Das berufliche Netzwerk Xing stellt den zum Buzzword verkommenen Begriff New Work auf eine klare und solide Basis und lebt vor, wie New Work, abseits von Obstkorb und Wuzzeltisch, aussehen kann. Wir haben mit Kristina Knezevic, Country Managerin von Xing Österreich, gesprochen.
Wie lange bist du schon bei Xing, was ist dein aktueller Aufgabenbereich und wo setzt du in deiner Arbeit Schwerpunkte?
Ich bin seit fünf Jahren bei Xing und seit April letzten Jahres Country Managerin von Xing in Österreich. Der Schwerpunkt meiner Arbeit in Österreich liegt darauf, den Diskurs zu New Work, den Veränderungen am Arbeitsmarkt, aber auch zu den Themen Diversität, Innovation und Recruiting in Österreich vorantreiben. Dabei geht es primär darum zu zeigen wie Menschen von den Entwicklungen am Arbeitsmarkt profitieren können
Als Teil der NEW WORK SE trägt Xing New Work ja schon im Namen. Allerdings wird der Begriff zunehmend aufgeweicht und schwammiger. Wie siehst Du das?
Alles was gehyped wird, wird irgendwann zum Buzzword. Viele Unternehmen kommen zu mir und sagen, dass sie jetzt auf New Work umgestellt hätten, weil sie einen Obstkorb oder einen Wuzzeltisch haben. Das entspricht nur leider gar nicht dem, was New Work eigentlich ist. New Work ist eine Philosophie, die von Frithjof H. Bergmann geprägt wurde und steht in etwas verkürzter Form dafür, dass ich etwas tue das ich liebe und liebe was ich tue. Das ist vor allem heute so wichtig, weil sich unsere Arbeitswelt in einem massiven Wandel befindet. Dieser Wandel ist zwar immer schon da gewesen, aber wir spüren ihn deshalb gerade so stark, weil er aufgrund der Digitalisierung und des Fachkräftemangels, den wir ja auch in Österreich spüren, viel deutlicher hervortritt. Dieser Wertewandel wird vor allem von der Generation der Millenials ganz stark artikuliert.
Den Babyboomers war es vor allem wichtig, einen Job zu haben, bei dem sie bis zur Pension bleiben können. Ab der Generation X spielte der Sinn eine immer größere Rolle und bei den Millenials kommt die zunehmende Bedeutung der Work-Life-Balance, aber auch der Übereinstimmung zwischen persönlichen Werten und Unternehmenskultur noch dazu. Es gibt nicht die eine Definition von New Work, trotzdem lässt sich der Begriff mit dem verstärkt spürbaren Wandel am Arbeitsmarkt erklären, der derzeit stattfindet. Aus unserer Sicht ist das ein Thema, in das man als Unternehmen unbedingt investieren muss – und zwar jetzt.
Wer jetzt nicht reagiert, wird es in Zukunft vermutlich deutlich schwerer haben die besten Köpfe zu kriegen …
Bis 2030 fehlen uns 220.000 Erwerbstätige. Wir haben also nicht nur ein Fachkräfteproblem, sondern ein Arbeitskräfteproblem. Außerdem ist es so, dass viele Menschen nur latent suchen. Das heißt, dass sie offen für Neues sind, aber nicht aktiv suchen. Für diese Menschen muss man als Unternehmen attraktiv sein und darauf reagieren, was die jungen Talente wirklich wollen. Sie möchten sich mit dem Unternehmen und den Werten des jeweiligen Unternehmens identifizieren. Gehalt und Jobtitel werden zu Hygienefaktoren. Es geht also um die Kultur, die ein Unternehmen einzigartig macht. Marketingslogans und austauschbare Stellenanzeigen zählen nicht mehr wirklich. Wenn man als Unternehmen drauf verstärkt achtet, spart man sich viel Geld, das durch Fehlbesetzungen ausgegeben wird. Und die Mitarbeiter*innen bleiben länger im Unternehmen. Es ist die Identifikation mit dem Unternehmen, auf die es ankommt. Company Matching, also das Unternehmen mit dem Talent zusammenzubringen, ist schwierig, würde aber leichter werden, wenn das jeweilige Unternehmen seine Kernwerte definiert und klar transportiert. Mit allen Ecken und Kanten.
Das bedeutet aber nicht, dass es keinen Platz für Individualität mehr gibt?
Es bedeutet, dass vor allem Individualität im Vordergrund steht. Auf der einen Seite die Individualität des Unternehmens, auf der anderen Seite die Individualität der Mitarbeiter*innen. Werte zu haben, bedeutet nämlich nicht, dass ich nur Personen mit demselben Mindest im Unternehmen habe, aber sie geben einen Rahmen vor und sind die Basis des Zusammenarbeitens, wie beispielsweise der bewusste Umgang mit Diversität. Entscheidend ist, dass diese Werte kommuniziert werden und zwar nicht ausschließlich nach außen, wie es häufig passiert, sondern vor allem nach innen. Innen muss die Realität stimmen, damit ich überhaupt nach außen kommunizieren kann. Sonst passiert es, dass das Unternehmen nicht ehrlich und authentisch wirkt – weder auf neue Mitarbeiter*innen noch auf die bestehenden.
Kleinere Unternehmen tun sich da vermutlich leichter als große?
In der Regel hängt es vor allem damit zusammen, wie schnell Unternehmen gewachsen sind. In einem kleinen Team können Kernwerte leichter transportiert werden, das ist klar. Aber Unternehmenskultur entsteht und wächst ja mit der Zeit und die Kernwerte bleiben entweder gleich oder müssen adaptiert werden. Es ist ein Prozess, in dem – unabhängig von der Unternehmensgröße – die Mitarbeiter immer miteinbezogen werden müssen.
Wie wird New Work bei Xing selbst gelebt?
Wie am Anfang schon gesagt, haben wir uns ganz klar zu New Work bekannt. All unsere Marken beschäftigen sich in unterschiedlichen Schattierungen mit dem Thema. Nach innen gibt es auch verschiedene Beispiele, wie wir New Work leben: Wir haben erstmal unsere Kernwerte definiert: mutig Entscheidungen treffen, immer im Sinne unserer XING Mitglieder*innen und Customer agieren und transparente Kommunikation leben. Diese drei Werte sind unsere Klammer und wir haben sie gemeinsam mit unseren Mitarbeiter*innen definiert. Es gab zu diesem Zweck eine große Befragung, die wir in all unseren Locations durchgeführt haben.
Bereits 2017 haben wir auf allen Ebenen Gehaltstransparenz eingeführt. Konkret wurden Gehaltsbänder für vergleichbare Positionen definiert, in diesen anonymisierte Gehaltsdaten abgebildet werden– so sehen die Beschäftigten, in welchem Rahmen sich die Gehälter von Kollegen in vergleichbaren Positionen bewegen, aber auch das Gehaltsband des Vorstandes wird gezeigt. Ziel dieser Maßnahme ist es, Gehälter zu entmystifizieren und einen gleichberechtigten, offenen Diskurs über Gehälter zu schaffen. Zudem geben wir den Mitarbeitern dadurch die Möglichkeit zu verstehen, warum sie ihr aktuelles Gehalt bekommen und welche Schritte erforderlich sind, um sich weiterzuentwickeln.
Ein anderes Beispiel ist unser »Mood-o-Meter«, eine extrem niederschwellige und zeitnahe Mitarbeiterbefragung. Dabei stellen wir nur zwei Fragen: Wie waren wir am Markt gegenüber unseren Kunden? Wie sind wir als Arbeitgeber? Die Bewertungen funktionieren über Smiley/Frowny. Zusätzlich kann jede/jeder Mitarbeiter*in Kommentare abgeben, die dann von den anderen hoch- oder runter-gevoted werden. Die Top 5 Kommentare bespricht jeden Freitag unser Vorstand im Plenum. Die Bandbreite reicht von »Wie ist die Strategie für nächstes Jahr?« bis hin zu »Kann bitte jeder sein Geschirr selbstständig wegräumen«. Im Prinzip machen wir dadurch die Kaffeeküche transparent.
Auch im Home-Office zu arbeiten oder den Hund mit ins Büro zu bringen sind bekannte Benefits, werden aber nach wie vor sehr geschätzt und gut angenommen. Darüber hinaus setzen wir auch Maßnahmen, wie 360° Führungskräftefeedbacks, Jahresgespräche mit Mitarbeitern und haben durchdachte Onboarding-Prozesse für alle Mitarbeiter*innen.
Wie unterstützt die New Work SE das Thema New Work nach außen hin?
Um ein Beispiel zu nennen: Einmal im Jahr veranstalten wir in Hamburg unseren großen New Work-Award. Dort geht es vor allem darum, Beispiele herzuzeigen, die herausstechen. Und zwar aus möglichst vielen unterschiedlichen Branchen. Tele Haase im Süden von Wien ist da ein sehr spannendes Beispiel, weil New Work in einem produzierten Betrieb gelebt wird. Der Schichtdienst wird selbst definiert und auch die Gehaltsstrukturen. Die Verantwortung verteilt sich. Das bedeutet aber nicht, wie auch immer wieder erwähnt wird, dass Management zu Gänze abgeschafft werden kann.
Muss sich durch New Work auch Führung verändern?
Definitiv. Einerseits gewinnt Diversity Management zusehends an Bedeutung, wie uns eine aktuelle von uns durchgeführt Studie zeigt. Andererseits gibt es einen klaren Trend weg von hierarchischen Strukturen hin zu agilen Führungsmethoden. Ich erlebe oft, dass sich Führungskräfte deshalb fragen, ob sie dann als Führungskraft noch gebraucht werden. Aus meiner Sicht braucht es Führung nach wie vor, nur die Art und Weise verändert sich. Weg von »demand and control« und Micromanagment, hin zum Aufzeigen einer Vision und dem Definieren von Zielen. Darüber hinaus haben Leader*innen natürlich auch eine Vorbildfunktion.
Wie profitieren Frauen von diesen Veränderungen?
Grundsätzlich geht es beim Thema Diversity nicht nur um Quoten – Diversität ist mehr als die Chancengleichheit von Frau und Mann. Es geht darum, wie wir unsere Unterschiedlichkeiten nutzen, um starke Teams zu bilden und unser aller Perspektive nutzen und in positive Energie wandeln. Blicken wir konkret auf Frauen: Frauen verdienen nach wie vor für die gleiche Arbeit um 20 Prozent weniger – Gehaltstransparenz könnte in diesem Zusammenhang Abhilfe schaffen und im Unternehmen zu einer faireren Bezahlung führen. Auch bleiben meist noch Frauen zuhause bei den Kindern. Wenn Arbeit flexibler wird und beispielsweise die Möglichkeit zu regelmäßigem Homeoffice keine Seltenheit mehr darstellt, haben Frauen die Chance schneller wieder in ihren Beruf zurückzukehren. Das wiederum hat eine positive Auswirkung auf die Pensionsschere, die aktuell sogar bei 40 Prozent liegt.
Was ich auch spannend finde, ist, wie sich Frauen gegenseitig unterstützen können. Es gibt unglaublich viele Frauennetzwerke in Österreich, doch auch diese arbeiten meistens nicht zusammen. Ich frage mich, warum das so ist. Frauen müssen sich viel stärker für einander einsetzen. Das ist mir persönlich ein unglaublich großes Anliegen.
Deshalb gibt es uns.
Ja, genau. Und das finde ich unglaublich wichtig. Es braucht Kräfte, die diese Frauen-Power bündeln, Awareness für diese Themen schaffen und Frauen Empowerment unterstützen. Bei Xing haben wir zum Beispiel ein Female Executive Leadership Programm und haben geschafft die Zahl der Frauen auf Führungsebene zu verdoppeln. Wesentlich finde ich auch, das Mindset in der Gesellschaft auf der Seite der Frauen zu verändern. Es darf nicht verpönt sein, wenn eine Frau keine Kinder haben möchte oder nach sechs Monaten Karenzzeit wieder ins Unternehmen zurückkommt. Der soziale Druck ist momentan noch gewaltig. Hier kommt es natürlich auch auf die Unterstützung des Unternehmens an. Insbesondere dann, wenn wir ins Thema Väterkarenz hineingehen. Wir sehen auch, dass viele Unternehmen in Kinderbetreuung investieren, damit ihre weiblichen Führungskräfte zurückkommen können.
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