Das deutsche LegalTech Startup LEX AI will eine Plattform schaffen, auf der sich Rechtsanwaltskanzleien schnell und einfach über neue Gesetzesentwürfe und Regelungen informieren können. Dr. Susann Funke, CEO und Legal Officer bei LEX AI, im Interview mit SHEconomy.
Worum geht es in Ihrem Startup und welches Problem lösen Sie damit?
Die LEX AI ist ein LegalTech Startup, das es sich zum Ziel gesetzt hat, insbesondere Rechtsanwaltskanzleien und Rechtsabteilungen im Research sowie bei der Wissensgenerierung, -verarbeitung und -aufbereitung im Bereich der regulatorischen Vorgaben effizienter zu machen.
Ausgangspunkt des Geschäftsmodells für LEX AI ist die kontinuierlich steigende Komplexität der europäischen und nationalen Vorschriften (jedes Jahr rund 2000 neue Rechtsakte allein auf EU-Ebene). Anwaltskanzleien müssen im Interesse bestehender und potenzieller neuer Mandanten immer auf dem Laufenden über neue Gesetzesentwürfe und Regelungen sein. Diese ständig erforderlichen Aktualisierungs- und Wissensaufbautätigkeiten sowie die damit verbundene Geschäftsentwicklungsarbeit können in der Regel nicht als „Billable Hours“ gegenüber Kunden abgerechnet werden und sind somit hohe Opportunitätskosten.
Auch unternehmensinterne Rechtsabteilungen in Konzernen stehen massiv unter Druck, neue Rechtsakte zu prüfen, sie zu verstehen und die Auswirkungen auf ihr Unternehmen zu bewerten. Sie müssen die Rechtsakte so aufbereiten, dass sie im Unternehmen verstanden und effizient umgesetzt werden können.
Unsere Lösung soll aber nicht nur von Anwält*innen oder Unternehmensjurist*innen genutzt werden, sondern von allen, die sich mit regulatorischen Neuerungen und Fragestellungen beruflich befassen müssen. Dazu zählen wir Unternehmensberatungen, Wirtschaftsprüfer*innen, Verbände sowie Vertreter*innen aus der Politik und Verwaltung. Unser Claim „Expert Legal Insights“ steht für einen innovativen und zeitsparenden Zugang zu nationalen und internationalen Regulierungen, Gesetzen und rechtlichen News.
Eine einfach zugängliche IT-Plattform, um dieses Problem zu lösen, die vom Smartphone, Tablet oder PC genutzt werden kann und die Rechtsexpert*innen untereinander vernetzt, gibt es derzeit noch nicht.
Was ist derzeit die größte Herausforderung für Ihr Startup?
Wie alle Technologie Startups stehen wir vor vielen verschiedenen Herausforderungen. Da wir eine hochinnovative IT-Plattform entwickeln, die im Hintergrund mit komplexen Machinelearning Algorithmen sowie Künstlicher Intelligenz arbeitet, investieren wir derzeit viel Zeit in das Produktdesign und die Entwicklung. Parallel sind wir bereits sehr stark in unserem Zielkundensegment aktiv, um potentielle Nutzer*innen, aber auch Partner*innen für LEX AI zu gewinnen.
Als Herausforderung im Zielkundensegment der Anwält*innen sehen wir die durchaus vorhandene Skepsis gegenüber der Nutzung von neuen Technologien. Es gibt nach wie vor noch Anwält*innen, die technischen Neuerungen gegenüber nicht sehr aufgeschlossen sind, den Mehrwert nicht erkennen oder die Nutzung schlichtweg ablehnen. Sie sehen nicht, dass sich die Bedürfnisse der Mandant*innen in der heutigen, schnelllebigen Welt massiv geändert haben. Hier gilt es, Berührungsängste abzubauen.
Unsere Plattform wird den Anwalt oder die Rechtsabteilung nicht ersetzen, aber eben viel effizienter machen. Auch die Mandant*innen, in den meisten Fällen Unternehmen, erwarten von ihren Anwält*innen, dass diese hocheffizient arbeiten und hierzu alle technischen Möglichkeiten zur Optimierung ihrer Wertschöpfung nutzen.
Wie alle Startups benötigen wir zudem gut ausgebildete und hochmotivierte Mitarbeiter*innen, sowohl in der IT-Entwicklung, als auch im rechtlichen Bereich, um unsere Produkte in einem innovativen Legal Design aufzuarbeiten und eine hohe Qualität sicherzustellen. Wir sind aber sicher, dass wir für unser Geschäftsmodell entsprechendes Interesse wecken können. Die ersten Expert*innen haben wir bereits an Bord.
Wie sind Sie mit der Entwicklung Ihres Unternehmens zufrieden?
Bisher läuft alles nach Plan. Wir konnten sehr erfahrene Angel Investoren gewinnen und sind aktuell dabei einen internationalen Beirat zu etablieren. Er soll uns viele zusätzlichen Impulse liefern und Netzwerke öffnen.
Die Produktentwicklung schreitet kontinuierlich voran und in Kürze werden wir unsere neuen Website launchen. Wir haben zudem erste Anfragen von spannenden, internationalen VC Investoren für die Seed Runde erhalten, die den LegalTech Sektor als Zielsegment entdeckt haben.
Wo soll die Reise noch hingehen?
Wir wollen die internationale LegalTech Plattform werden, die es Nutzer*innen ermöglicht, keine regulatorischen Entwicklungen mehr zu verpassen. Unsere User*innen können sich schnell über solche Entwicklungen informieren und aktiv an der Legal Experts-Community teilnehmen, die wir auf LEX AI zusammenbringen.
Welche drei Eigenschaften helfen Ihrem Unternehmen dabei, erfolgreich zu sein?
Als erstes würde ich unser diverses und erfahrenes Gründerteam nennen, das man nicht mit den typischen Startup-Gründer*innen vergleichen kann. Jede*r bringt viele Jahre Erfahrung aus verschiedenen Unternehmen und Beratungsmandaten ein. Durch diesen breit gefächerten Hintergrund haben wir einen Effizienzvorteil beim Aufbau der erforderlichen Strukturen, der technischen Plattform, bringen aber auch ein großes internationales Netzwerk ein. Wir ergänzen uns hervorragend! Zudem haben wir sowohl ein tiefes juristisches, fachliches als auch das technische Know-How an Bord. Und unsere Unternehmenskultur, in der wir ein sehr flexibles Arbeiten ermöglichen, wird auch zum Unternehmenserfolg beitragen.
Gibt es eine Entrepreneurin die Sie als Vorbild sehen würden?
Im deutschen Raum würde ich Verena Pausder nennen. Ich finde es beeindruckend, wie sie das Thema Digitalisierung im Bildungsbereich kontinuierlich und beharrlich vorantreibt. Ich finde es zum Beispiel aber ebenso beeindruckend, was Jessica Alba in den USA mit „The Honest Company“ im Bereich nachhaltige Pflege und Kosmetik erreicht hat.
Was wären Ihrer Meinung nach die nächsten wichtigen Schritte in Richtung Gender Equality?
Ich denke, dass die Quotenregelung noch weiter ausgebaut werden muss. Ich bin eigentlich keine Befürworterin einer Quote, weil ihr grundsätzlich etwas Negatives anhaftet. Die Vergangenheit hat uns jedoch gelehrt, dass anders wohl keine Gender Equality zu erreichen sein wird. Denn wenn man ausschließlich auf Freiwilligkeit setzt, bewegt sich leider zu wenig.
Ansprechender würde ich es jedoch finden, wenn Unternehmen freiwillig eine Gender Equality Strategie einführen und zu einem festen Bestandteil der Corporate Governance machen würden. Gleichstellungsziele sollten festlegt, Hindernisse erkannt, Lösungswege gefunden und entsprechend umsetzt werden.
Welches Klischee rund um Frauen als Gründerinnen können Sie nicht mehr hören?
Besonders im technischen Bereich hört man immer wieder, dass Frauen keine „Ahnung von Technik“ haben. Frauen wird jegliche technische Affinität abgesprochen. Dies spiegelt sich auch in aktuellen Studien wider: es wird weniger Kapital in von Frauen geführte Unternehmen investiert.
Ich höre aber auch, dass Frauen erst noch lernen müssten, zu führen. Das ist meiner Ansicht nach schlicht falsch. Frauen haben einfach einen anderen Führungsstil. Sie sind es gewohnt, Job und Family zu koordinieren und daher äußerst belastbar – das wird aber nur selten als wertvolle Eigenschaft wahrgenommen.