Vor neun Jahren rief Christina Ramgraber ihr Mini-Kita-Projekt „sira“ ins Leben, bei dem sie Klein- und Mittelbetrieben, für die es unrentabel wäre, eigene Betreuungsmodelle auf die Beine zu stellen, Betriebskindergarten- Lösungen anbietet. Heute umfasst sira 26 Standorte in München, Straubing, Stuttgart und Köln. Die Sozialunternehmerin über den Zusammenhang zwischen Fachkräftemangel und Kinderbetreuung sowie gendersensible Erziehung.
Immer wieder betonen Sie den Fachkräftemangel in Deutschland. Aber inwiefern hat der Fachkräftemangel in beispielsweise technischen Berufen etwas mit Mini-Kitas zu tun?
Christina Ramgraber: Die Idee zu sira ist überhaupt erst deswegen entstanden. Ich habe meine Diplomarbeit über den Fachkräftemangel geschrieben und herausgefunden, dass der Mangel im deutschsprachigen Raum unter anderem durch die lange Abwesenheit von Frauen aufgrund von Betreuungspflichten verursacht wird. Nachdem ich meinen Job als Angestellte in einem großen Chemiekonzern gekündigt hatte, wollte ich dieses Thema unbedingt aufgreifen und habe angefangen, mich mit Betreuungslösungen zu beschäftigen.
„Der Fachkräftemangel wird auch durch die lange Abwesenheit von Frauen aufgrund von Betreuungspflichten verursacht.“
Sira will mit seinen Diensten bei Klein- und Mittelbetriebe die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtern. Was läuft in der Kinderbetreuung bisher falsch?
Christina Ramgraber: Der Fachkräftemangel ist auch in der Kinderbetreuung groß. Während Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen sich darüber ärgern, dass die Kinderbetreuung unflexibel ist, klagt der Betreuungsbereich über mangelndes Geld. Wir vermitteln zwischen diesen beiden Seiten und versuchen, das finanzielle Problem abzumildern. Bei unserem Ansatz trägt das Unternehmen zur Finanzierung der Mini-Kitas bei: Die öffentliche Hand trägt rund 80 Prozent der Kosten, der Betrieb 20 Prozent.
Haben Sie Sorge, dass auch Ihr Unternehmen von dem Fachkräftemangel in der Pädagogik betroffen sein wird?
Christina Ramgraber: Nicht wirklich. Wir versuchen, eine Arbeitsumgebung zu schaffen, die ganz anders ist als auf dem restlichen Kinderbetreuungsmarkt. Wir haben bemerkt, dass es den Erzieher*innen wichtig ist, in einer stressfreien Umgebung zu arbeiten. Das können wir mit unseren kleinen Gruppen von neun bis zwölf Kindern pro Standort bieten. Bei uns kann man sich außerdem als bereits bestehendes Team bewerben, und die Pädagog*innen bekommen beim Aufbau eines neuen Standorts ein Anfangsbudget, damit sie die Räumlichkeiten so gestalten können, dass sie sich wohl fühlen.
Studien zeigen, dass sich Mädchen für Mathematik begeistern – bis sie eingeschult werden. Nach Schuleintritt schätzen sie ihr Können plötzlich viel niedriger ein. Was macht die Elementarbildung hier besser als die Schule?
Christina Ramgraber: Im Elementarbereich arbeiten wir viel mit geschlechtersensibler Erziehung. Wir versuchen also, keine Zuschreibungen aufgrund des Geschlechts zu treffen. Dass das in der Kita ein Thema ist, bedeutet nicht, dass es auch immer gut umgesetzt wird. Aber die Sensibilität ist bei uns im Gegensatz zur Schule extrem hoch.
Die Kinderbetreuung ist weiblich geprägt, und auch Ihr Team besteht zu 97 Prozent aus Frauen. Wie stehen Sie zu Diversität in der Kinderbetreuung?
Christina Ramgraber: Ich bin total für die Männerquote im sozialen Bereich. Neben meinem Co-Founder David Siekaczek gibt es nur zwei männliche Kollegen, die in der Kinderbetreuung tätig sind. Wenn ich sage „Wir finden keine Männer“ komme ich mir vor, wie die IG-Metall-Bosse, die behaupten, es gebe keine Frauen in der Branche (lacht). Aber es ist wirklich schwer, welche zu finden. Noch haben wir keine eigene Ausbildungsschiene, weil wir dafür zu klein sind, aber es ist eine Richtung, in die wir gehen wollen.
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