Dr. Nicole Meier ist Betriebsleiterin für die BASF SE in Ludwigshafen am Rhein. Sie verantwortet dort mit 108 disziplinarisch zu führendenden Mitarbeitenden, im Bereich Health & Nutrition die Produktion und Logistik von Riech- und Aromastoffen. Der börsennotierte Chemiekonzern beschäftigt in mehr als 80 Ländern über 110.000 Mitarbeitende an über 390 Produktionsstandorten. Nicole hat Chemie studiert, trat 2006 ins Unternehmen ein und übernahm 2017 die Betriebsleitung. Sie gehört zu den 4 % weiblicher Betriebsleitungen am Standort. Im Gespräch mit Nicole Bastien, verrät sie welche Herausforderungen sie in ihrer Karriere meistern musste und wie sie dadurch beeinflusst wurde.
Was bedeutet Führen für dich?
Für mich heißt Führen, meine Mitarbeitenden darin zu unterstützen, erfolgreich zu sein. Dafür müssen sie ein Umfeld zur Verfügung haben, in dem sie das vorfinden, was sie zum Arbeiten und zum persönlichen Wachstum benötigen. Ich sehe es als meine Verantwortung, dieses Umfeld zu schaffen. Dazu gehört für mich auch, meinen Mitarbeitenden Sinn und Werte zu vermitteln und einer gemeinsamen Vision zu folgen. In meinem Alltag muss ich viele Themen gleichzeitig bearbeiten. Nicht immer läuft es dabei rund. Veränderungen akzeptieren und willkommen heißen ist deshalb etwas, das ich früh gelernt habe. Mir hilft dabei meine Einstellung, einfach mal machen und mutig sein.
Was unterscheidet dich von anderen Führungskräften?
Ich gehöre zu den 4% weiblichen Betriebsleitern am Standort. Ich zeige mich wie ich bin: menschlich, nahbar, auch sensibel – in einem stark männlich dominierten Umfeld. Ich kombiniere weibliche Intuition und Ratio und bringe meine wichtigsten Werte (Respekt, Offenheit, Herzlichkeit und Kreativität) ein. Yoga und Meditation helfen mir dabei mich selbst zu führen und stärken meine Intuition. Je mehr ich in mir ruhe, umso größer ist mein Vermögen mein Team durch jede Krise zu führen.
Was war deine größte Führungsherausforderung und wie hast du sie gelöst?
Gleich zu Beginn meiner Arbeit als Betriebsleiterin sind zwei sehr erfahrene Mitarbeiter in Rente gegangen. Durch ihre starke fachliche Präsenz hatten sie auch die Führung übernommen. Das Umfeld war stark hierarchisch geprägt und es wurde nach Anweisung und Vorgaben gehandelt. Ich habe dann damit begonnen, meinen Mitarbeitenden Verantwortung zu übertragen, Ver- und Zutrauen zu schenken und Lernräume zu eröffnen. Heute finden wir Lösungen im Team. Das Schwarmwissen hat den Abgang der fachlichen Expertise kompensiert und wir arbeiten in selbstorganisierten Teams.
Eine zweite Herausforderung war für mich, als sich ein Mitarbeiter über mich als unfähige Chefin in der gesamten Organisation, auch schriftlich bei unserer Bereichsleitung, beschwert hatte. Mich hat das zuerst sehr wütend gemacht. Meine Lösung war jedoch nicht, in den Angriff zu gehen und mich zu rechtfertigen. Stattdessen habe ich versucht, aus der Perspektive dieses Mitarbeiters auf die Sache zu schauen und seine Motivation für diese Äußerungen zu verstehen. Ich glaube, es war große Zukunftsangst, Machtverlust und sein vehementes Festhalten am vom ihm geschaffenen Status Quo. Leider konnten wir keine gemeinsame Lösung finden und mussten uns letztendlich trennen. Das war mein Learning: Wenn es Dich zu viel Kraft und Energie kostet Einzelne auf die Reise mitzunehmen, dann ist Trennung ein legitimes Mittel, um danach wieder Fahrt aufzunehmen.
Was oder wer hat dich auf deinem Weg als Führungskraft besonders geprägt?
Mein jetziger Chef. Er hat mir den Job als Betriebsleiterin zugetraut, bevor ich es getan habe. Zudem habe ich eine Ausbildung in systemisch-integrativem Change Management, die mir sehr hilft. Wir haben eine hohe Veränderungsrate, wie z.B. neue Software, Umstrukturierungen, neue Technologien und Produkte. Durch meine Ausbildung habe ich gelernt, klar zu kommunizieren, mir immer wieder Rückmeldung zu Inhalten oder Prozessen einzuholen, harte und weiche Faktoren zu integrieren und vor allem meine Mitarbeitenden mitzunehmen. Während meiner Ausbildungszeit habe ich auch verstanden, welche Bedeutung Persönlichkeitsentwicklung und Selbstreflexion für Führungskräfte haben.
Wenn es diesen einen Rat gäbe, was eine gute Führungsperson und gute Führung ausmacht, welcher wäre es für dich?
Gute Führung schafft ein vertrauensvolles Arbeitsumfeld, das eine offene Fehlerkultur pflegt. Die kollektive Intelligenz und Kreativität der Mitarbeitenden werden genutzt, in dem sie größtenteils stärkebasiert eingesetzt werden und sich weiterentwickeln können. Gute Führung muss auch Strukturen und Prozesse aufbauen, so dass schnell auf sich verändernde Situationen reagiert werden kann. Eine gute Führungskraft hat meinem Verständnis nach ein echtes Interesse an ihren Mitarbeitenden. Sie hört gut zu, ohne direkt zu (be)werten. Durch ihr Einfühlungsvermögen erkennt und fördert sie die Stärken ihrer Mitarbeitenden. Sie teilt ihre Visionen und gibt dadurch Sinn. Selbstredend entwickelt sich eine gute Führungsperson sich selbst kontinuierlich weiter. Ziel sollte sein, dass sie ein System schafft, in dem sie selbst überflüssig wird.
Nicole Bastien ist Coach, Leadership Visionary und Autorin, die mit der Reihe Shades of Leadership menschliches Führungshandeln und herausragende Führungspersonen aufspürt.
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Führen ist nicht Managen und immer facettenreich. Die Facetten greifen wir in Shades of Leadership auf uns stellen Führungspersonen in den Mittelpunkt, die neben einer klaren Vorstellung von Führung sich trauen, sie selbst in ihrem Führungshandeln zu sein. Sie entsprechen keiner Schublade eines bestimmten Führungsstils, sondern sind durch ihren eigenen Spürsinn für Führung bemerkenswerte Role Models.