von Martin Foussek
September 2008 – ein Donnerstagmorgen, nach einer ziemlich chaotischen Woche. Lehman Brothers hat am Montag Insolvenz angemeldet. Die Finanzkrise hatte begonnen und ich war auf dem Weg nach München. Damals war ich noch Projektleiter bei einer großen Unternehmensberatung. Damals wusste ich noch nicht, dass wir im nächsten Monat die größte Rettungsaktion einer Bank in Deutschland der Nachkriegsgeschichte orchestrieren würden.
Am Ende musste der Steuerzahler in Deutschland für über 100 Milliarden Euro geradestehen – mittels Eigenkapitaleinlagen und Bürgschaften. Nach vielen Monaten und unzähligen Nächten war es uns gelungen, den Zusammenbruch der deutschen Finanzindustrie (und wahrscheinlich auch jener Europas) zu verhindern. Was wir zu Recht als Erfolg verbuchten, hatte den Steuerzahlern am Ende viel abverlangt. Die Auswirkungen des ganzen finanziellen Chaos, das auf globaler Ebene zu Tage getreten war, wurden mir erst später klar.
Glück. Mehr als ich dachte.
Ich hatte Glück. Ich habe 2005 direkt nach der Uni angefangen zu arbeiten und einen angesehenen und gut bezahlten Job bekommen. Als 2008 die Finanzkrise ausbrach, zögerten viele Arbeitgeber:innen, neue Mitarbeiter:innen einzustellen und in vielen Branchen wurden sogar Einstellungsstopps verhängt. Ich hingegen war schon mehr oder weniger gut im Sattel – ich war mitunter für die Restrukturierung von Banken verantwortlich. Gut für mich. Nicht so gut für alle anderen.
Vielen meiner Studienkolleg:innen ging es nicht so gut. Viele, die 2008 und danach ins Berufsleben einsteigen wollten, fanden nicht die Jobs, die sie sich erhofft hatten und die sie einige Jahre früher zu Recht hätten erwarten können. Viele meiner Kolleg:innen in den Vereinigten Staaten – wo ich eine Zeit lange studierte – wurden über Nacht arbeitslos. Ganze Abteilungen und ganze Etagen von Banken, Anwaltskanzleien und Beratungsfirmen wurden massenhaft auf die Straße geschickt. Und nicht nur dort. Auch in London, Frankfurt und Hongkong gingen plötzlich die Lichter aus und die Musik hörte auf zu spielen. Dadurch erlitten viele zu Beginn ihrer Karriere einen Knick, von dem sie sich nicht so schnell erholen würden.
Der Investmentbanker, der Eis verkaufte.
Einer meiner Freunde war Investmentbanker. Er arbeitete in London und dann für einen Investmentfonds. Auch sein beruflicher Werdegang wurde durch die Finanzkrise umgeleitet. Er begann damals mit dem Verkauf von Eis in großen osteuropäischen Städten. Ich wusste, dass er seinen Business Plan sorgfältig erarbeitet und penibel genau gerechnet hatte. Ich war mir sicher, dass er genug Geld zur Hand hatte, um die erste Anlaufphase zu überstehen. Ich wusste, dass er sich und alles, was er konnte, so gut verkaufen konnte, dass er auch mit Eis erfolgreich sein würde. Aber es war ein Gedanke von ihm, der sich bei mir eingebrannt hatte. Er sagte: „Martin, sieh mal. Die Leute sehen Wohlstand; und sie wollen ihn. Sie können ihn sich im Großen nicht leisten, also nehmen sie ihn gerne im Kleinen. Eine Kugel Eis für einen Euro (eine unglaubliche Frechheit für eine Kugel Eiscreme damals, vor allem in einem südosteuropäischen Land) ist absoluter Luxus. Kleiner Luxus. Aber Luxus den man sich leisten kann.“
Gute Leute im Hier und Jetzt.
Das war vor etwa 10 Jahren. Und so ist es auch heute noch. Ganz besonders nach COVID19. Überall in Europa. Die junge Generation – ich meine alle unter 40 (weil ich die 40er-Marke schon geknackt habe) – steht gerne für frisch gebackenes Bio-Dinkelvollkornbrot aus dem Lehmofen für 7,50 Euro das Kilo an und garniert es dann mit Bio-Avocados und einer Sesam-Leinsamen-Mischung. Und es versteht sich von selbst: Ein Dutzend Bilder davon werden auf Instagram geteilt. Oh, uns geht es gut! Aber sie können es sich nicht leisten, Eigentumswohnungen zu kaufen, und es bleibt auch keine Zeit, sich um ihre finanzielle Zukunft zu kümmern. Später. Später dann. Später, wenn alles gut ist.
Übrigens, die Älteren werden immer älter und die staatlichen Rentensysteme (auf die Europa noch weitestgehend angewiesen ist) bekommen immer schmälere Schultern. Es gibt immer mehr Leistungsempfänger, deren Last auf immer schmäleren Schultern lastet, nämlich den wenigen zahlenden Arbeitnehmer:innen. Die Zinsen auf Sparguthaben – rund 260 Milliarden Euro in Österreich und mehr als 2.000 Milliarden Euro in Deutschland – sind bekanntlich null, und so verliert das Geld von Mama und Papa, das man irgendwann erben möchte, ständig an Kaufkraft. Nicht gut!
Das Leben bestraft diejenigen, die zu spät kommen.
Ein gefährlicher Kreislauf. Einer, von dem ich persönlich nicht glaube, dass Politik oder Staat uns retten wird können. Die Bedeutung der „alten“ Wähler ist zu groß, und die nächsten Generationen zählen zu wenig für den Ausgang einer Wahl im Hier und Jetzt. Ich glaube, dass die Menschen ihr Schicksal – insbesondere ihr finanzielles – selbst in die Hand nehmen müssen. Geld ist nicht alles – absolut gar nicht! Aber finanzielle Freiheit ist eine wesentliche Voraussetzung für persönliche Freiheit. Und zunehmend auch für die eigene Gesundheit. Leider wahr.
Ohne eine solide finanzielle Basis werden wir die von uns erwünschte Freiheit nicht so erleben können, wie wir sie uns wünschen. Und das Gefühl der Unfreiheit war schon immer der Nährboden für soziale Aufstände. Um auch in Zukunft möglichst vielen Menschen finanzielle Freiheit zu ermöglichen, bedarf es attraktiver – nämlich fairer, verständlicher und langfristig sinnvoller – Angebote zur individuellen Vorsorge. Angebote wie das, das wir mit Own360 anbieten wollen. Ein solches, davon bin ich zutiefst überzeugt, brauchen wir – als Individuen und als Gesellschaft – dringend.
Die Zukunft wird zeigen, wie die Geschichte ausgeht. Wir haben die einmalige Chance, sie selbst ein bisschen zu schreiben.
Euer Martin