Nachrichten aus Großbritannien sorgten vergangene Woche für Hoffnung: die rechtzeitige Anwendung eines Asthmasprays mit dem Wirkstoff Budesonid kann einem schweren COVID-Verlauf vorbeugen. Das bewies eine Studie der Oxford Universität. Bereits viele Monate zuvor machte eine junge Ärztin aus Oberösterreich auf die positive Wirkung der Substanz aufmerksam – sie fand jedoch wenig Gehör.
„Liegt es daran, dass ich a) eine Frau bin, b) jung bin, c) „nur“ eine Allgemeinmedizinerin bin […]? Oder anders formuliert: Hätten wir Menschenleben retten können, wenn ich ein älterer Herr wäre?“ fragt Dr. Lisa-Maria Kellermayr am 11. April auf der Kurznachrichtenplattform Twitter. In den darauffolgenden Tweets stellt sich heraus, worum es geht: darum, dass Sie seit Herbst 2020 auf diversen Fortbildungen auf die positive Wirkung von Budesonid hinwies, ihre Erkenntnisse jedoch ihrer Meinung nach auf nicht genügend Resonanz stießen.
Weniger Aufmerksamkeit für Frauen
Mittlerweile wurde der Twitter-Threat von Dr. Lisa-Maria Kellermayr von über 5.500 Accounts geliked und 2.200 Tausend Mal geteilt. So sind auch die Medien auf die junge Allgemeinmedizinerin aufmerksam geworden: in der vergangenen Woche war Kellermayr in diversen TV-Talkshows zu Gast, nahm an Online-Diskussionen teil und gab unzählige Interviews. „Das sind meine 15 Minuten Ruhm,“ sagt Kellermayr zu SHEconomy. „Die Herren Professoren übernehmen aber bereits wieder.“ Denn wie bereits in ihrem Tweet angedeutet, fühlt sich Kellermayr „als Frau in der Wissenschaft und als Allgemeinmedizinerin in der Medizin“ weniger gehört als Männer. Frauen müssten mehr leisten, um Anerkennung zu finden.
Trotz des medialen Wirbels um ihre Person, werde sich an dieser Situation auch so bald nichts ändern, merkt Kellermayr an. Denn während der Vortrag eines Universitäts-Professor-Dozent-Primars, zu dem Kellermayr vor kurzem eingeladen wurde, von einer Pharmafirma gesponsert wird, gehen Frauen häufig leer aus. „Ich habe in meinem gesamten Leben für keinen einzigen Vortrag, keine Fortbildung und kein einziges Interview auch nur einen einzigen Cent bekommen,“ so Kellermayr.
Budesonid soll schweren Krankheitsverlauf verhindern
Der Anlass für den Tweet der Allgemeinmedizinerin: zwei Tage zuvor ist in der medizinischen Fachzeitschrift The Lancet eine Studie der Oxford Universität erschienen, die zeigt, dass die Substanz Budesonid nachweislich im Frühstadion einer COVID-Infektion hilft. Es bewirkt einen milderen Verlauf der Krankheit. Für die Studie wurden 73 Personen mit Budesonid behandelt.
Dr. Kellermayr und ihr Team haben das Medikament bei mehreren hundert bis tausend Personen eingesetzt, so die Ärztin. Sie arbeitet als Allgemeinmedizinerin beim Corona-Visitendienst in Oberösterreich. Dabei kam sie im vergangenen Jahr mit tausenden Corona-Infizierten in Kontakt, viele befanden sich in den ersten Tagen ihres Krankheitsverlaufs. Ihnen wurde ein Asthmaspray mit dem Wirkstoff Budesonid verschrieben. Laut Kellermayr stellte sich heraus, dass sich der Zustand dieser Patienten rasch verbesserte, nur selten mussten diese Personen hospitalisiert werden.
Zum ersten Mal erzählte Dr. Kellermayr Ende Oktober 2020 bei einer Online-Bezirksärztefortbildung von ihren Beobachtungen. Das Video wurde auf YouTube veröffentlicht und öfter als 3.000 Mal angesehen, erklärt sie in ihrem Twitter-Threat. Dennoch fühlte sie sich nicht ausreichend gehört. Sie wünscht sich, dass die Daten, die sie gemeinsam mit ihrem Team bisher gesammelt hat, dafür verwendet werden, die Oxford Studie zu untermauern.