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Liz Truss: Rücktritt vom Rückschritt

Opinion | Alle guten Dinge sind drei – oder nicht? Thatcher, May und Truss. Erstere noch bekannt als eiserne Lady, Zweitere bei vielen nur mehr als tanzendes Meme in Erinnerung (dennoch bekennende Feministin) und die Dritte als jene Frau, die das Rennen um die “längere Haltbarkeit” gegen einen Salatkopf verloren hat. Keine gute Entwicklung.

Das Problematische daran: die Blicke richten sich umso prüfender auf hohe politische Ämter, wenn sie von Frauen besetzt sind. Frauen, die sich in – derzeit leider noch – gesellschaftlich untypischen Ämtern befinden, werden, im Vergleich zu Männern in der gleichen Position, doppelt und dreifach genau beäugt. Sie müssen noch härter arbeiten, sich noch stärker durchsetzen und noch gelackter auftreten. Wenn ein männlicher Politiker über die Stränge schlägt, wird das meist weniger kritisiert und künstlich aufgebauscht als eine junge Politikerin, die tanzend und feiernd auf einer Party gefilmt wird. Imperfektion wird bei Frauen nicht unkommentiert geduldet.

Zurück zum Thema: Truss befindet sich in einer äußerst unangenehmen Situation. Sie ist nicht nur als Premierministerin gescheitert, sie ist so drastisch gescheitert, dass sie nun in die Geschichte als die am kürzesten amtierende Premierminister:in Großbritanniens eingeht. In nur 44 Tagen Amtszeit schaffte sie es laut Global Leader Approval Rating im weltweiten Vergleich zur Staats- und Regierungschef:in mit der geringsten Zustimmung – weniger noch als ihr Vorgänger Boris Johnson. (Wir Österreicher:innen brauchen uns da aber gar nichts einbilden: noch im August belegte unser Bundeskanzler Karl Nehammer den letzten Platz).

Die tatsächliche Tragödie mit Truss Politik ist jedoch, dass sie ein schlechtes Bild auf Frauen in der Politik generell wirft. Allein schon das Hinsehen hat wehgetan. Dass sie realitätsfremde Politik betrieben hat, ist die eine Sache, die andere Sache war ihr mangelnder Wille, als pro-weibliche Politikerin zu agieren. Truss hat zur Geschlechterpolitik weitestgehend geschwiegen. Und das, obwohl sie vor ihrem Amtsantritt als Premierministerin auch Außenministerin und Ministerin für Frauen und Gleichstellung war. Sie hat auch die Aufhebung des Urteils, das die Abtreibung in den USA legalisierte, nicht kritisiert, was sonst weitgehend für Aufschreie und Proteste sorgte. Ihr geringes Engagement wurde sogar in ihren eigenen Reihen in Frage gestellt.

Sie ist der Meinung, Frauen sollten „unabhängig“ sein und sich nicht als „Opfer“ sehen, die besonderer staatlicher Unterstützung bedürfen. Das ist nicht zur Gänze falsch, jedoch übersieht sie dabei sämtliche systemische Hindernisse, die Frauen dabei im Weg stehen. Truss hat auch nicht erkannt, dass ihre regressive Steuerpolitik eine anhaltende Benachteiligung britischer Frauen verstärkt hätte. Dabei müssten sich Politikerinnen gar nicht als Feministin bezeichnen, um feministische Vorgänge in Gang zu setzen. Angela Merkel hat sich beispielsweise vor ihrer Wahl nie als Feministin positioniert. Ihre nachhaltigen politischen Erfolge auf dem nationalen sowie internationalen Parkett haben dennoch zu mehr Offenheit und Sensibilität gegenüber feministischen Themen geführt. Die Initialisierung einer geschlechtergerechten Grundhaltung des offiziellen Deutschlands ist vielleicht das größte Vermächtnis der Ära Merkel.

Dass Truss mit ihrer realitätsfremden Politik, die noch dazu nur auf die Interessen alter, weißer Männer aus ihren eigenen Reihen abzielte, das genaue Gegenteil bewirkt hätte, wäre fatal gewesen. Ihr Rücktritt kam keine Sekunde zu spät. Denn mit jedem weiteren Fehltritt wären die Rufe der Kritiker:innen an Frauen in Führungspositionen lauter geworden. Um als Gesellschaft vorwärtszukommen, sind wir jedoch darauf angewiesen, dass auch sie mit an den Schalthebeln sitzen. Wenn wir Stimmen hören, die behaupten, wir bräuchten in Europa doch gar keinen Feminismus, müssen unsere Alarmglocken schrillen und dagegenhalten. Denn wie uns das Weltgeschehen zuletzt bewiesen hat, werden bereits erkämpfte Rechte aufgeweicht, abgeschafft oder in Frage gestellt, wenn wir uns nicht aktiv und lautstark dafür einsetzen.

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