Wie politisch können Zentralbanken agieren, ohne ihre Unabhängigkeit zu verletzen? Dieser und ähnlich brennenden Fragen widmete sich Nobelpreisträger Joseph Stiglitz in einem Generationen-Chat.
Resilienz war eines der Schlagwörter, dem man beim diesjährigen Forum Alpbach kaum entkam. Auch Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz widmete sich dem Thema. Als eine Studentin wissen wollte, „Warum haben wir so viele Krisen?“, antwortete er: „Würde man mehr auf ,Risk and Resilience‘ setzen, dann wäre zum Beispiel Deutschland nicht so abhängig von russischem Gas. So aber ist man auf Nummer sicher gegangen und hat zwei Systeme zusammengeführt, die in Wirklichkeit nicht zusammenpassen, das deutsche und das russische.“ (Der gleiche Satz lässt sich auf Österreich und Russland anwenden). Das Thema des prominent besetzten Chats war jedoch ein anderes, nicht minder aktuelles: „Sind finanzpolitische Maßnahmen sozialintegrativ?“. Konkret ging es um die Fragen: Was sind und sollen künftig die Aufgaben der Zentralbanken sein – Bekämpfung der Inflation oder auch ein Engagement in Richtung Nachhaltigkeit und finanzielle Inklusion?
Mit Mikro-Krediten zum Strukturwechsel
Es startete eine rege Diskussion, die stark von den Generationsunterschieden geprägt war: Während Stiglitz es für keine gute Idee hält, Zentralbanken mit Aufgaben wie finanzielle Inklusion zu beauftragen, meinte die 33-jährige Johanna Nymann, ihres Zeichens Head of Inclusive Green Finance bei der Alliance for Financial Inclusion (AFI), dass genau damit wichtige Impulse gesetzt würden. Nymann ist in erster Linie in Schwellenländern unterwegs und machte die Erfahrung, dass Zentralbanken, die sich zum Beispiel für Mikro-Kredite-Systeme einsetzten, in armen Ländern wichtige, strukturelle Veränderungen einleiten würden.
Alexander Barkawi (49), Gründer es Council on Economic Policies, einem wirtschaftspolitische Think Tank für Nachhaltigkeit mit Fokus auf Finanz- und Geldpolitik, findet, dass die EZB mit ihren Anleihekäufen den Wandel zu mehr Nachhaltigkeit im globalen System fördern könnte. Er betont allerdings gleichzeitig die dahinter liegende Problematik: „Wir liefern zwar hier die Headlines, aber so funktioniert nicht Veränderung. In Wirklichkeit handelt es sich hier um sehr heikle Punkte, wo es schwierig ist Balance zu halten und in die man sich ernsthaft einarbeiten muss. Derzeit müssen Zentralbanken viel ,Klempnerarbeit‘ leisten. Wir haben eine angebotsgetriebene Inflation; da ist die Zinspolitik ein bisschen so wie der Allzweckhammer, den man verwendet, sobald man daheim ein Problem hat.“
Gegen Schluss der – selbst für Nicht-Finanzexpert:innen – packenden Diskussion kam eine Frage zum Thema Kryptowährung aus dem Publikum. Stiglitz beantwortete diese ebenso kurz wie unmissverständlich: „Crypto is about secrecy. And just because the lack of transparency is digitalized, does the thing not make better. Secrecy is good for people who do naughty things”.
Gelungener Generationen-Dialog
Insgesamt bekam man den Eindruck, dass die Neukonzeption des Events mit Formaten wie Chats, Hikes, Networks und Workshops, bei denen die Teilnehmenden zur aktiven Mitgestaltung eingeladen wurden, gut aufgegangen ist. Rund 3.800 Besucher:innen aus 100 Nationen – davon 600 Studierende aus mehr als 70 Ländern – verbrachten zwei Wochen in der Tiroler Bergidylle und bekamen die Möglichkeit Entscheidungsträger:innen, Wissenschafter:innen, Politiker:innen und Künstler:innen mit ihren Fragen und Lösungsvorschlägen zu konfrontieren. Das Durchschnittsalter der diesjährigen Teilnehmenden lag bei knapp über 40 Jahren und zeigt, dass die Bemühungen zur Stärkung des Dialoges zwischen den Generationen gelungen sind. „Wir haben in diesem Jahr einen großen Schritt gewagt, und es freut mich, dass unsere neue Struktur so viel Zuspruch erhalten hat. Wir werden versuchen, 2023 unsere Stipendiat:innen noch stärker einzubinden. Alles in allem bin ich sehr zufrieden“, erklärte Andreas Treichl, EFA-Präsident am Ende einer sehr aufschlussreichen und inspirierenden Zeit.