Wie lassen sich seriöse nachhaltige Geldanlagen erkennen, und warum lohnt gerade jetzt der Blick auf „grüne“ Aktien? Die ECO-Anlageberaterin und Autorin Jennifer Brockerhoff hat die Antwort.
Die Aktienmärkte schwanken in der aktuellen weltpolitischen Lage – wie behalte ich als Anleger:in die Ruhe?
Wenn wir unser Geld an der Börse anlegt haben, dann sollten wir uns vorab intensiv damit auseinandergesetzt haben, dass Krisen uns jederzeit ereilen können. Vor zwei Jahren war es eine bis dato unbekannte weltweite Pandemie und nun ein brutaler Krieg auf europäischem Boden. In diesen emotionalen Ausnahmesituationen hilft es, sich darauf zu besinnen den Anlagehorizont wieder vor Augen zu halten. Im besten Fall ist das eigene Portfolio global aufgestellt und berücksichtigt die persönliche Risikotragfähigkeit.
Wie sieht ein möglichst krisenfestes Portfolio aus?
Meiner Meinung nach werden nachhaltige Portfolios zukünftig immer mehr an Bedeutung gewinnen. Manche mögen jetzt kurzfristige Gewinne in fossile Energieträger und mit Rüstungstiteln einfahren wollen. Diese Entscheidung muss jeder Anleger für sich selbst treffen. Wer bereits vor Ausbruch des Krieges nachhaltig investiert hatte, hat russische Aktien und Anleihen gemieden. Gleichwohl der Krieg in der Ukraine die Klimakrise aus dem Fokus gerückt hat, bleibt die Dekarbonisierung der Wirtschaft sowie die Folgen des Nichthandelns eine der größten Herausforderungen in diesem Jahrzehnt.
Was sollten Anleger:innen tun, wenn sie mit ihren Einlagen künftig erneuerbare Energien fördern wollen?
Als Beimischung immer eine gute Idee. Am besten umsetzbar über breit diversifizierten und global ausgerichteten nachhaltigen Aktienfonds. Es gibt bereits mehrere Portale, wo wir selbst Schwerpunkte auswählen können. Dazu gehören die Websites Faire Fonds, MeinFairmögen, die Nachhaltigkeitsprofile des Forums Nachhaltige Geldanlage oder auch der Ecoreporter.
„Grüne“ Geldanlagen entwickeln sich zu einem echten Trend. Ist vieles davon nicht auch „Greenwashing“?
Genauso wie wir selbst das Wort „nachhaltig“ definieren, muss jede Anlegerin für sich den Begriff „Greenwashing“ definieren. Es gibt natürlich dreiste Versuche so mancher Anbieter, die sich rein aus Imagegründen grün anpinseln, um das gestiegene Bewusstsein und die Nachfrage der Verbraucher für sich nutzen zu können. Ist ein konventioneller Wursthersteller, der Massentierhaltung betreibt nachhaltig, weil er pro Wurstpackung einen Baum pflanzt? Wohl eher nicht. Gerade in Hinblick auf die aktuelle Situation: Wie sieht es aus mit Herstellern von Schlafsäcken, die auch für das Heer genutzt werden? Oder mit Nahrung, Software und Logistik die vorrangig keinen militärischen Zweck dienen, jedoch trotzdem vom Militär genutzt werden? Hier muss genauer eben hingeschaut werden.
Wie lassen sich Angebote prüfen? Welche Fragen sollte ich in der Beratung stellen, bzw. welche Informationen können mir bei der Auswahl grüner Geldanlagen helfen?
Die EU-Taxonomie und die daraus resultierenden Offenlegungs- und Transparenzverordnungen sollen es nach und nach einfacher für uns Verbraucher*innen gemacht werden, Spreu von Weizen zu trennen. Tatsächlich ist der Markt derzeit relativ undurchsichtig; ohne fachliche Expertise fühlt man sich schnell verloren im Dschungel der Möglichkeiten. Eine gute Orientierungshilfe von Siegel und Ratings geben. Das bekannteste deutschsprachige Siegel ist das FNG Siegel. In 2021 wurden mehr als 250 Fonds damit ausgezeichnet. Wichtig finde ich vor allem, dass das Audit extern durch die Universität Hamburg durchgeführt und somit die Unabhängigkeit gewährleistet ist.
Sind grüne Finanzen ein Thema, für das sich vor allem Frauen interessieren?
Das kann ich klar bejahen. Eine aktuelle Untersuchung von JP Morgan Asset Management bestätigt, dass für jede fünfte Frau nachhaltiges Investieren sogar äußerst wichtig ist. In meinen Kundengesprächen wird mir oft berichtet, dass Investitionen am besten positive Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Umwelt haben sollen. Warum dies der Fall ist, darüber können wir länger philosophieren. Es mag vor allem an unsere Sozialisierung liegen und dass wir Verantwortung für andere Familienmitglieder durch jahrelange unbezahlte Carearbeit leisten und uns deshalb der gesellschaftlichen Bedeutung mehr bewusst sind.
Beruhige ich mit nachhaltigen Geldanlagen nur mein Gewissen, oder können sie wirklich etwas verändern, Stichwort „Impact“?
Das kommt drauf an! Hier müssen wir zwischen den Primär- und den Sekundärmarkt unterscheiden. Wenn ich Anteile von einem grünen ETF oder Aktienfonds kaufe, habe ich erstmal nicht dazu beigetragen die Welt zu retten. Investitionen zum Beispiel in Mikrofinanzen, eine Beteiligungen in einem Solar- oder Windpark oder in ein Crowdfunding Projekt werden schon eher einen messbaren Impact erzielen. Die Risiken sind bei diesen Anlageprodukten natürlich ungleich höher.
Jennifer Brockerhoff, Finanzberaterin und Nachhaltigkeitsexpertin aus Düsseldorf, hat gerade ihr Buch „Grüne Finanzen: der Ratgeber für Einsteiger*innen“ veröffentlicht. Es bietet fundiertes und verständlich aufbereitetes Grundlagenwissen, um umwelt- und sozialverträglich vorzusorgen und zu investieren.