von Olga Havenetidis
Im Dezember endete der erste IHK-Lehrgang für die zertifizierte Weiterbildung zum Green Consultant Film & TV. Teilgenommen hat auch Judith Niemeyer, die sich im letzten Jahr selbstständig gemacht hat.
Aufgrund Ihrer langjährigen Tätigkeit im Filmbusiness im Bereich Presse und Marketing kannten Sie Filmproduktionen aus einer anderen Perspektive. Wie war es für Sie, plötzlich anders auf den Prozess des Filmemachens zu schauen?
Ich habe schon lange vor meiner Zeit im Constantin Film Verleih in der Filmproduktion gearbeitet und auch unterschiedliche Jobs am Set gemacht. Zudem war ich als PRProjektleitung und Making of Redakteurin bei vielen Constantin Film-Projekten bereits ab der Preproduction involviert. Die Weiterbildung gab mir die Gelegenheit in den verschiedenen Departments weiter in die Tiefe zu gehen. Die Herangehensweise war aber neu. Als Green Consultant nimmt man alle Bereiche des Filmemachens unter die Lupe und prüft, was man wo besser machen kann.
Welche Erkenntnisse waren besonders spannend?
Es gibt schon so viele nachhaltige Alternativen und geniale Innovationen! Sie werden allerdings in Deutschland noch zu wenig genutzt und nachgefragt und von daher auch kaum angeboten. Außerdem war der Austausch mit den Seminar Teilnehmenden aus den unterschiedlichen Bereichen der Filmbranche für mich besonders spannend.
Mittlerweile besteht ein Bewusstsein dafür, ökologisch nachhaltig zu produzieren und zu drehen und man könnte meinen, dass es eh schon alle machen. Wo aber ist da noch Luft nach oben?
Leider in fast allen Bereichen. Ich glaube auch, dass bei manchen Projekten mehr „grün“ draufsteht als drin ist. Dem Business as Usual Prinzip, der Macht der Gewohnheit, ist schwer entgegenzuwirken. In den Herstellungsprozessen von Filmen dreht sich ja vieles um Kosten und Zeitmanagement, was die Umstellung auf nach haltiges Arbeiten dementsprechend erschwert. Was man aber hier anmerken muss: Es muss nicht unbedingt teurer sein, manches bringt auch Kostenersparnisse. Und, wenn man einmal die Zeit investiert hat, geht es beim nächsten Projekt schon deutlich schneller.
Was dagegen klappt schon ganz gut?
Die Fahrzeug-Rentals bieten mittlerweile auch umweltfreundlichere, also sparsamere Fahrzeuge an und in der Filmtechnik tut sich ja auch einiges, zum Beispiel beim Licht, da wird schon oft mit LED gearbeitet.
Jetzt sind sind ein Green Consultant Film & TV. Was bedeutet das genau? Wie kann man Sie am besten einsetzen?
Man kann Green Consultants bei jedem Film oder TV-Projekt einbinden. Es ist aber wichtig, dass man uns so früh wie möglich ins Team holt – kurz vor Drehstart können wir nicht mehr viel ausrichten und die Co2-Bilanz nicht wesentlich verbessern. Mittlerweile arbeite ich schon als Green Consultant für eine Prime Time-Doku der Caligari Entertainment, der Dreh ist für Sommer 2021 geplant.
Sie haben Ihr Spektrum im letzten Jahr erweitert und sind auch Producer und entwickeln Stoffe. Wie wirkt sich das, was Sie im Lehrgang erfahren haben, auf Ihren Ansatz für Stoffe aus?
Die Fortbildung war für mich optimal. Ich denke, dass jeder Producer Wert auf einen nachhaltigen Herstellungsprozess legen und dementsprechend mitgestalten sollte. Das betrifft alle Produktionsphasen eines Projektes, vom Green Storytelling bis zur Auswertung.
Mit Philip Gassmann hatten Sie einen der deutschlandweit kompetentesten Experten für Green Filming. Wie war Ihr Eindruck von ihm?
Philip ist Regisseur und Producer und verfügt deswegen über eine große Praxiserfahrung. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Thema Nachhaltigkeit in der Filmbranche und es macht ihm immer noch Spaß. Das hat mich, und ich glaube auch die anderen, zusätzlich motiviert.
Was würden Sie jemandem, der unsicher ist, ob er die Weiterbildung machen soll, raten?
Ich glaube, dass wir uns in den nächsten Jahren sowieso auf nachhaltige Arbeitsprozesse umstellen müssen. Die FFG-Novelle mit ersten verbindlichen Nachhaltigkeitskriterien soll ab 2022 wirksam werden. Wir müssen also so oder so umdenken.
Dieses Interview ist in der FilmNewsBayern erschienen.