Ist die Serienwelt durch Streamingangebote wirklich vielfältiger geworden? Eine von der Film- und Medienstiftung NRW, dem ZDF und der MaLisa Stiftung geförderte Studie liefert dazu erstmals eine Untersuchung der in Deutschland abrufbaren Streaming- und SVOD-Serien.
Zwar mag sehr schnell der Eindruck entstehen, dass die Serienwelt durch Streaming-Angebote wie Netflix und Amazon Prime vielfältiger geworden ist, worin diese Vielfalt besteht, sollte jedoch im Detail analysiert werden. Denn gerade wenn es um Geschlechterdarstellungen geht, sind Filme und Serien nach wie vor von vielen Stereotypen geprägt. Die Studie »Geschlechterdarstellungen und Diversität in Streaming- und SVOD-Angeboten«, die unter der Leitung von Prof. Dr. Elizabeth Prommer am Institut für Medienforschung der Universität Rostock durchgeführt wurde, nimmt sich diesem Thema an.
Sie liefert erstmals eine Bestandsaufnahme der Darstellungen hinsichtlich Geschlecht, sexuelle Orientierung und ethnische Zuschreibung in den fiktionalen seriellen Auftragsproduktionen (SVOD Originals) der am deutschen Markt tätigen Streaming- und Subscription Video on Demand-Plattformen. Untersucht wurden knapp 200 Serien von Anbietern wie Netflix, Amazon Prime, Sky und TNT Deutschland, die zwischen Januar 2012 und Juli 2019 auf den Plattformen veröffentlicht wurden. Dabei handelt es sich sowohl um deutsche Produktionen als auch um Produktionen aus anderen Ländern. Gefördert und unterstützt wurde die Studie durch die Film- und Medienstiftung NRW, das ZDF (Zweites Deutsches Fernsehen) und die MaLisa Stiftung. Die Ergebnisse wurden am 22. Oktober 2020 veröffentlicht.
»Mit unserer Beteiligung an dieser Studie wollen wir zur Transparenz auf dem Streaming-Markt beitragen, für den bislang keine Erkenntnisse vorlagen«, so Dr. Florian Kumb, Leiter der ZDF-Hauptabteilung Programmplanung, zu den Beweggründen des Senders, die Studie zu unterstützen. Auch für die Geschäftsführerin der Film- und Medienstiftung NRW, Petra Müller, füllt die Studie eine wichtige Lücke: »Der Diskurs über Frauenbilder und Diversität in den Medien hat spürbare Veränderungen angestoßen. Lineares Fernsehen, Film, YouTube, Streaming-Serien – die Studien der Uni Rostock schaffen Bewusstsein, sie liefern Daten und Fakten, mit denen sich die Verantwortlichen und Kreativen der Branche auseinandersetzen müssen. Deshalb ist die Film- und Medienstiftung NRW als Förderer von Beginn an mit Überzeugung dabei.«
Die Kernergebnisse der Untersuchung zeigen, dass Frauen im Vergleich zu Männern auch in Streaming-Angeboten unterrepräsentiert sind. Ihre Vielfalt ist eingeschränkt, Geschlechterstereotype bleiben verankert: Frauen kommen seltener vor, sind jung und haben genormte schlanke Körper. Sie treten in Berufen auf, die ihre emotionale Kompetenz betonen. Deutsche Produktionen zeigen mit 35 Prozent am wenigsten Frauen in zentralen Rollen. Insgesamt gibt es einen deutlichen Altersgap: Zentrale Rollen ab 35 Jahren sind fast doppelt so oft mit Männern wie mit Frauen besetzt. Ab 50 Jahren beträgt das Verhältnis 3:1.
Für Maria Furtwängler, Co-Gründerin der MaLisa Stiftung, zeigen die Ergebnisse, »wie wichtig es ist, dass man gefühlten Wahrheiten Fakten gegenüberstellt. Und die zeigen: In einigen Punkten mögen internationale Streaming-Angebote insgesamt diverser sein als die klassischen, linearen. Bei der Darstellung von Frauen sind sie es jedoch keineswegs. Wie schade, dass das Publikum weiterhin auf weibliche Vorbilder in all ihrer Vielfalt verzichten muss.«
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