ARA-Vorstand Harald Hauke spricht mit Gabriela-Maria Straka, Director Corporate Affairs & ESG Sustainability und Mitglied der Geschäftsleitung der Brau Union, über aktuelle Herausforderungen, Chancen und Erfolge der Kreislaufwirtschaft.
Herr Hauke, vor Kurzem wurde der CE-Barometer 2022 veröffentlicht. Was sind die wichtigsten Ergebnisse?
Harald Hauke: Bereits zum vierten Mal haben wir österreichische Unternehmen befragt, um zu erheben, wie weit sie bei der Umsetzung der Kreislaufwirtschaft sind. Dazu muss man sagen: Mehr als die Hälfte sind von der gegenwärtigen Krise betroffen, bei den Größeren sogar 87 Prozent. Trotzdem war der Index noch nie so hoch. Auf unserer Skala von 0 bis 100 liegt er derzeit bei 59,2. Im Vorjahr war er bei 50. Das ist ein deutliches Plus. Was besonders positiv ist: Im Vergleich zum Vorjahr nutzen um 20 Prozentpunkte mehr Unternehmen die Kreislaufwirtschaft, und um zehn Prozentpunkte mehr Betriebe haben bereits investiert. Im Schnitt gehen 14 Prozent der gesamten Investitionskosten in die Kreislaufwirtschaft.
Was sind die wichtigsten Maßnahmen in der Kreislaufwirtschaft, die von Unternehmen gesetzt werden?
Hauke: Zu den Top-Maßnahmen zählen die getrennte Sammlung und die Abfallvermeidung. Dann kommen Wiederverwendung und der Einsatz von Recyclingmaßnahmen und -materialien. Große Unternehmen setzen zudem stark auf Nachhaltigkeitskommunikation und den Ausbau der Digitalisierung für die Kreislaufwirtschaft.
Gabriela-Maria Straka: Wenn ich unsere grüne Brauerei in Göss hernehme: Über 5.000 Tonnen CO2 sparen wir in der Produktion mit ausschließlich erneuerbaren Energien ein – einem Mix von Solarthermie, Biogas, Bier-Treber Vergärung und Fernwärme von einem benachbarten holzverarbeitenden Sägewerk. Kreislaufwirtschaft bedeutet zum Beispiel, dass ich mit dem Reststoff, der aus dem Gär-Rest rauskommt, weiterarbeiten kann. Wir machen daraus einen Dünger. Viel von dem Biogas, das wir aus den Biertrebern produzieren, wird in das öffentliche Netz gespeist. Das heißt, auch andere haben einen Vorteil davon. Ich bin vor zehn Jahren mit der grünen Brauerei Göss belächelt worden. Gas war damals so billig, und wir hatten Amortisationszeiten von 15 Jahren. Wir haben trotzdem daran geglaubt. Heute gelten wir als Vorbild, 160 Brauereien werden umgestellt, und wir reden von einer Amortisationszeit von 1,5 bis zwei Jahren.
Wie werden Unternehmen bei der Umsetzung der Kreislaufwirtschaft unterstützt?
Hauke: Wir haben ein sehr umfangreiches digitales Abfallmanagement, mit dem wir Unternehmen entlang ihrer gesamten Produktionskette unterstützen. Ziel ist es, so wenig Abfall wie möglich zu produzieren, das spart Rohstoffe und Kosten. Zum Beispiel analysieren wir Abfallmengen und zeigen Verbesserungspotenziale auf oder installieren Trennsysteme, damit der Abfall recycelt werden kann. Stoffstrommanagement ist ein wichtiger Faktor für mehr Nachhaltigkeit. Nehmen wir das Beispiel Glas: Dunkle Bierflaschen bestehen aus bis zu 90 Prozent Glasscherben, was einen enormen Impact auf die Reduktion des Footprints hat. Das Gleiche ist in Zukunft auch bei Kunststoffen angesagt. Was wir von der PET-Flasche kennen, die heute bereits vielfach aus 100 Prozent Rezyklat produziert wird, wird auch bei Polyolefinen möglich sein. Das heißt, bei Waschmitteln, Putzmitteln und Körperpflegemitteln wird man mehr Rezyklate einsetzen. Für das Recycling ist wichtig, dass man Verpackungen so designt, dass man sie recyceln kann – das sogenannte Circular Design. Wir analysieren für viele unserer Kunden, zu welchem Prozentsatz ihre Verpackungen recyclingfähig sind und unterstützen sie bei der nachhaltigen Gestaltung.
Die Brau Union positioniert sich verstärkt als nachhaltiges Unternehmen. Die Ergebnisse bei der aktuellen CE-Barometer-Umfrage unterstreichen den hohen Stellenwert einer solchen Positionierung. Geht es da um den Wettbewerbsvorteil – oder um die gesellschaftliche Verantwortung?
Straka: Es geht nicht darum, sich zu positionieren, um Marketingziele zu erreichen, sondern um die gesamtheitliche Dekarbonisierungsstrategie. Und es geht um die Governance. Wir sind an der Börse notiert. Da gibt es klare Vorschriften. Bis 2030 werden wir zur Gänze CO2-neutral produzieren, bis 2040 inklusive der gesamten Wertschöpfungskette. Bier ist per se ein biologisches Produkt. Es besteht zu 93 Prozent aus Quellwasser; Hopfen und Gerste kommen primär aus Österreich. Aber wir verpacken in Glas, und ich muss mich damit auseinandersetzen, wie hier die Lieferkette ist. Man muss das als Chance sehen, um 2050 den Green Deal zu erreichen. Es bringt aber auch betriebswirtschaftlich was. Man erspart sich die CO2-Steuer und viele Themen, die aus Emissionsrückständen herauskommen. Es ist ganz wichtig, dass es nicht nur um ein Marketing-Mascherl geht. Wir haben 400 Labels allein im Handel, wo sich jeder mit „bio“ schmückt. Das verwirrt die Konsumentin und ist kontraproduktiv. Es nehmen auch die Klagen zu – nicht nur die Umweltschutzklagen in Amerika.
An welchen Stellschrauben muss noch gedreht werden, um die Kreislaufwirtschaft weiter voranzubringen?
Hauke: Wir haben im CE-Barometer unter den Unternehmen auch die größten Hindernisse abgefragt. An erster Stelle steht hier für die Betriebe die Bürokratie mit einer zu komplexen Gesetzgebung. Um die Ziele des EU-Kreislaufwirtschaftspakets zu erfüllen, wurden in Österreich das Abfallwirtschaftsgesetz und die Vepackungsverordnung novelliert. Das hat viele Neuerungen gebracht. Und der Informationsbedarf ist groß: Zu jedem unserer Webinare kommen mehr als 1.000 Unternehmen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Wissen rund um die Substitution von Rohstoffen: Welches Recyclingmaterial kann ich einsetzen und wo bekomme ich das her? Wie schaffe ich es, recyclingfähige Verpackungen zu gestalten? Wie organisiere ich meinen Produktionsprozess, damit ich CO2-neutraler werde? Was ebenfalls in jeder Umfrage genannt wird, sind die Kosten. Das ist besonders in der aktuellen Krisensituation ein wichtiges Thema – und selbstverständlich auch für uns. Wir müssen in Zukunft höhere Recyclingquoten erfüllen, und das ist mit zusätzlichen Kosten verbunden. Das können wir relativ gut abfedern und müssen unsere Preise im nächsten Jahr nur moderat anpassen. Straka: Im Unternehmen sollte das „reduce, reuse, recycle“-Prinzip gelten. Und dann muss mit der Taxonomie Verordnung die Transformation in die Wege geleitet werden. Wenn wir die nicht schaffen, haben wir ein Problem. Politisch gibt es viele Hebel, die man bedienen muss, damit die Unternehmen genug Unterstützung bekommen. Der größte Hebel ist der Gedanke Kreislaufwirtschaft, den die ARA jetzt vorantreibt.
Die ARA als Innovationstreiber
Zukunft. Kreislauf. Wirtschaft. Seit fast 30 Jahren agiert die ARA als treibende Kraft der österreichischen Abfall- und Kreislaufwirtschaft. Als heimischer Marktführer unter den Sammel- und Verwertungssystemen für Verpackungen sowie Elektroaltgeräte und Batterien organisiert die ARA die Sammlung, Sortierung und Verwertung von Verpackungsabfällen flächendeckend in ganz Österreich. Die ARA gilt heute als internationales Best Practice und entwickelt als Servicepartner der Wirtschaft maßgeschneiderte Entsorgungslösungen im Bereich der Abfall- und Kreislaufwirtschaft: von Entpflichtungsservice über Stoffstrom- und Abfallmanagement bis zu ARA Circular Design reicht das Leistungsspektrum, das zudem die Digitalisierung der Kreislaufwirtschaft forciert.