhalten, hinterfragen sie selbstkritisch ihr eigenes Denken und Handeln. Weil die Kleinen Hilfe etwa in der Schule brauchen, erweitern Eltern ständig ihren Wissensschatz. Und ohne Gespür für die Bedürfnisse anderer, wäre kein einziger Tag als Familie zu meistern. Eltern können wunderbar organisieren, sind flexibel, setzen Prioritäten, kommunizieren meist (nicht immer) wertschätzend und erkennen, was wichtig ist.

Auch ich selbst habe mir durch meinen Nachwuchs sehr viele Kompetenzen angeeignet. Meine Familie war und ist das Lern-Bootcamp meines Lebens. Beispielsweise waren alle drei Kinder schlechte Schläfer, so dass ich mich bald wie ein Zombie fühlte: völlig erledigt, ohne Zeit zum Duschen oder zum Frühstücken. Da ich in diesem Zustand weder meinen Job ausüben noch eine gute Mutter sein konnte, beschloss ich, besser auf mich selbst zu achten. Für mich war das auch ein Abschied vom Perfektionismus. Ich akzeptierte, dass 80 Prozent gut genug sind. Ab und an müssen sogar auch null Prozent reichen, wenn die Erschöpfung zu groß ist. Denn gute Eltern (und Führungskräfte) kenne ihre eigenen Grenzen, können gut für sich selbst sorgen und sind somit Vorbilder für die Kinder und das Team

Klarheit in der Kommunikation – entspannt im Handeln

Mit diesen Erfahrungen und dieser Einstellung bin ich kein Einzelfall. So habe ich für mein neues Buch „Kind und Karriere – es geht beides!“ zahlreiche Mütter in Führungspositionen gefragt, welche Fähigkeiten sie als Mamas erworben haben, die ihnen beruflich helfen. Claudia Maikisch, Head of Talent von EY Österreich, hat wie ich dem Prinzip „immer 100 Prozent“ abgeschworen. „Stattdessen priorisiere ich und begegne Problemen so relaxter“, sagt Maikisch, Mutter von zwei Kindern.

Silke Zettel, CEO von Allianz Partners, hat nach eigener Aussage durch ihre Tochter gelernt, klare Ansagen zu machen, die sie wirklich so meint und die authentisch sind. „Sonst habe ich als Führungskraft und auch als Mama verloren“, so Zettel. Zudem gelinge es ihr dank ihrer Familie, gewisse Rahmenbedingungen im Unternehmen weniger wichtig zu nehmen. Klarheit in der Kommunikation zu Hause und im Beruf hebt auch Julia Keck hervor. Die Co-Geschäftsführerin der Lockl&Keck GmbH aus Wien sagt: „Ich mache keine Versprechen, die ich nicht halten kann, und versuche im Augenblick zu leben. Da sind Kinder definitiv große Vorbilder.“

Parenting is like leadership

Interessant ist, dass Mütter und auch Väter längst erkannt haben, was sie ihren Unternehmen bringen. So geben laut einem Bericht zur Studie „Elternkompetenzen & Arbeit“ des WorkFamily-Instituts Darmstadt 74 Prozent der befragten erwerbstätigen Eltern mit Führungsverantwortung an, mit ihren Qualifikationen als Eltern bessere Führungskräfte zu sein. Um das greifbarer zu machen, haben Dr. Stephanie Robben-Beyer. Coach, Moderatorin und Mentorin, und ich die Kompetenzen von Müttern zu Hause und im Unternehmen verglichen. Das Ergebnis: Parenting is like leadership. Eltern sind tatsächlich tolle Führungskräfte!

Auch der britisch-US-amerikanische Autor und Unternehmensberater Simon Sinek weist auf die Ähnlichkeiten zwischen Eltern und Führungskräften hin. In beiden Rollen würden wir uns um andere Menschen kümmern und sei uns deren Wohlergehen wichtig. Wir lieben unsere Kinder – unabhängig davon, wie sie sind oder wie sie sich verhalten. Sowohl Mütter und Väter als auch Leader im Job befinden sich permanent im Lernmodus, um die ständige Unsicherheit und die sich fortlaufend ändernden Herausforderungen bewältigen zu können.

Mehr Mütter ins Top-Management!

Aus meiner Sicht muss es viel mehr Mütter im Top-Management von Unternehmen geben – und das so rasch wie möglich. Laut einer Studie von ACI Diversity Consulting haben acht von zehn männlichen Führungskräften Kinder, bei Frauen sind es nur drei von zehn. Kinder sind also nach wie vor einer der Karriere-Hindernisse für Mütter und das sollte sich unbedingt ändern.

Interessant in diesem Zusammenhang ist der Modern Family Index der Bright Horizon Family Solutions Inc., eines US-amerikanischen Anbieters von Kinderbetreuung. Danach sind Mütter so etwas wie „natural leaders“. 89 Prozent der befragten Angestellten in den USA sagten, Mütter als Führungskräfte würden das Beste in den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zum Vorschein bringen. Mütter seien in Krisensituation ruhiger und diplomatischer, könnten besser zuhören und erwiesen sich als bessere Teamplayer.

Mütter machen diverser und erfolgreicher

Leading like a Mom ist meiner Überzeugung nach genau das, was Unternehmen brauchen, wollen sie einen entscheidenden Schritt in Richtung mehr Diversität gehen – und die macht etwa nach dem Mckinsey Report „Diversity wins – how inclusion matters“ nachweislich erfolgreicher. Ebenso werden natürlich Väter, die ihre Rolle zu Hause ernster nehmen, Eltern-Kompetenzen in die Betriebe tragen und für mehr Vielfalt sorgen.

Zu wünschen ist, dass in der Arbeitswelt von morgen Mütter und Väter nach der Karenz mit viel Selbstvertrauen und klarem Bewusstsein für die erworbenen Fähigkeiten in die Unternehmen zurückkommen. Das wäre eine Veränderung im Mindset mit vielen positiven Auswirkungen auf die gesamte Belegschaft – und eine, die angesichts einer zunehmend komplexen und sich rasant wandelnden Welt unverzichtbar sein wird.


Über  die Autorin

Maren Wölfls Herz schlägt für Female Empowerment, Motherhood & Leadership. Als Business Coach, Inspirational Expert und TEDx Speaker macht sie sich seit vielen Jahren für das Thema Mütter in Führungspositionen stark. Ihr Buch-Erstling „Kind und Karriere – es geht beides!“ ist Anfang 2023 im Springer Verlag erschienen.

www.femalewakeupcall.com

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