Christina Richter ist langjährige Expertin für Personal Branding. Mit ihrem neuen Buch gibt sie Tipps für mehr Sichtbarkeit und zeigt, warum Frauen nicht auf „Prinz Beförderung“ warten sollten.
Wie hat sich Personal Branding aus Ihrer Sicht in den letzten Jahren entwickelt?
Das Bewusstsein, mehr für die eigene Marke zu tun, ich bei vielen Frauen gestiegen. Aber aus meiner Sicht lassen immer noch viel zu viele Frauen ihre Karriere-Chancen liegen, weil sie nicht sichtbar genug sind.
Was heißt das konkret?
Viele Frauen scheuen sich noch immer vor der vermeintlichen Selbstdarstellung. „Ich will meine Arbeit für mich sprechen lassen“, höre ich dann häufig. Aber: Fleißbienchen werden leider nicht gesehen. Deshalb lohnt es sich für sie auch nicht, auf „Prinz Beförderung“ oder „Prinz Gehaltserhöhung“ zu warten.
Richtiges Personal Branding hat auch nichts mit Selbstdarstellung zu tun. Aus meiner Sicht ist es ein Kommunikationstool, um bestimmte Ziele zu erreichen, beispielsweise um ein Herzensthema voran zu bringen oder interessante Jobs zu bekommen.
Ist es nicht gefährlich, sich dabei nur auf die Business Plattform LinkedIn zu verlassen? Dort fühlt es sich gerade ja sowieso recht „laut“ an?
Obwohl es inzwischen jede Menge Content auf LinkedIn gibt, ist das Potenzial dort noch lange nicht erschöpft. Insgesamt hat LinkedIn weltweit rund 900 Millionen Nutzer, davon etwa 19 Millionen im DACH-Raum. Letzten Zahlen zufolge veröffentlichen nur rund 1% aller User Content – da ist also noch viel Luft nach oben.
LinkedIn ist auf jeden Fallgerade DIE Plattform im Business Kontext, auf der Frauen vertreten sein sollten. Aber ich sehe Personal Branding kanalübergreifend. Sichtbar werden, das funktioniert auch im Meeting, über Vorträge oder Interviews und sogar in der Kaffeeküche. Für mich ist die Kombination aus LinkedIn und Pressearbeit die Erfolgsformel. Denn über die PR und die daraus folgende Sichtbarkeit in den klassischen Medien stütze ich meine Glaubwürdigkeit.
Viele Frauen wagen sich auf Social Media nicht aus der Deckung, weil sie Angst vor einer Blamage oder sogar einem „Shitstorm“ haben. Wie berechtigt ist diese Befürchtung?
Davon sollten sich Frauen auf keinen Fall abhalten lassen. Schauen wir uns den Algorithmus an: Wenn jemand gerade erst auf der Plattform startet, gibt es auch nur wenige Kontakte. Von diesen Kontakten sieht nur ein Bruchteil das Posting. Die Gefahr eines „Shitstorms“ ist also recht klein. Natürlich kann ich die Bedenken trotzdem nachvollziehen. Aber: Was offline funktioniert, funktioniert auch online. Wenn Sie also einen schrägen Kommentar eines Kollegen fürchten: Reagieren Sie genauso, wie Sie es auf dem Flur im Büro machen würden.
Wie baue ich mir denn eine Personenmarke auf, damit ich überhaupt mit dem Personal Branding loslegen kann?
Hier helfen verschiedene Fragen, die übrigens auch eine schöne Lernreise zu sich selbst sein können. Sie lassen sich auch im Tandem bearbeiten:
- Wurden Sie schon öfter angesprochen auf Ihre Expertise, im Sinne von: „Das müsstest Du mal öffentlich sagen“, „Damit müsstest Du mal auf die Bühne“, „Toll, wie gut Du Dich da auskennst“? Also: Was können Sie richtig gut?
- Wenn ich nachts geweckt werde – über welches Thema könnte und würde ich gern sofort eine Keynote halten, was ist meine Herzensangelegenheit, meine Kernbotschaft?
- Was will ich erreichen?
Übrigens erleben in meiner Beratung viele Frauen dabei auch einen echten Aha-Moment, wenn sie feststellen: Meine Personal Brand hat nicht zwingend etwas mit meinem aktuellen Job zu tun. Denn die Wahrnehmung nach außen oder die Kernbotschaft kann z.B. auch über ein Ehrenamt funktionieren. Oder ich stecke in einer Rolle, die gar nicht mehr für mich passt.
Was machen die sichtbaren Rolemodels, die wir alle kennen, aus Ihrer Sicht richtig?
Das sind vor allem drei Punkte:
- Sie haben keine Angst vor Sichtbarkeit.
- Sie haben verstanden, wie die Dynamik hinter Social Media funktioniert.
- Diejenigen, die wirklich nachhaltig sichtbar sind, stehen für bestimmte Themen.
Es gibt zwar auch einige schillernde Rolemodels, die sichtbar sind, bei denen nicht ganz klar ist, wofür sie stehen. Das liegt daran, dass sie nur trendbasiert agieren und quasi auf jeden Zug, sprich jedes Trendthema, aufspringen. Und darum geht es ja: Werde ich empfohlen, wenn in einer Runde beispielsweise eine Speakerin für einen Vortrag gesucht wird oder eine Führungsposition zu besetzen ist? Wenn ich mich klar als Expertin positioniert habe, wird mein Name fallen. In meinem Buch habe ich übrigens mehr als 25 verschiedene Rolemodels interviewt, in allen Alters- und Karrierestufen. So können die Leser:innen die Tipps der Frauen nutzen, mit denen sie sich am stärksten identifizieren.
Der erste Schritt ist ja meist am schwierigsten. Wie können Frauen erfolgreich auf LinkedIN agieren?
Sie sollten sich einmal Mühe mit ihrem Profil geben. Ein aktuelles Foto, eine treffende Beschreibung, und vor allem: Das Thema, für das sie stehen sollte klar zu erkennen sein. Dann geht es zunächst gar nicht um eigenen Content und große Artikel. Folgen Sie Diskussionen und kommentieren Sie als Expertin. Wenn es doch um Beiträge geht: Wählen Sie Formulierungen so, wie es zu Ihrer derzeitigen Situation passt. Damit können Sie immer posten und punkten – ob als Vorstandsmitglied oder Werksstudentin.
Woher kam die Motivation für das Buch, warum brennen Sie so für das Thema Personal Branding?
Schon in meiner Arbeit als PR-Beraterin habe ich für Kund:innen früh Personal Branding gemacht, ohne es so zu nennen – beispielsweise für Elena Gatti, mit der ich mein erstes Buch „Digitales China“ geschrieben habe. Das wurde mir erst klar, als wir LinkedIn ausprobiert haben – international hatte die Plattform schon viel früher mehr Bedeutung.
Ich habe mich dann schließlich 2019 entschieden, nur noch auf Personal Branding zu setzen, und in 2022 dann auch das Personal Branding Institut gegründet. Für mich ist es einfach wichtig, noch viel mehr Frauen sichtbar zu machen, dazu möchte ich einen Beitrag leisten.
Was wünschen Sie sich, was sollte Ihr Buch bewirken?
Es wäre großartig, wenn es mehr Wertschätzung und Aufmerksamkeit für Personal Branding geben würde. Die Leserschaft sollte bewusst mit Social Media umgehen und die Chancen nutzen, die darin liegen. Männer spiegeln mir übrigens, dass sie darin auch wertvolle Tipps finden und das Buch ihr Bewusstsein dafür erhöht, welche Herausforderungen es gerade für Frauen beim Thema Sichtbarkeit gibt.
Christina Richter ist Gründerin und Geschäftsführerin des Personal Branding Instituts. Bereits seit 7 Jahren konzentriert sie sich dabei im Wesentlichen auf LinkedIn als Kanal und hat in dieser Zeit 15 Top Voices begleitet. Insgesamt hat sie mehr als 1.500 Personal Brands mitentwickelt und 150+ Führungskräfte rund um das Thema trainiert. Gemeinsam mit ihrem Team gibt sie ihren Kund:innen die nötige Strategie und die richtigen Werkzeuge an die Hand, sich in ihrem jeweiligen Fachbereich als Thought Leader zu positionieren. Am Weltfrauentag 2023 erschien ihr Buch „Sichtbare Frauen – So nutzt du LinkedIn & Co. als Karrierebooster“ im Campus Verlag.