Julia Bures betreibt mit ihrem Partner Florian Kantor in der Münchner Altstadt das Mini-Burger-Restaurant „Der kleine Flo“. Burger in Tapas-Größe, ob mit Fleisch, vegan oder vegetarisch, die Pattys und das Fleisch kommen aus der Region. Die Idee und Anregung holte sie sich in der spanischen Stadt Málaga, wo sie ein Auslandssemester machte. SHEconomy-Herausgeberin Yvonne Molek hat die Stimmung gemessen.
Zurückblickend auf das vergangene Jahr, die vergangenen Wochen. Was war die größte Enttäuschung?
Die größte Enttäuschung für uns war mit Sicherheit das Verhalten unserer (und vieler anderer) Versicherungen im Schadensfall der Betriebsschließung, aber auch die „Bayerische Lösung“ (15 Prozent der Schadenssumme) in diesem Zusammenhang. Wir hätten uns weniger Taktieren, mehr Transparenz und vor allem Verantwortungsübernahme der Versicherer mit einem fairen Angebot gewünscht und das ohne komplizierte (Ausschluss!) Klauseln und Bedingungen. Im Endeffekt hat man die Verantwortung wieder auf die Ebene der Gerichte verschoben, statt mit den Betroffenen direkt Lösungen zu finden, die wirklich helfen. Damit wurde auch wieder einmal denjenigen der Weg zum Recht erschwert, die keinen entsprechend langen Atem oder keine finanziellen Mittel für einen solchen langwierigen gerichtlichen Prozess haben. In der Krise zeigt sich leider eben doch der Charakter oder das Wertesystem der Institution und das kann enttäuschen.
Das vergangene Jahr stellte uns alle vor Herausforderungen. Was war die beste Erfahrung, auf die Sie in diesem Zeitraum zurückblicken können?
Der Zusammenhalt im Team, aber auch die Treue unserer Gäste waren besonders schöne Erfahrungen in dieser Zeit. Ich denke, die Krise hat uns als Team noch mehr zusammengeschweißt und gezeigt, dass man füreinander da ist, auch wenn es mal nicht so rosig läuft. Gleichzeitig haben wir viele liebe Stammgäste, die uns stets weiterhin unterstützt haben, auch wenn unser Mini-Burger-Erlebnis aktuell ein anderes ist. Und schließlich war es irgendwie auch schön, die eigene Selbstwirksamkeit zu spüren, nämlich gerade dann, wenn Hilfs- und Schadenszahlungen vielleicht nicht im erwarteten Umfang oder der erhofften Schnelligkeit ankommen. Bei aller Kritik bin ich auch dankbar dafür, dass wir hier in Deutschland die Möglichkeit zur Kurzarbeit haben und Staatshilfen erhalten, auch wenn sich über die richtige Ausgestaltung mit Sicherheit diskutieren lässt.
Vorausschauend auf die „Zeit danach“: Würden Sie sich wünschen, dass alles so wird wie vor der Pandemie oder werden Sie mit neuen Innovationen das Geschäftsmodell anpassen?
Die Pandemie hat uns die Chance gegeben, neue Konzepte innerhalb unseres bestehenden auszuprobieren, was eine tolle und lehrreiche Erfahrung war. Hier nehmen wir ganz sicher viele Ideen für die Zukunft mit. Auch konnten wir die Zeit nutzen, um unsere Digitalisierungsthemen und einige Projekte, die schon längst in den Startlöchern standen, voran zu bringen. Insgesamt muss ich jedoch sagen, dass wir Innovationen unabhängig von der Pandemie als Teil unseres Wertesystems betrachten und somit auch ohne Krise versuchen, stets unsere Prozesse und Produkte weiterzuentwickeln. Unser Leitwort ist in diesem Zusammenhang „Kaizen“ – die Veränderung hin zum Besseren – und daran halten wir natürlich auch nach der Pandemie fest.
Was wird die größte Herausforderung in den kommenden Monaten sein?
Ich würde hier die mangelnde Planbarkeit nennen. Auch wenn Unvorhergesehenes doch auch irgendwie zum Unternehmer/innen-Alltag dazugehört, ist die Situation aktuell eine andere. Ich kann schlechter über einen längeren Zeitraum planen. Das beginnt schon bei der Einstellung neuer Team-Mitglieder, über die Entscheidung des Ausbaus eines Take-Away-Konzeptes versus Inhouse Konzept. Und, sofern es wieder richtig losgeht, ist mit Sicherheit auch das schnelle Hochfahren der „alten Systeme“ für die ein oder andere Branche eine Herausforderung. Ich denke jedoch, dass darin eben auch eine Chance steckt und vielleicht ist diese hier in Deutschland, dass wir Strukturen schnell aufbauen mussten, die sonst noch lange hätten auf sich warten lassen. Wie zum Beispiel der Ausbau des Homeoffice, digitale Messen, digitale Bestellsysteme und Vieles mehr. Wenn wir diese Strukturen weiterhin nutzen und erweitern, kann dadurch meiner Meinung nach unser Alltag langfristig flexibler werden und es können neue Möglichkeiten für die Zusammenarbeit, aber auch zum Beispiel für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gerade für Frauen entstehen.
Als Plattform der Frauen-Netzwerke in Deutschland und Österreich interessiert uns natürlich: Sind Sie in einem Netzwerk aktiv? Und welche Bedeutung hat es für Sie, sich in Zeiten wie diesen mit Kolleginnen und/oder Gleichgesinnten auszutauschen?
Seit knapp eineinhalb Jahren bin ich Mitglied im VdU, dem Verband deutscher Unternehmerinnen. Auch wenn jeder aktuell mit unterschiedlichen Herausforderungen zu kämpfen hat, ist es schön zu wissen, dass man sich im Verband jederzeit austauschen kann und so von den Erfahrungen anderer lernt. Ich finde solch ein Netzwerk zu jeder Zeit wertvoll, denn man kann gerade als Gründer/in nicht alles wissen und somit ist dieser Erfahrungsaustausch Gold wert. Auch herrscht nach meinem Empfinden in solch einer Umgebung ein ganz anderes Vertrauensverhältnis. Man unterstützt sich gegenseitig und kann offen über Themen und Herausforderungen sprechen, ohne das Gefühl zu haben, Teil einer Verkaufsverhandlung zu sein.
https://derkleineflo.de/