Der Vergleich hinkt, passt aber trotzdem: Das Verhalten einiger Tiroler Größen erinnert an den Weinskandal von 1985. Mit wesentlich dramatischeren Folgen.
Nach alter Zeitrechnung wäre dies jetzt das letzte Wochenende gewesen, an dem der heimische Wintertourismus seinen Zauberwürfel noch einmal so richtig ins Rollen gebracht hätte: mit traumhaften Schneebedingungen, Sonne ohne Ende und Party bis zum Abwinken. In den vergangenen Jahrzehnten war Ostern immer der krönende Abschluss, an dem sich die Saison noch einmal so richtig vergolden ließ.
Das ist heuer anders. Die Hotels bleiben geschlossen, die Pisten leer. Selbst wenn Österreich wieder aus der Quarantäne befreit ist, werden sich manche Landstriche mit der Erholung schwerer tun als andere. Tirol, zum Beispiel.
Das Ungerechte daran: Nur durch das Fehlverhalten einiger weniger Lokalkaiser und Seilbahnbesitzer des Bergdorfs Ischgl, des Tiroler Gesundheitslandesrats und des Tiroler Landeshauptmanns wurden tausende engagierte Tourismusbetriebe in Mitleidenschaft gezogen. Diese Herrschaften haben es geschafft, das bisherige Tiroler Tourismus-Konzept für die nächsten Jahre nachhaltig zu beschädigen.
Das erinnert an den – wesentlich harmloseren – österreichischen Weinskandal von 1985, ebenfalls ausgelöst durch einige wenige (burgenländische) Winzerfamilien. Ein paar regionale Größen hatten damals nach einem schweren Ernteausfall ihre Spät- und Trockenbeerenauslesen mit Glykol »veredelt«. Gesundheitliche Schäden gab es zwar keine, doch der Ruf des österreichischen Weins war damit auf Jahre dahin. Das Positive an dem Skandal aber war, dass er vor allem der jüngeren Winzergeneration ein Umdenken ermöglichte (und manche sicher auch dazu zwang). Am Ende profitierten alle davon: Schon Ende der 1980-er Jahre genoss der österreichische Wein einen Ruf von Weltrang.
Ähnlich wird Tirol vorgehen müssen. Das Land »wieder hochfahren« – ein Begriff, der uns wohl alle noch längere Zeit beschäftigen wird – bedeutet dort Mehrfaches: Den Abschied vom Ballermann-Tourismus, wie man ihn teilweise bis zuletzt erlebte. Und einen verantwortungsvolleren Umgang mit dem Qualitätsbegriff. Dieser wird nicht nur weiterhin gastronomisch und Hotellerie-seitig gefordert sein. Sondern nach Corona auch im Bezug auf die Achtsamkeit gegenüber den Gästen.
Man wird das Vertrauen der zukünftigen Urlauber wieder neu erarbeiten müssen – der wohl der schwierigste Part. Dazu werden auch personelle Konsequenzen nötig sein. Denn, wie sollte man beruhigt in ein Land auf Urlaub fahren, dessen Gesundheitslandesrat selbst angesichts der internationalen Katastrophe nur einfällt, dass die Behörden wohl alles richtig gemacht hätten? Dies wird selbst der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter nur schwer erklären können.
Ähnlich wie die heimischen Winzer aus 1985 sollte daher die Handvoll lokale Kaiser, die mit ihrer Nachlässigkeit einen ganzen Landstrich in Verruf gebracht haben, in den nicht allzu wohl verdienten Ruhestand verabschiedet werden. Eine andere, frische Generation wird an der Neudefinition des Qualitätsbegriffs arbeiten müssen. Aus Eigeninteresse, aber auch aus Solidarität den »Kleineren« gegenüber, von denen viele ihren Kurswechsel bereits längst vollzogen hatten. Ähnlich wie damals beim Wein, wird der Erfolg der Zukunft nicht durch Einzelgänge bestimmt, sondern durch den Gesamtauftritt der Branche. Auch daran werden sich manche gewöhnen müssen.