Österreich führt ein internationales Ranking an. Grund zur Freude besteht jedoch nicht. Die Rede ist nicht von einem Ranking um die Lebensqualität der Hauptstadt Wien, es geht nicht darum, wer die meisten Ski-Goldmedaillen gewonnen hat oder die biologischste Landwirtschaft hat. Sondern: Österreich ist das einzige Land in Europa, in dem konstant mehr Frauen als Männer getötet werden. Das geht aus den aktuellsten Erhebungen der Euro-Stat hervor, die mit Zahlen aus den Jahren 2016-2018 zustande kamen.
Femizide finden in den eigenen vier Wänden statt
In den vergangenen zehn Jahren sah das Verhältnis von ermordeten Männern und Frauen nur in selten anders aus. Im internationalen Vergleich ist das äußert ungewöhnlich und lässt sich laut Expert*innen nur so erklären, dass Männer meist in kriminellen Subkulturen getötet werden, die es in Österreich kaum gibt. Frauen hingegen werden in ihren eigenen Wohnungen ermordet. Es sind die Ehepartner, Ex-Freunde und Familienmitglieder, die Frauen Gewalt zufügen oder töten.
2021 wurden in Österreich bereits 14 Femizide verübt. Femizide sind Morde an Frauen aufgrund ihres Geschlechts, die meist von Personen aus dem Umfeld des Opfers ausgeübt werden. Was Femizide jedenfalls nicht sind, sind Beziehungsdramen mit tragischem Ausgang. Sie sind oft der finale Schritt in einer schon lange gewalttätigen Beziehung. In einigen Fällen wurden gegen den späteren Mörder bereits Betretungs- und Annährungsverbote verhängt. Doch die Dunkelziffer, also Gewaltopfer, die sich nicht an die Polizei oder entsprechende Einrichtungen wenden, ist hoch.
Finanzielle Abhängigkeit als Risikofaktor
Gewalt gegen Frauen ist ein systematisches Problem und eng mit Sexismus und patriarchalen Strukturen verbunden, in denen Männern der Umgang mit Gewalt gelehrt wird und Frauen in Beziehungen von ihren Partnern finanziell abhängig sind. Finanzielle Unabhängigkeit ist eine Voraussetzung dafür, einen gewalttätigen Partner verlassen zu können. Von ökonomischer Gewalt spricht man zudem, wenn Geld als Druckmittel gegen eine im Raum stehende Trennung verwendet wird. Es wird dem Entzug von Unterhalt gedroht und mit existenziellen Ängsten gespielt.
In den kommenden Wochen erwartet Sie bei SHEconomy umfangreiche Berichterstattung rund um das Thema Gewalt gegen Frauen. Berichte, Interviews und Stimmungsbarometer geben Aufschluss darüber, wie die Gewalt-Zahlen in verschiedenen Ländern zustande kommen. Wir berichten über die sicherheitsrechtliche Situation von Frauen weltweit und fragen nach, wie es derzeit in den Frauenhäusern zugeht. Die alarmierenden Zahlen erfordern es, genauer hinzusehen, denn Gewalt an Frauen geht uns alle etwas an.
Anlaufstellen für Gewalt-Betroffene:
Frauenhelpline (Mo-So, 0-24 Uhr, kostenlos): 0800 / 222 555
Männerberatung (Mo-Fr, Ortstarif): 0720 / 70 44 00
Männernotruf (Mo-So, 0-24 Uhr, kostenlos): 0800 / 246 247
Telefonseelsorge (Mo-So, 0-24 Uhr, kostenlos): 142