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Von der Mädchenschule zur Experimentalphysik

Birgitta Schultze-Bernhardt ist  Experimentalphysikerin und Associate Professorin an der TU Graz. Was sie zu diesem Job inspirierte und wie ihr Weg bisher aussah jetzt im Gespräch mit SHEconomy.

Frau SchultzeBernhardt, wie sind Sie eigentlich zur Experimentalphysik gekommen? Was hat den Ausschlag für diesen beruflichen Weg gegeben?

Schon während der Schulzeit haben mir naturwissenschaftliche Fächer am besten gefallen, obwohl ich auf einem neusprachlichen Gymnasium in München war, das gar keinen naturwissenschaftlichen Zweig hatte. Ich war auf einer reinen Mädchenschule und ich glaube tatsächlich, dass mir das geholfen hat, meine Wahl ohne jegliche Vorurteile zu treffen. Viele Jahre hat mir Mathematik am meisten Spaß gemacht, in den letzten zwei Schuljahren zog es mich dann aber stärker zur Physik hin. Naturphänomene und Dinge aus dem Alltag physikalisch zu erklären, das hat mich fasziniert. Im letzten Schuljahr habe ich mich für ein Physikstudium entschieden, später für die Spezialisierung auf Laserphysik und Quantenoptik. Das hat sich schlussendlich auch als richtige Entscheidung bewährt.

Wie können wir uns Ihren Alltag vorstellen? Welche Aufgabenbereiche umfasst ihre tägliche Rolle?

Im Moment bin ich als Associate Professorin an der TU Graz tätig. Das mache ich seit einem Jahr, davor war ich Assistant Professorin. Der Alltag ist sehr abwechslungsreich und das ist eine der schönsten Komponenten, wenn man an der Universität arbeitet. Es gibt sowohl Aufgaben in der Lehre gemeinsam mit den Studierenden als auch in der Forschung mit Professor:innen am Institut und der Fakultät. Man bereitet Vorlesungen vor, spricht mit Student:innen und Kolleg:innen und betreibt aber auch seine eigenen Forschungen, in meinem Fall im Bereich der Laserspektroskopie. Man versucht im Labor etwas herauszufinden, was vielleicht noch nie zuvor jemand gemacht hat. Das ist sehr aufregend. Es ist ein sehr befriedigender Prozess, seine Forschung auch abschließen zu können, im besten Fall mit einer guten Veröffentlichung. So dringt man über die Jahre tiefer in die wissenschaftlichen Fragestellungen ein, die einen beschäftigen.

Wie sind Sie an die TU Graz gekommen?

Ich war sehr lange in München, bin dort zur Schule gegangen, habe studiert und promoviert. Dann hat es mich für zwei Jahre als Postdoc nach Kalifornien gezogen, einerseits um Auslandserfahrung zu sammeln, andererseits um meinen wissenschaftlichen Horizont zu erweitern. Während meiner Doktorarbeit spezialisierte ich mich auf ein spezielles Thema, das ich weiter ausbauen wollte. In Kalifornien konnte ich andere Aspekte meines Forschungsthemas näher betrachten. Nach den zwei Jahren bin ich zunächst wieder zurück nach München und bin dann als Juniorprofessorin nach Jena gegangen. Dieser Ortswechsel ist in der Wissenschaft ganz typisch. Erst dann bin ich nach Graz gekommen. Die Langzeitperspektive in Graz mit einer permanenten Stelle war sehr attraktiv und so bin ich als Senior Scientist nach Graz gekommen und konnte wenig später hier habilitieren.

Hatten Sie in Ihrem beruflichen Leben Mentor:innen oder Role Models, die Sie geprägt haben?

In meinem wissenschaftlichen Umfeld gab es sehr wenige weibliche Wissenschaftlerinnen. Das ist mir aber gar nicht so stark aufgefallen. Der Umstand hat mich später während meiner Doktoratszeit mehr beschäftigt. Es waren immer weniger Kommilitoninnen um mich herum, einige haben sich doch für einen anderen Weg entschieden. Während die männlichen Kommilitonen zur Zeit der Promotion Familien gegründet haben, haben die weiblichen Kommilitioninnen „nur“ promoviert – für beides war keine Zeit.

Richtig nahe Mentorinnen hatte ich beruflich extrem wenige. Persönlich aber war meine Großmutter ein großes Role Model. Sie war eine sehr ehrgeizige und pragmatische Frau aus der Steiermark. Leider konnte sie nicht einmal die Volksschule abschließen, sondern war gezwungen, im Gasthaus der Familie zu helfen. Später hat sie es aber sehr weit gebracht und leitete beispielsweise ein Postamt. Diese ruhende Persönlichkeit hat mich sehr beeindruckt und sie war das Role Model, das mich am meisten geprägt hat. Während meines Doktoratsstudiums hat mich außerdem die Teamarbeit mit einer französischen Kollegin, von der ich viel lernen konnte und mit der ich nach 15 Jahren noch in engem Kontakt stehe, positiv geprägt.

Was war in Ihrem bisherigen beruflichen Leben die größte Challenge?

Die Zuversicht in der Postdoc-Phase zu behalten, dass sich mehrere Möglichkeiten ergeben werden und ich meinen Weg finde. Das wissenschaftliche System ist so aufgebaut, dass es nach der Promotion sehr schwierig ist, einen unbefristeten Vertrag zu bekommen. Für mich persönlich wäre es im Nachhinein auch zu früh gewesen, gleich nach der Promotion an einem Ort zu bleiben. Denn es ist unglaublich lehrreich und berreichernd, wenn man an verschiedenen Orten forschen kann. Zu diesem Zeitpunkt aber habe ich damit gehadert. Ich war nicht zuversichtlich, später etwas Langfristiges zu finden. Was mir ebenfalls in Erinnerung bleibt, ist, dass einem während der Doktorarbeitszeit die Ideen von Zeit zu Zeit ausgehen. Dass man dann nicht zu frustriert ist und sich eine Strategie sucht, mit seinem Forschungsprojekt weiterzumachen und noch nicht versuchte Wege zu gehen, war ebenfalls eine große Herausforderung.

Worin sehen Sie den größten positiven Einfluss von Diversität im Arbeitsumfeld?

Wenn wir in der Forschung in einem diversen Team arbeiten, kommen automatisch neue Perspektiven hinzu. Neben der Gender Diversität sind es vor allem die unterschiedlichen Biografien der Teammitglieder. Das diverse Wissen, das dadurch zutage tritt, bereichert und beschleunigt den Forschungsprozess immens.

Haben Sie Tipps für Frauen, die eine ähnliche Branche wie Sie anstreben?

Generelle Tipps sind meiner Meinung nach oft zu allgemein gehalten. Daher ist meine Empfehlung, die eigenen Wünsche und Ziele zu konkretisieren und dann genau dafür den:die passende:n Gesprächspartner:in zu finden, um dort den relevanten Tipp zu bekommen.


Zur Person

Assoc.Prof. Dr. Birgitta Schultze-Bernhardt ist Experimentalphysikerin und Associate Professorin an der TU Graz. Sie holte bereits zwei renommierte Förderungen in die Steiermark – einen ERC Starting Grant und den START- Preis des Wissenschaftsfonds FWF. Ihren Abschluss machte sie bei dem Max-Planck-Institut für Quantenoptik in München. Danach zog es sie für Forschungsprojekte zu der Lawrence Berkley National Laboratory in Kalifornien, der TU München und der Friedrich-Schiller-Universität Jena, bevor sie eine langfristige Stelle an der TU Graz annahm.

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