Kolumne. Chefredakteurin Michaela Ernst zum Internationalen Frauentag 2020
Schauen wir zuerst aufs Positive. Finnland hat aktuell eine 34-jährige Premierministerin, Sanna Marin. An der Spitze Neuseelands steht die 39-jährige Jacinda Ardern. Die Deutsche Ursula von der Leyen ist Präsidentin der EU-Kommission. Mit einem Anteil von 53 Prozent hat die aktuelle österreichische Regierung den höchsten Frauenanteil, den es je gab. Im Vorfeld der Pariser Bürgermeisterwahlen liefern sich zwei Frauen das Rennen – die (aktuelle) sozialistische Bürgermeisterin Anne Hidalgo gegen die Konservative Rachida Dati. Diese Beispiele sind nicht alles.
Auch sonst herrscht gute Stimmung unter Frauen. Einer Umfrage des Female Leadership Instituts zufolge wollen 71 Prozent der Befragten Führungsfunktionen übernehmen. Unternehmen, die eine Frau zum Finanzvorstand ernennen, verzeichnen bereits innerhalb der ersten 24 Monate um sechs Prozent höheren Gewinn als ihre männlichen Vorgänger – fand der Analyst S & P Global Market Intelligence heraus. Wer seine Top-Jobs zu mindestens einem Fünftel mit Frauen besetzt, erzielt bessere Renditen und höhere Aktienkurse, ergab jüngst eine Studie der Schweizer Großbank Credit Suisse. Diese Beispiele sind nicht alles.
Frauen tun also der Wirtschaft gut. Daher tut sich was, es öffnet sich was. Dennoch gehen weltweit jährlich 163 Millionen Dollar verloren, weil das Wirtschaftspotenzial von Frauen nicht besser genützt wird. Die Gründe dafür kennen wir: mangelhaftes Angebot bei der Kinderbetreuung, fehlende Unterstützung seitens des Partners, traditionelle Erziehungsmuster, die aus »lieben« Mädchen später einmal »nette« Frauen machen sollen, die ihre Leistungen unter den Scheffel stellen. Denn Ziele formulieren, Forderungen stellen und für einen Plan einstehen, mag zwar dynamisch wirken, aber nicht unbedingt sympathisch. Und diese Beispiele sind nicht alles.
Es bleibt also noch viel zu machen, klarzustellen. Zum Beispiel, dass Frauen es nicht leichter haben müssen als Männer, aber sie sollen es auch nicht schwerer haben, wie heute viel zu oft der Fall. Sie sollen entscheiden können zwischen Teil- oder Vollzeit, Karriere mit oder ohne Kind, den Run an die Spitze, in die zweite Reihe oder doch lieber gutes Mittelfeld. Sie sollen ihr Leben genauso frei gestalten können wie Männer. Und diese Beispiele sind noch lange nicht alles.
Es kann und darf nicht sein, dass Gleichstellung im 21. Jahrhundert Verhandlungssache bleibt. Gegen dieses Unrecht gilt es aufzuzeigen, aufzustehen. Bis der Frauentag – auch Internationaler Frauenkampftag genannt – hoffentlich einmal zum Remembrance-Day wird.
Foto © Peter M. Mayr