Am 21. Juni 2022 fand der 20. Börsianer Salon unter dem Motto „Zinswende als Zeitenwende“ statt. Der aktuelle Umbruch in der Zinspolitik der Notenbanken macht sowohl Firmen als auch Privatpersonen finanziell zu schaffen. In gemütlicher Atmosphäre, neben Frühstück und Kaffee im Boxwood Restaurant in der Wiener Innenstadt wurde das Thema mit vier Expert*innen diskutiert.
Am Podium fanden Monika Rosen (Börsenexpertin der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft), Barbara Kolm (Vizepräsidentin der Oesterreichischen Nationalbank), Doris Kals (Head of Multi Asset Management der Allianz Invest KAG) und Bruno Ettenauer (Vorstandsvorsitzender der S Immo AG) zusammen. Den Anfang der Diskussion machte Barbara Kolm. Der Schritt zur Zinserhöhung war notwendig, so die Vizepräsidentin der OeNB. Nach sechs Jahren, in denen Nullzinsen die Norm waren, sei der Weg zurück nun aber ein langsamer. Trotzdem ist sie optimistisch gestimmt: Die positiven Ergebnisse werden kommen.
Die Zinserhöhung war außerdem keine Überraschung, meinte Bruno Ettenauer. Wer bei dem eigenen Kredit auf einen Mix aus variablen und fixen Zinsen gesetzt habe, sollte nun gut über die Runden kommen. Und auch jetzt mache eine Fixverzinsung für zukünftige Kredite noch Sinn. Eine Absicherung ist ein Muss, da das Zinsänderungsrisiko niemals hundertprozentig ausgeschlossen werden kann. Ob nun eine Immobilienblase auf uns zukomme, fragte Moderatorin Ingrid Krawarik? Die Gefahr einer Immobilienblase in Europa bestehe nicht, so Ettenauer, ein gewisser Hype existiere aber schon. Sein Tipp ist es, nun verstärkt auf den Sachwert von Immobilien statt auf den Ertragswert zu achten. Zwar bringt dieser keinen Cash Flow, je sachorientierter eine Immobilie jedoch ist, desto sicherer sei sie. Außerdem hängt der Ertrag von der Sekundärbonität, also von der Zahlungsfähigkeit der Mieter*innen ab. Wie sich diese in Inflationszeiten entwickelt, ist schwer zu sagen.
Geduld als Credo der nächsten Jahre
Ein Wort, das besonders oft an diesem Vormittag fiel: Geduld. Die gesetzten Maßnahmen werden erst mit einer gewissen Zeitverzögerung greifen. Daher ist in den nächsten ein bis zwei Jahren kollektive Geduld gefragt, ganz nach dem Motto „Augen zu und durch“, sagte Barbara Kolm. Wichtig sei es, nicht nervös zu werden.
Auch für Investor*innen wird Geduld eine wichtige Rolle in nächster Zeit spielen. Wie man das eigene Portfolio nun am besten aufstellt, war eine Frage an Doris Kals. Viel Cash zu halten und mit dem Investieren zu warten, bis der Markt sich wieder beruhigt und die Zinsen sich eingepreist haben, ist eine Strategie, um mit der aktuellen Situation umzugehen, so die Antwort. Vor allem defensive Aktien können in der aktuellen Situation ein interessantes Thema darstellen. Wer bisher diversifiziert investiert hat und Fremdwährungen im Portfolio inkludiert hatte, konnte damit eventuell einige der aktuellen Entwicklungen abfedern. Generell seien kurze Laufzeiten von ein bis zwei Jahren in nächster Zeit sinnvoll.
Was würde Doris Kals jungen Investor*innen oder Personen, die gerade am Anfang ihrer Investmentreise stehen, raten, fragte Sheconomy. Sparpläne sind sehr zu empfehlen, da damit nicht jede Еntwicklung nachverfolgt werden muss. In jedem Fall ist es besser, investiert zu sein. Jetzt auszusteigen wäre falsch, so Kals zu Sheconomy.
Kein Börsencrash
Monika Rosen machte darauf aufmerksam, dass trotz aller Turbulenzen die derzeitige Situation nicht als Börsencrash zu interpretieren ist. Die aktuelle Marktlage wird neben dem Ukrainekrieg auch von der Zero-Covid-Politik Chinas stark beeinflusst. Auch ihr Tipp ist es, weiterhin investiert zu bleiben. Auf die Frage, welche Faktoren zur Entspannung am Aktienmarkt beitragen werden, nannte Monika Rosen unter anderem eine Entspannung der Covidsituation in China, eine Deeskalation im Ukrainekrieg, sowie eine Entspannung der Energiepreise und der Zinsen. Wann und wie solche Entwicklungen eintreten könnten, ist jedoch natürlich nicht vorhersehbar.