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Wahlfreiheiten

Wie weit Politik von der Realität entfernt sein kann, zeigt sich, wenn Volksvertreter*innen Sätze sagen, wie: „Es muss okay sein, wenn eine Frau zwei Jahre zu Hause bleiben möchte“. Gemeint sind dabei junge Mütter, die in Österreich und Deutschland, länger als in den meisten anderen EU-Ländern, in Karenz gehen. Was der durchaus sympathische Satz allerdings völlig ausklammert, sind die Zeiten, in denen wir leben: Auf der einen Seite sind Begriffe wie Wissens-Beschleunigung, Digitalisierung, lebenslanges Lernen alles andere als Buzzwords. Jede*r Arbeitnehmer*in, jede*r Unternehmer*in weiß, dass es längst nicht mehr reicht, einfach nur am Ball zu bleiben, um gut aufgestellt zu sein – sondern dass Weiterentwicklung genauso dazugehört wie die Tatsache, sich immer wieder neu erfinden zu müssen. Auf der anderen Seite wird mittlerweile jede zweite Ehe geschieden. Damit meine ich nicht, dass man es besser gleich bleibenlassen sollte – nein, im Gegenteil. Aber man muss sich dessen bewusst sein, dass eine Ehe keine Versorgungsstation (mehr) ist.

Ein sich längerfristiges Ausklinken aus dem Berufsleben stellt daher doppeltes Risiko dar: die finanzielle Abhängigkeit vom Partner und die Tatsache, später schwerer im Job Fuß fassen zu können. Überlegen Sie nur einmal kurz, wie viel sich in den vergangene zwei Jahren in der Arbeitswelt geändert hat und welcher Gap da entstanden ist für jene, die vorübergehend ausgeschlossen waren.

Mit dem Abrufen solcher Bilder mache ich mich nicht beliebt. Viele hier werden sie als Schuss gegen die Frauen interpretieren. Aber so ist es nicht. Mir geht es darum, eine Politik zu demaskieren, die sich viel zu oft mit Phrasen schmückt. In Wirklichkeit aber perpetuiert sie die Ungleichheit für Frauen, indem sie die heutige Faktenlage einfach negiert.

Denn: In Österreich und Deutschland gibt es immer noch viel zu wenig Kinderbetreuungsplätze. Es gibt Einschränkungen und Stigmatisierung für Frauen, die dem traditionellen Korsett wenig abgewinnen können („Rabenmütter!“). Es gibt viel zu wenig männliche Verbündete, die ihre wohlmeinenden Lippenbekenntnisse auf den Boden bringen. Es gibt Ungerechtigkeit in der Bezahlung, Ungleichheit in der Bewertung von Leistung – Frauen müssen nach wie vor stärker in Vorarbeit gehen als Männer und ihre Qualifikationen erst einmal „beweisen“ – und folglich bei den Aufstiegschancen. Selbst für Frauen, die in die Initiative gehen und Unternehmen gründen, herrschen Ungerechtigkeit und Ungleichheit: Sie kommen erwiesenermaßen schwerer zu Finanzierungen als Männer. So much zu „Wahlfreiheit“ und „Selbstbestimmung“.

Nehmen wir zum Abschluss Frankreich her: Dort gehört die ganztägige Kinderbetreuung seit den 1970-er Jahren zur Normalität, die Karenz beträgt insgesamt 16 Wochen. Trotz dieser Umstände, die viele hier wohl als „Härte“ interpretieren würden, ist das Land mit der höchsten Geburtenrate Europas gesegnet – und europäischer Spitzenreiter bei der Besetzung von Frauen in Top-Positionen.

Das Beispiel zeigt: Erst die Veränderung von Rahmenbedingungen stellt neue Realitäten her. Bevor Politik also betont, Frauen alle Freiheiten lassen zu wollen, sollte sie erst einmal den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Boden aufbereiten, der diese überhaupt ermöglicht. Und zwar mit etwas Tempo, bitte.

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