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„Wir sind keine Sprachpolizei“

Inklusive Sprache bedeutet viel mehr, als nur genderneutral zu sein. Sie ist ein wichtiges Instrument, um neue Zielgruppen anzusprechen und Talente auf einem inzwischen globalen Bewerbermarkt zu überzeugen. Das Schweizer Unternehmen Witty Works hilft Firmen, Sprachfallen zu umgehen.

„Top-Performer“, „ehrgeizig“, „aufstrebend“ – in Zeiten des Fachkräftemangels gehen HR-Abteilungen mit solchen Ausdrücken in Stellenanzeigen ein hohes Risiko ein: Jenes, dass sich zahlreiche Interessierte für einen Job gar nicht angesprochen fühlen. „Alle Wörter, die den Wettbewerbsaspekt in den Vordergrund rücken, sprechen vor allem Männer an“, weiß Nadia Fischer, Mit-Gründerin von Witty Works – einem Unternehmen, das über Software die Nutzung inklusiver Sprache vereinfacht. Geschlechtergerechte Sprache, die beispielsweise auch die Form „Software-Entwicklerin“ ausschreibt, steigert das Interesse von weiblichen Bewerberinnen.

Um beispielsweise Frauen den Einstieg in die Tech-Branche schmackhafter zu machen, hat sich das Schweizer Software-Unternehmen Witty Works  2018 auf den Weg gemacht, Job-Inserate auf größere Vielfalt auszurichten. Das Schlüsselwort dazu lautet: „Diversifier“. So haben Co-Gründerin Nadia Fischer und ihr Team jene Starter-Software benannt, mit der sie testen wollten, ob Unternehmen überhaupt bereit waren, Geld für inklusive Sprache auszugeben. Das Feedback der Kunden war eindeutig: Sie wünschten sich sprachliche Unterstützung nicht nur bei Job-Inseraten, sondern auch im Marketing oder der internen Kommunikation.

Stereotype während des Schreibens erkennen

Heute ist Witty Works einen ordentlichen Schritt weiter, so Co-Gründerin Nadia Fischer. Inzwischen gibt es ein Browser-Plugin namens „Witty“, das Unternehmen zunächst als kostenfreie Version einsetzen können. Das Tool überprüft dabei die vorhandenen Texte und zeigt Vorschläge an, falls sich darin eventuell problematische Ausdrücke befinden. Wo webbasiert geschrieben wird, also beispielsweise in Newsletter-Editoren, im Content Management System WordPress oder auf der Karriere-Plattform LinkedIN, schaltet sich die Software unauffällig mit farbigen Markierungen ein. Die markierten Ausdrücke können angeklickt werden, dann erscheinen eine kurze Erläuterung und alternative Vorschläge. „Während des Schreibens erkennen die Anwender*innen, mit welchen versteckten Stereotypen sie seit Jahren arbeiten“, beschreibt Nadia Fischer den Effekt.

Die Entwicklung der Software ist für das Schweizer Unternehmen ein anspruchsvolles Vorhaben, das sich immer wieder verändert. Denn es fließen nach und nach immer weitere Ausdrücke und Alternativen in das Tool ein, dazu kommen weitere Funktionen wie etwa Grammatik-Prüfungen. Obwohl sie selbst keine ausgebildete Programmiererin ist, stand für sie nach der Co-Gründung von Witty Works schnell fest, dass sie Software und ein konkret einsetzbares Tool bauen wollte, sagt Nadia Fischer. Diesen Ansatz teilt sie mit Lukas Kahwe Smith (CTO), mit dem sie heute zusammen das Start-up leitet.

Mit vorhandenen Instrumenten aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz (KI), wie etwa dem mächtigen Sprachmodell GPT3 der amerikanischen Non-Profit-Organisation Open AI sei man dabei nicht weitergekommen, sagt Fischer – schließlich stecken auch dort bereits so genannte Biases, also Voreingenommenheiten oder Stereotype anderer Entwickler drin. „Also haben wir selbst Regeln entwickelt und diese mit Hilfe ausführlicher Interviews mit verschiedenen Fokusgruppen, z.B. aus Unternehmen oder der LGBTQIA+ Community immer wieder erweitert.“ Über so genanntes Natural Language Processing, einem Teilbereich Künstlicher Intelligenz, werden diese Regeln immer weiter verfeinert und „smart“ gemacht. Organisationen können über die kostenfreie Version hinaus außerdem eigene Vorgaben für ein individuell angepasstes Produkt einfließen lassen.

Mit inklusiver Sprache zu mehr Diversität

„Dennoch wollen wir nicht die Sprachpolizei sein“, betont Nadia Fischer. Entscheiden sich Unternehmen für den Einsatz des Witty-Tools, können die Anwender*innen die angezeigten Vorschläge ignorieren. Schließlich gehe es nicht darum, dass der Algorithmus einen neuen Text schreibt, sondern dass häufig eingesetzte Klischeebilder und Biases rechtzeitig erkannt und damit vermieden werden können. So klappt dann auch eine nachhaltige Veränderung. „Sprache schafft Realität“, ist Nadia Fischer überzeugt. „Wir alle sind auf so vielen Ebenen voreingenommen, können aber nur umlernen, wenn wir jeden Tag einen kleinen Anstoß bekommen.“

Während zahlreiche Nutzer*innen froh sind, wenn ihnen ein Tool hilft, reagieren andere erst einmal skeptisch. „Wie bei jedem grundliegenden Wandel ist es schwierig, sofort alle zu begeistern“, weiß Nadia Fischer.

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Die Fortsetzung des Artikels sowie Tipps zum Gendern und zum Einsatz von Tools wie Witty Works finden Sie in der aktuellen Print-Ausgabe sowie im E-Paper über den Shop.

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