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„Wenn wir die Energiewende schaffen wollen, müssen wir alle am selben Strang ziehen“

Die Physikerin und COO der Salzburg AG Brigitte Bach ist eine Vorreiterin in Sachen Energiewende. Vor ihrer derzeitigen Station leitete sie die Bereiche Telekommunikation, Elektromobilität und neue Geschäftsfelder bei der Wien Energie. Beim Austrian Institute of Technology (AIT) war sie Geschäftsführerin des Energy Departments. Im Gespräch mit SHEconomy verrät sie, warum es mehr Frauen in der Tech-Branche braucht und wie wir gemeinsam an der Energiewende arbeiten können.

Beim AIT waren Sie lange in der Forschung tätig, danach ging es zu Wien Energie. Wie verlief für Sie die Umstellung von Forschung auf Wirtschaft?

Für mich persönlich war die Umstellung nicht groß. Ich war Managerin im AIT und habe dort die Energieforschung mit am Ende 250 Personen aufgebaut. Bei der Wien Energie hatte ich die Bereiche Telekommunikation, Elektromobilität und neue Geschäftsfelder über. Es ging in beiden Unternehmen aber auch um Leadership. Es gibt viele Gemeinsamkeiten, egal ob man eine wichtige Organisation in einem Forschungsinstitut ist oder ob man bei einem Energieversorger arbeitet. Spannend war, dass ich von der anwendungsorientierten Forschung gekommen bin. Dort arbeiteten wir in der Innovations-Wertschöpfungskette bis zu einem Punkt, wo es in Richtung Prototyp ging. Beim AIT haben wir also versucht, Forschungsergebnisse in die Wirtschaft zu bringen und zu übergeben. Bei Wien Energie stellte sich dann die Frage, wie können aus innovativen Forschungsergebnissen, neue Geschäftsfelder entwickelt werden? Es ging darum, ein Produkt auf den Markt zu bringen. Selbst wenn wie in der Forschung ein technischer Prototyp oder ein technisches Serienprodukt erstellt wird, handelt es sich noch nicht wirklich um ein Produkt. Dazu gehört viel mehr wie etwa die richtige Kundenkommunikation, die Art der Betreuung, das Marketing oder etwa die Wartung.

Mittlerweile sind sie bei der Salzburg AG. Welche Themen gehen Sie hier gerade an?

Mir ist es sehr wichtig, die Energiewende rasch voranzutreiben, die aus Sicht des Energieversorgers auch wirtschaftlich zu denken ist. Dazu gehört beispielsweise der Fernwärmeausbau in der Stadt Salzburg, den wir massiv vorantreiben: Anschlüsse realisieren, große Investitionen setzen, um neue Leitungen zu bauen. Gerade investieren wir in ein Biomasse-Heizkraftwerk. Wir sind auch dabei, ein neues Wasserkraftwerk zu planen. Die Gaswärme Strategie ist ein weiteres Projekt, das sehr wichtig ist. Hier geht es darum, wie ein Energieversorger mit Zeitdruck, Gas-Kund:innen und Fernwärme-Kund:innen eine Dekarbonisierung der Wärme anbieten kann, also erneuerbare Wärme. Ein weiteres Projekt ist der Ausbau der Ladeinfrastruktur für elektrische Fahrzeuge. Der Bedarf ist aufgrund des Krieges in der Ukraine nicht so stark gestiegen, wie wir es vermutet hatten. Auf Sicht geht der Weg, aber trotzdem in Richtung Elektromobilität und es braucht dazu die richtige öffentliche Ladeinfrastruktur. Auch in der IT habe ich Projekte vorangetrieben. Beim Projekt “Operating Model 3.0”, geht es darum, wie wir unsere IT Landschaft in Salzburg in ein paar Jahren darstellen wollen. 

Wie stehen Salzburg und Österreich in Bezug auf Energienachfrage und -angebot da?

In Salzburg haben wir viel Wasserkraft und im Sommer können wir fast unseren gesamten Strombedarf selbst decken. Im Winter ist es jedoch schwieriger. Um wie geplant bis 2030 den gesamten Strombedarf erneuerbar decken zu können, muss noch Photovoltaik, Wind- und Wasserkraft ausgebaut werden. Zusätzlich muss Österreich unabhängiger werden. Es braucht also auch mehr Speicherkapazitäten, um über das ganze Jahr hinweg dem Bedarf gerecht zu werden.

Vor welchen Herausforderungen steht Ihr Unternehmen und die Energiebranche gerade aufgrund der Situation in der Ukraine?

Wir merken reduzierte Gaslieferungen in ganz Österreich und Salzburg. Diese Gasmengen müssen nun zusätzlich am Markt beschafft und eingelagert werden. Wir sind in Salzburg bei einer gesamten Gasmenge von nur 40 Prozent russischem Gas. Wir haben schon einen sehr hohen Speicherstand und hoffen, dass wir mit Oktober oder November auf 100 Prozent kommen. Wenn wir aber österreichweit schauen, ist die Abhängigkeit von russischem Gas noch sehr hoch, wir sprechen von 80 Prozent. Es gibt daher von der Bundesregierung die Ankündigung, dass so weit wie möglich auf Öl umgestiegen werden soll und darauf sind wir auf jeden Fall vorbereitet. Insgesamt braucht es künftig viel mehr Bezugsquellen, um auch für die Zukunft sicher aufgestellt zu sein.

Idealerweise schaffen wir gleich die Energiewende, nur was braucht es dafür eigentlich?

Es braucht eine Mischung aus vielen großen erneuerbaren Kraftwerken, die mit Biomasse betrieben werden, großen Windanlagen, großen Photovoltaikanlagen, und eventuell auch Biogasanlagen. Zusätzlich wird es auch im Kleinen viele sogenannte Energy Communities geben, wo sich Gewerbebetriebe, Einfamilienhäuser, größere Siedlungen und Gemeinden zusammenfinden, um sich selbstbestimmt mit Energie zu versorgen. Das kann beispielsweise bedeuten, dass sie Photovoltaik-Anlagen auf ihren Dächern installieren, um gemeinsam Strom zu beziehen und bestmöglich zu managen. Weiters braucht es mehr Speicherkapazitäten im Bereich der Elektrizität, aber auch in der Wärme. Hier könnten Wärmespeicher, saisonal Wärme vom Sommer in den Winter überführen. Wir werden auch Wasserstoff brauchen, beispielsweise für den Schwertransport und für die Industrie. Im Gesamtbild müssen all diese Komponenten zusammenspielen, darum sprechen wir bei der Energiewende auch von einer sozioökonomisch, ökologischen und technischen Transformation. Aber worüber wir noch gar nicht gesprochen haben, ist eine Änderung unseres Verhaltens. Wenn alle bei sich zu Hause etwas tun, kann das sehr viel bringen. Wenn wir die Energiewende schaffen wollen, müssen wir alle am selben Strang, in dieselbe Richtung ziehen.

Welche strukturellen Herausforderungen verlangsamen den Weg in Richtung Wende?

Technisch wissen wir, wie eine Energiewende geht. Wir wissen, wie Windkraft- und Photovoltaikanlagen gebaut werden, und wie wir sie ins Netz integrieren. Wir haben auch die Elektromobilität technologisch verstanden. Es müsste aber zu einer Beschleunigung des Ausbaus kommen. Was es dazu braucht, sind wesentlich schnellere Genehmigungsverfahren. Wir haben momentan zwischen fünf und zehn Jahren, auch bei Windkraftanlagen. Das ist viel zu lang. Es braucht auch eine verbesserte Kommunikation mit der Bevölkerung, wesentlich intensiver, vielleicht auch niederschwelliger. Es gibt viele Bereiche, wo es nach wie vor großes Unverständnis oder auch Gegenstimmen zu Photovoltaik und Wind gibt. Was sehr schade ist in Zeiten wie diesen, wo wir uns so schnell wie möglich unabhängig machen sollten. Ein weiterer wichtiger Baustein sind die richtigen Materialien, bei denen derzeit Lieferengpässe herrschen, aber das ist etwas, was im Laufe der Zeit durch neue Versorgungsströme behoben werden kann. Last but not least benötigt es gut ausgebildete Arbeitskräfte und junge Menschen, die sich für diese Themen interessieren. Egal, ob es um die Errichtung, Montage oder Wartung geht, oder ob es sich um Planungen von erneuerbaren Anlagen, die Stromvermarktung oder um ganz andere Management Themen handelt. Hier möchte ich betonen, dass es mehr Frauen in diesen Bereichen braucht, von denen es derzeit nur ganz wenige gibt.

Wie und wann wurde bei Ihnen das Interesse für Technik geweckt?

Mein Vater war technischer Chemiker und ging später in den Anlagenbau. Ich habe mich als Kind relativ früh begonnen für Astronomie, also die Sterne und die Entwicklung des Weltalls zu interessieren. Mein Vater hat das aufgegriffen und mir immer wieder Bücher geschenkt und gebracht. Später habe mich entschieden, technische Physik zu studieren, weil ich davon ausging, dadurch beruflich leichter Fuß fassen zu können, zusätzlich habe ich aber auch Astronomie studiert. Und wenn ich ganz ehrlich bin, hatte ich als 18-Jährige noch keine Vorstellung davon, wo ich arbeiten werde. Ich bin danach in den Bereich Umwelt und Energie gewechselt, weil ich etwas tun wollte, das die Welt ein Stück weiterbringt. Wir wissen spätestens seit dem Club of Rome in den 70er Jahren, dass es Ressourcen-Probleme gibt und es zu einem Energiemangel kommen kann. Deswegen war für mich klar, dass das ein Bereich ist, der mich interessiert und wo ich mithelfen möchte, etwas zu verändern.

Es ist nach wie vor so, dass es in Tech-Branchen weniger weibliche Führungskräfte gibt als männliche, woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Es liegt einerseits daran, dass in unserer Gesellschaft und in vielen Familien immer noch klassische Rollenbilder verhaftet sind. Es ist immer noch so, dass Mädchen Puppen bekommen und Burschen Autos. Ein zweiter Punkt ist, dass Österreich als Gesellschaft nicht sehr an Technik und Wissenschaft interessiert ist. Dazu gibt es einige Studien. Geisteswissenschaftliche Themen wie Musik stehen sehr hoch im Kurs, Naturwissenschaften und Wissenschaft hingegen weniger. Aber ein ganz zentraler Punkt ist die noch zu geringe Anstrengung in Schulen, um Mädchen für technische Themen zu begeistern.

Was können Unternehmen tun, um mehr Frauen für Tech-Berufe zu begeistern?

Unternehmern sind schon relativ am Schluss in der Kette, nämlich dann, wenn Mädchen sich schon entschieden haben, ob sie eine technische Ausbildung machen oder nicht. Als ich bei uns angefangen habe, war es so, dass wir insgesamt nur 17 Prozent Frauen beschäftigt hatten. Da sind jetzt alle Sekretariate und Jobs die sich mit Finanzen, Marketing und Werbung beschäftigen mitgerechnet. Ein extrem geringer Frauenanteil und in so einem System gelingt es natürlich auch schwer, mehr Frauen hereinzuholen, weil es nicht attraktiv für junge Frauen ist. Darum haben wir auch das Programm “Die Zukunft” ins Leben gerufen. Hier geht es um Chancengleichheit für Frauen. Je mehr es gelingt, Frauen in Führungspositionen zu bringen, desto eher verändert sich die Kultur. Ein Unternehmen wird interessant für Frauen und dadurch kommen wiederum mehr Frauen dazu. Es muss, aber auch rundherum viel gemacht werden. Beispielsweise Führen in Teilzeit ermöglichen. Es geht auch um Unterstützung im Zusammenhang mit Mentoring, Ausbildung, Coaching in Richtung Selbstbewusstsein, Körpersprache, Präsentation und eben auch Führungsaufgaben. Wir versuchen mit einem Monitoring genau zu tracken, was gelingt und wie viele Frauen sich durch unsere Maßnahmen bei uns bewerben und auch wie sich dadurch der Personalstand im Laufe der Zeit ändert.

Warum ist es wichtig, mehr Frauen in die Tech-Branche zu bringen?

Die Idee, eine Kultur zu ändern, um auch auf große Herausforderungen einzugehen, ist ganz offensichtlich. Wir müssen lösungsorientierter werden und Kund:innen besser zuhören. Wenn 50 Prozent meiner Kund:innen Frauen sind, dann brauche ich auch mehr Frauen im Unternehmen, um das abzubilden. Die sogenannten Babyboomer gehen in fünf bis zehn Jahren in Pension, also alle, die Mitte der 60er bis 70er Jahre auf die Welt gekommen sind. Darum brauchen wir jetzt Arbeitskräfte, Facharbeiter:innen, aber auch gut ausgebildete Studienabgänger:innen. Das ist eine große Herausforderung, allein schon aus dem Grund sollten Unternehmen stärker in Betracht ziehen sich für Frauen interessanter zu machen. Wir haben beispielsweise begonnen, unsere Sprache zu adaptieren und versuchen eine gendergerechte Ausdrucksweise im Unternehmen zu etablieren, schriftlich und mündlich.

Wird bei der Salzburg AG noch zusätzlich etwas gemacht, um Frauen ins Tech-Umfeld zu bringen?

Wir haben bei den Trainees eine 50 Prozent Quote eingeführt, das bedeutet wir suchen so lange nach Frauen bis wir ein Gleichgewicht an Anwärter:innen erreicht haben. Wir schauen uns genau an, wie viele Mitarbeitende in Pension gehen werden und was wir an Fluktuation im Schnitt haben. Aus diesen Daten erstellen wir Quoten in unseren verschiedenen Bereichen. Auch für Kinder bieten wir Ferienbetreuung in spezieller Art und Weise an. Es gibt ein Programm, das wir unterstützen, wo wir Kindern beibringen zu programmieren und mit Computern zu arbeiten. Es wurden im letzten Jahr zwei Kurse speziell für Mädchen angeboten. Ich war bei einem dieser Kurse zu Besuch und es war unglaublich. Da waren Mädchen die kleinen Robotern Tanzschritte programmiert und mit Begeisterung Fachausdrücke verwendet haben. Durch solche Maßnahmen kann es gelingen, Mädchen nachhaltig für das Thema Technik zu begeistern. Hier müssten Altersstufen spezielle Angebote gemacht werden, um Mädchen, immer wieder zu ermöglichen, sehr niederschwellig Kontakt mit Technik zu haben.

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