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Sexismus: Dein Geschlecht ist schlechter als meins

Ein Gastkommentar von Anke van Beekhuis

Es war einer der einprägsamen Momente in meiner Berufslaufbahn: Als junge Technikerin entdeckte ich auf einer Baustelle ein (gezeichnetes) Nacktbild, das mich darstellen sollte. Dazu gab es all das, was sich so als Klischeefrauenbild unter Bauarbeitern „eralpträumen“ lässt: Pfiffe, blöde Sprüche und die allgegenwärtigen Nacktkalender in den Baubüros.

Das ist mittlerweile 20 Jahre her – geändert hat sich nicht viel. Leider müssen wir auch im Jahr 2021 weiterhin darüber reden, dass Frauen Sexismus erleben. Er ist vielleicht nicht mehr ganz so offensichtlich und ungeniert vorgetragen wie damals, aber er existiert und hält sich beharrlich. In vier Kolumnen möchte ich Ihnen aus unterschiedlichen Perspektiven wie und wo Sexismus passiert, wie man damit umgeht und was man tun kann, um etwas zu ändern.

Lassen Sie mich dazu aber erst einmal mit zwei weitverbreiteten Irrtümern aufräumen: Sexismus beginnt nicht erst dort, wo es wirklich dramatisch wird. Lange vor unangemessenen Berührungen, sexueller Belästigung und #MeToo passieren viele Dinge, die alles andere als harmlos sind. Und: Es gibt nicht nur den klassischen Sexismus von Männern gegenüber Frauen, sondern es können sich auch Frauen gegenüber Frauen und Männer gegenüber Männern sexistisch verhalten.

Wir alle kennen das Wort Sexismus (von lat. „sexus“, das Geschlecht) seit Jahrzehnten zur Genüge. Doch in den letzten Jahren hat sich dessen Bedeutung gewandelt. Neben der „klassischen“ geschlechtsbezogenen Diskriminierung (frauenfeindliche Witze oder Andeutungen, wie „Die hat sich ja nach oben geschlafen.“) gibt es auch einen „modernen Sexismus“. Dieser zeigt sich indirekt und subtil, wenn Menschen z.B. Maßnahmen ablehnen, die darauf abzielen, soziale Ungleichheiten zwischen Mann und Frau abzubauen oder auch aufzudecken (erinnern Sie sich an #MeToo und wie sich schnell zwei gegensätzliche Lager formiert haben).

Aussagen, wie „Jetzt weiß man ja schon gar nicht mehr was man tun darf“ oder „Das war vielleicht früher mal ein Problem, aber sicher nicht mehr jetzt“ sind klassische Beispiele für „modernen Sexismus“ (auch Neosexismus genannt): Es ist der Konflikt zwischen Gleichheit und der geringeren Relevanz bzw. Wertigkeit von Frauen – und wir haben Aspekte davon wohl schon alle im Alltag erlebt: Weibliche Teilnehmer an Besprechungen, die nicht erwähnt oder einbezogen werden („Guten Tag, meine Herren!“) oder Frauen, die bei Bewerbungsgesprächen auf ihr Äußeres reduziert werden („Sind Sie nicht zu hübsch für diese Position?“). Nur zu gut kennt manche Frauen auch das Links Liegen Gelassen werden, wenn es um die Besetzung von Projekten oder Leitungsfunktionen geht.

Die Steigerungsform ist der hostile (feindliche) Sexismus. Dabei werden Frauen angepfiffen oder auch direkt auf sexuelle Aktivitäten angesprochen. Diese Art des Sexismus startet meist dem wohlwollenden (benevolente) Sexismus. Auf Sprüche, wie „Du gefällst mir, wollen wir einen Kaffee trinken gehen“ folgt nach höflicher Ablehnung schnell etwas aus der untersten Schublade („Du Bitch glaubst wohl, dass Du etwas Besseres bist. Du brauchst wohl ein paar, damit Du verstehst, dass Du Ja zu sagen hast, wenn dich ein Mann etwas fragt.“). Wie? Das halten Sie für übertrieben und undenkbar? Mir ist das mit an einer Bushaltestelle passiert. Und wenn Sie sich ein bisschen in Ihrem Freundeskreis umhören, werden Sie vermutlich viele ähnliche Geschichten hören. Oder Fragen sie einfach einmal ihre Töchter oder Ehefrauen und Lebensgefährtinnen.

Und dann gibt es noch den wohlwollende Sexismus, der zwar harmlos klingt, aber nur eine andere Facette der Diskriminierung ist – und eine, die sich sehr oft im Berufsleben zeigt. Sie haben folgende Aussagen vermutlich schon oft mitangehört: „Es freut mich aber ganz besonders, dass heute auch eine gutaussehende Frau dabei ist.“ oder „Das freut uns sehr, so wunderschöne Damen in unserer Runde zu haben.“

Diese expliziten Erwähnungen des weiblichen Geschlechts sind brutale Reduktion, getarnt hinter einem vermeintlichen Kompliment. Das Perfide erkennt man rasch, wenn man die geschlechtsbezogenen Wörter weglässt: „Es freut mich sehr, dass so viel Experten und Expertinnen in dieser Runde sitzen. Ganz besonders möchte ich die Leistung der Kollegin Y erwähnen, die im letzten Projekt…“ klingt ganz anders und anders wertschätzend.

Fazit: Der Alltag ist voll mit Sexismus – in einem Ausmaß, dass er uns oft nicht einmal mehr auffällt. In meiner Generation haben wir gelernt, mit diesem Missstand umzugehen. War es oder ist es angenehm? Nein! Doch unsere Gesellschaft ändert sich gerade. Junge Männer und Frauen werden im Rahmen ihrer Ausbildung auf Sexismus sensibilisiert und bekommen ein Gefühl dafür, was angemessen ist und was grenzüberschreitend. Das bringt auch Unternehmen in Zugzwang. Als Arbeitgeberin und Arbeitgeber muss ich mir heutzutage Gedanken machen, wie ich mit Sexismus umgehe und welche Maßnahmen ich dahingehend setze.

Lesen Sie in meiner kommenden Kolumne, wie es Frauen und Männern geht, die Sexismus erleben. Dort beleuchte ich auch ein wenig die Wurzeln und Hintergründe von Sexismus in unserer Gesellschaft – und wie man die Motive dahinter besser einschätzen kann.


*Anke van Beekhuis berät Unternehmen in Unternehmenskulturfragen. 2019 erschien ihr Buch „Wettbewerbsvorteil Gender Balance.“ Im Herbst 2020 veröffentlichte sie das Buch „Führungsinstinkt“ im Gabal Verlag.

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