StartRolemodelsUnternehmer:innentum: Vom Glück des Gründens

Unternehmer:innentum: Vom Glück des Gründens

Valerie Bures-Bönström, Co-Founderin von Mrs. Sporty, CEO von Pixformance,  Eton Motion und VAHA) und Andrea Bury, Gründerin des Fair-Trade-Labels ABURY und der ABURY Foundation: Im Interview mit Autorin Julia Hägele verraten die beiden Vorzeige-Entrepreneurinnen, welche Fähigkeit Gründerinnen unbedingt brauchen und wie das eigene Unternehmer:innentum zu ihrem persönlichen Glück beigetragen hat.

Andrea, Valerie, wie habt ihr Euer erstes eigenes Geld verdient?

Andrea Bury: Ich habe in den Sommerferien für eine Firma Geschäftsbriefe eingetütet, da war ich etwa 14 Jahre alt.

Valerie Bures-Bönström: Ich war ähnlich alt wie Andrea und habe Hunde ausgeführt. Das war angenehmes Geld, weil ich mit meinem eigenen Hund sowieso Gassi gehen musste.

Was habt ihr Euch davon gekauft?

Valerie Bures-Bönström: Damals wurden Markenklamotten auf einmal wichtig, da habe ich mir meine erste Levi’s Jeans gekauft.

Andra Bury: Bei mir war es eine Stereoanlage – mit zwei Kassettenfächern! Die steht heute noch in meinem Wohnzimmer.

Wenn ihr auf die Zeit zwischen dem ersten Job und heute zurückblickt: Welche Fähigkeiten sind eurer Erfahrung nach die wichtigsten, um eine erfolgreiche Gründerin zu werden?

Valerie Bures-Bönström: Je älter ich werde, desto mehr denke ich, dass man sich auf seine Stärken besinnen sollte. Ich habe mich viel zu lange gefragt „Worin könnte ich gut sein?” anstatt „Worin bin ich denn jetzt schon gut und wie kann ich das nutzen?”.

Was sind Deine Stärken?

Valerie Bures-Bönström: Ich kann Organisationen aufbauen und bin sehr gut mit Menschen. Typische CEO-Tätigkeiten wie Investorensuche, Finanzmanagement und so weiter machen mir jedoch wenig Spaß. Ich dachte immer, eine erfolgreiche Gründerin ist man ausschließlich als CEO. Aber man kann auch als COO erfolgreich gründen.

Wie siehst Du das, Andrea?

Andrea Bury: Die eigenen Stärken zu identifizieren ist absolut wichtig. Daneben sollte man andere starke Leute neben sich zulassen können – zulassen, dass jemand eine Lücke füllt, der vielleicht in manchen Dingen besser ist als man selbst. Nur dann kann man ein cooles Team bilden und weiterkommen. – So schön es ist, alleine zu gründen, ich würde nie wieder alleine gründen. Ich habe oft jemanden vermisst – in guten wie in schlechten Zeiten.

Was würdest du jungen Gründerinnen noch raten?

Andrea Bury: Junge Gründer stehen außerdem oft unter einem enormen Erfolgsdruck, sie sollen innerhalb kürzester Zeit das nächste Unicorn schaffen. Ich denke, dass setzt viele Talente unnötig unter Druck. Ich würde mich vor einer Gründung immer fragen: Was bedeutet Erfolg für mich persönlich? Erfolg muss nicht nur Profitmaximierung bedeuten. Ein Unternehmen kann rentabel sein, aber gleichzeitig andere Ziele verfolgen.

Was ist Erfolg für Dich?

Andrea Bury: Ich bin fest überzeugt, das Unternehmertum Gutes in der Welt bewirken kann und habe mich daher früh mit dem Thema Social Business auseinandergesetzt, unter anderem inspiriert vom Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus. Mein Konstrukt ist dieses: 50 Prozent der Gewinne von ABURY kommt der ABURY Foundation zu, die sich sozialen Projekten widmet.

Womit handelst Du?

Andrea Bury: Mit Mode und Accessories. Beispielsweise fertigen marokkanische Frauen Handtaschen – unsere Berber Bags. Unsere Mini-Berberbag war die Idee einer unserer marokkanischen Mitarbeiterinnen. Wenn die Frauen mit eigenen Ideen auf mich zukommen, freut mich das besonders.

Was waren die größten Herausforderungen in eurer Karriere?

Andrea Bury: Bei mir war es am Anfang das Funding – es war schlicht holprig. Viele glaubten nicht an meine Idee. Freunde und Familie sind damals eingesprungen. Heute ist es für mich spannend und herausfordernd, in unterschiedlichen kulturellen Kontexten zu arbeiten, derzeit in Ruanda.

Valerie Bures-Bönström: Herausforderungen gab und gibt es am laufenden Band, sie werden nicht weniger, im Gegenteil. Sie sind mitgewachsen mit den Risiken und den Erfahrungen, die man macht.

Was hat Euch in schwierigen Phasen oben gehalten?

Andrea Bury: In schwierigen Zeiten hilft es mir, mich zu erinnern, dass man etwas macht, woran man glaubt.

Valerie Bures-Bönström: Ich habe irgendwann eingesehen, dass die Schwierigkeiten Teil des Jobs sind. Mein Vater sagt immer, es gewinnt nicht derjenige mit dem größten Talent, sondern derjenige mit dem längsten Atem. Wer nicht gewillt ist, Herausforderungen zu managen, sollte sich zweimal überlegen, zu gründen.

Was hat Dir Dein Vater, auch Unternehmer, außerdem mitgegeben?

Valerie Bures-Bönström: Am Anfang ehrlich gesagt kein schönes Bild vom Unternehmertum, weil das wirklich „selbst“ und „ständig“ bedeutete. Das war insofern gut, weil ich mir schwor, dass meine Kinder einmal Priorität haben sollten. Heute bewundere ich seine Passion, mit der er sein Business über viele Jahre verfolgt. Die gleiche Passion entdecke ich auch in mir, manchmal muss ich darüber schmunzeln.

Und was hast Du von deiner Mutter gelernt?

Valerie Bures-Bönström: Meine Mutter hat mir mit dem klassischen Rollenbild einer Vollzeit-Mutter gezeigt, dass es für mein Leben wichtig ist, finanziell auf eigenen Beinen zu stehen. Ich habe einen Sohn und zwei Töchter, insbesondere den Töchtern sage ich immer wieder, dass finanzielle Unabhängigkeit wichtig ist. Nur so kann man auch eine Partnerschaft auf Augenhöhe führen. Eine Beziehung auf Augenhöhe bedeutet aber auch, darauf zu bestehen, dass beide Partner zu gleichen Anteilen die Popos der Kinder abwischen. So ist das einfach. Darauf müssen die Frauen bestehen, und das so früh wie möglich.

Andrea, Du hast einmal gesagt, in Deiner Familie wurde Unternehmertum eher mit Unsicherheit in Verbindung gebracht als mit Freiheit und Glück. Was war der Schlüsselmoment, der Dich trotzdem zur Unternehmerin werden ließ?

Andrea Bury: Meine Mutter war Hausfrau, mein Vater war klassischer Angestellter. Selbständigkeit war lange undenkbar für mich. Ende der Neunziger war das auch noch nicht normal, dass jeder Freelancer war. Ich war in London in einer Agentur angestellt. Es war furchtbar, null Wertschätzung, ständig hat jemand geweint wegen des cholerischen Chefs. Ich habe dann in der Probezeit gekündigt und im damals neu gegründeten Soho House an der Garderobe mein Geld verdient. Später in Marketing-Agentur in München musste ich wieder beobachten, wie jede Woche eine Frau geweint hat. Ich wollte mir dann mein eigenes Arbeitsumfeld schaffen.

Valerie, Du hast lange Hockey gespielt, was hat Dich der Sport über Unternehmertum gelehrt?

Valerie Bures-Bönström: Ich glaube, jeder Teamsport ist genial. Denn alle brauchen alle, es gibt keine Divas. Mal gewinnt man, mal verliert man. Und es geht immer weiter. Manchmal beobachte ich, wie Menschen ein Projekt oder Unternehmen starten und unfassbar enttäuscht sind, wenn es nicht funktioniert. Da denke ich mir, wenn es zwanzig Mal nicht funktioniert, dann sei traurig, aber doch jetzt noch nicht. Verlieren gehört dazu, das lernt man im Sport.

Andrea Bury: Ich habe früher Tennis gespielt, auch oft im Team. Besonders bei Turnieren habe ich gelernt, dass jeder mal Fehler macht. Dann spielt dein Partner einen derartigen Mist, aber das nächste Mal hat man selbst vielleicht einen schlechten Tag.

Valerie Bures-Böström: Sehr guter Punkt.

Gibt es eine weibliche Art des Gründens?

Andrea Bury: Ich weiß es nicht. Ich hatte gerade wieder ein Gespräch mit einer Mentee. Ich glaube, die Frauen halten sich immer noch zu viel mit Selbstzweifeln auf.

Valerie Bures-Bönström: Hundertprozentig tun sie das.

Andrea Bury: Sie hinterfragen alles, machen sich fertig, wenn mal etwas nicht läuft.

Valerie Bures-Bönström: Ich bin kein spiritueller Mensch, glaube aber, dass es weibliche und männliche Energien gibt, die einen großen Einfluss haben, auch auf die Geschäfte. Und beide Energien sind hilfreich im Entrepreneurship. Wie Andrea sagte, würde ich jetzt viel mehr darauf achten, wie ich meine Energie gut ergänzen kann. Anstatt mich zu fragen, ob meine Energie richtig oder falsch ist.

Andrea Bury: Ich denke, dass Arbeit gleich wertgeschätzt werden muss und da sind wir noch lange nicht. Dass es Gründerteams gibt und Frauen nicht immer nur HR machen und mit dem halben Gehalt abgespeist werden.

Welchen Rat würdet ihr eurem jüngeren Ich geben?

Valerie Bures-Bönström: Die Wertschätzung, von der Andrea sprach, würde ich von Anfang an auch einfordern. Ich war zu Beginn sehr nett, lieb, dachte immer, ich weiß nicht genug und muss noch lernen. In unternehmerischen Dingen muss man sich relativ früh drum kümmern, dass man genau so viel vom Kuchen abkriegt wie die anderen auch.

Andrea Bury: Das geht in eine ähnliche Richtung bei mir: Ich habe immer gedacht, ich muss alles können, damit mich die Leute mögen und dass mein Chef mich toll findet. Je eher wir Frauen das lassen, desto besser.

Habt ihr Vorbilder?

Andrea Bury: Meine Oma Rosa hat zu mir gesagt: „Kind, lache viel, wenn du jung bist, damit du glückliche Falten bekommst.“ Darin liegt viel Wahrheit, denn wer aufgeschlossen und optimistisch durch die Welt geht, dem begegnen die Menschen ebenso positiv.

Valerie Bures-Bönström: Ich habe schon als Kind sehr viel gelesen, viele Biographien, Napoleon und so weiter. Strategie und Leadership fand ich immer interessant. Unternehmer-Größen wie Richard Branson uns seine Virgin Group finde ich außerdem inspirierend.

Valerie, Kinder seien die effektivste Erziehung für Erwachsene, hast Du einmal gesagt. Wie haben Dich Deine drei Kinder erzogen?

Valerie Bures-Bönström: Kinder sind brutal ehrlich. Ich habe mit der Zeit gelernt, die Kritik meiner Kinder nicht nur abzuwehren, sondern anzunehmen. Ich habe meinem Vater vorgeworfen, zu viel zu arbeiten. Das werfen mir meine Kinder auch vor, obwohl ich wesentlich weniger Stunden arbeite als mein Vater. Ich habe versucht, beides zu verbinden: meine Passion, Mutter zu sein, und die finanzielle Unabhängigkeit durch das Unternehmertum – das ist mir mal besser, mal schlechter gelungen.

Andrea Bury: Ich kenne viele Frauen, die als Mutter ihr eigenes Leben komplett hintenanstellen. Das klingt für mich so, Valerie, als hättest du den Balanceakt gut hingekriegt.

Valerie Bures-Bönström: Es ist schwer. In dieser Hinsicht ist ein Frauenleben wohl nicht vergleichbar mit einem Männerleben.

Inwieweit hat euer Unternehmen zu eurem persönlichen Glück beigetragen?

Andrea Bury: Mir hat mein Geschäft sehr viele Begegnungen eröffnet. In andere Leben, Kulturen und Sichtweisen einzutauchen, die einen sich selbst immer wieder hinterfragen lassen, gibt mir sehr viel.

Valerie Bures-Bönström: Unternehmertum hat mir Glück und Unglück gebracht. Trotz eines großen Einsatzes ist Erfolg nie garantiert. Erfolg und Misserfolg liegen manchmal dicht beieinander, wie beim Leistungssport. Das muss man mögen – und ich mag das.

Was habt ihr als nächstes vor?

Andrea Bury: In der ABURY Foundation gibt es Neuigkeiten. Wir haben ein Female-Entrepreneurship-Programm in Ruanda gewonnen, ausgeschrieben vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

Valerie Bures-Bönström: Gratulation! Bezüglich VAHA gibt es auch Neuigkeiten, aber die sind noch geheim.


Über Valerie Bures-Bönström

VAHA-Gründerin Valerie Bures gehört seit Jahren zu den erfolgreichsten Unternehmerinnen Deutschlands. Mit 24 Jahren war sie Mitbegründerin (neben Tennispielerin Stefanie Graf & Mark Mastrov Gründer 24hFitness) von Mrs. Sporty, Europas größter Kette von Frauen Fitnessclubs. 
2011 gründete sie die Pixformance Sports GmbH und schuf damit ein beispielloses Konzept unter den digitalen Lösungen auf dem Fitness- und Gesundheitsmarkt. Durch die Pixformance Stations werden Therapeuten wie z.b. An der Charite bei der Übungsanleitung ihrer Patienten entlastet, weil sie individuelle Trainingspläne erstellen können, die bei der Durchführung digital gefeedbackt werden und diese wiederum bekommen durch die computergestützte Therapie eine höchst effektive und komfortable Begleitung während ihrer Genesung. 
VAHA fußt auf genau dieser Idee und ist eine clevere Weiterentwicklung, die nun jedem zur Verfügung steht. Der interaktive Spiegel bietet Personal Training, Ernährungsberatung und eine wertvolle Mischung aus Achtsamkeit und Meditation in den eigenen vier Wänden; einfach alles, was Körper und Geist brauchen, um in Balance zu kommen. Valerie Bures ist selbst passionierte Sportlerin und immer auf der Suche nach neuen, guten Ideen, wie wir unser Wohlbefinden steigern können.

Über Andrea Bury

Andrea Bury, gründete nach einer internationalen Karriere im Marketing und Sponsoring (u.a. Laureus World Sports Awards, Mercedes-Benz, O2, Formel 1), das Fair Trade Lifestyle Label ABURY sowie die ABURY Foundation. 
Ziel von ABURY ist die Stärkung von Frauen in Entwicklungsländern. Dies erreicht ABURY einmal durch die Schaffung von Arbeitsplätzen und auch über Förderprojekte, in welche die Frauen ausgebildet und ermutigt werden, selbst als Unternehmerin tätig zu werden. Nachhaltigkeit liegt Andrea Bury sehr am Herzen, deswegen ist ABURY auch B-Corp zertifiziert.
Aufbauend auf den eigenen Erfahrungen baute Andrea mit dem ABURY Positive Impact Lab eine Consultancy auf, mit der sie Unternehmen auf dem Weg in eine nachhaltigere Zukunft unterstützt. Sie ist Mitbegründerin des Designhotels „Riad Anayela“ und eine der „Responsible Leaders“ der BMW Foundation.


Das Interview entstand im Rahmen der herCareer Expo 2022, bei der die beiden Gründerinnen an einer Podiumsdiskussion zum Thema „Vom Glück der Freiheit“ gemeinsam mit Business Angel und Glücksforscher Florian Langenscheidt teilnahmen.

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