StartBusiness"Der Kuss" als NFT: Welche Fragen stellen sich im Urheberrecht?

„Der Kuss“ als NFT: Welche Fragen stellen sich im Urheberrecht?

Das Belvedere verkauft aktuell 10.000 digitale Ausschnitte von Gustav Klimts „Der Kuss“ als NFTs. Während die Grenzen zwischen virtuell und physisch immer weiter verschwimmen, bringt der NFT-Hype neue rechtliche Fragestellungen mit sich, die noch nicht abschließend geklärt sind.

Seit 1908 befindet sich das Gemälde des österreichischen Künstlers Gustav Klimt im Bestand des Belvederes. Obwohl das Kunstwerk nun veräußert wird, bleibt es in den Hallen des Oberen Belvederes hängen: den Besitzer wechselt nämlich lediglich die digitale Version des Gemäldes, nicht aber die analoge. Das Museum verkauft kurz vor dem Valentinstag 10.000 Ausschnitte von Klimts „Der Kuss“ als NFT, also als Non-Fungible Token. Der Verkaufspreis pro Unikat ist mit rund 1.850 Euro angesetzt, somit könnte das Belvedere insgesamt 18,5 Millionen Euro mit dem Verkauf umsetzen. Bis 9. Februar können sich potenzielle Käufer über die Plattform thekiss.art für den Kauf eines NFTs anmelden, danach beginnt der Minting-Prozess, auf den der offizielle NFT-Drop, also die offizielle Ausgabe, am 14. Februar folgt. Die Vergabe der Ausschnitte erfolgt laut Belvedere, das die Aktion in Kooperation mit dem Unternehmen artèQ umsetzt, zufällig.

„Recht hinkt neuen Technologien hinterher“

Der NFT-Hype hat im vergangenen Jahr nicht nur die Kunstwelt aufgemischt, auch das Recht musste sich mit dem neuen Trend auseinandersetzen. „Das Recht hinkt den neuen Technologien immer ein wenig hinterher“, erklärt die Kunst- und Urheberrechtsexpertin Saskia Leopold. Sie ist eine der Anwält*innen der Anwaltskanzlei CMS, die den „Der Kuss“-NFT-Drop rechtlich begleiten. „Bei NFTs stellen sich etwa Fragen im Finanz-, Kunst-, IT- und Urheberrecht“, sagt Leopold. Gerade das Urheberrecht sei jedoch flexibel. Man müsse im Einzelfall überlegen, ob und welche Verwertungsrechte betroffen sind. „NFTs können zum Beispiel das Vervielfältigungsrecht oder das Recht zur öffentlichen Wiedergabe betreffen. Es muss allerdings immer differenziert werden. Es spielt zum Beispiel eine Rolle, ob das Kunstwerk direkt auf der Blockchain gespeichert ist oder nur ein Link zum Speicherort des digitalen Kunstwerks“, so Leopold. Im Falle der digitalen Version von „Der Kuss“ würden sich viele Fragen jedoch gar nicht stellen. Einerseits, weil Gustav Klimt vor über 70 Jahren gestorben ist und sein Werk somit nicht mehr dem Urheberschutz unterliegt, und andererseits, weil hier kein rechtlicher Konnex zwischen dem Originalkunstwerk und dem NFT bestehen würde: „Wer ein ‚Der Kuss‘-NFT erwirbt, erwirbt kein Recht am analogen Kunstwerk“, so Leopold.

Eine weitaus größere Rolle spielen NFTs im Fall von rein digitalen Kunstwerken. „Künstler*innen, die hauptsächlich digital arbeiten, haben mit NFTs nun die Möglichkeit, Unikate zu schaffen, die so in der digitalen Welt vorher nicht existiert haben“, erläutert Leopold. Es eröffnen sich allerdings auch laufend neue Anwendungsfelder: So werde die Technologie etwa von Auktionshäusern genutzt, um Echtheitszertifikate auf der Blockchain zu speichern. Statt durch ein Blatt Papier wird die Echtheit eines analogen Kunstwerks also digital nachgewiesen.


Zur Person:

Saskia Leopold | © Saskia Leopold

Saskia Leopold ist Rechtsanwältin für den Fachbereich Gewerblicher Rechtsschutz, ihre Schwerpunkte liegen in den Bereichen Urheberrecht, Unlauterer Wettbewerb und Kunstrecht. Leopold absolvierte ihr Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien und der Columbia Law School in New York City. Sie ist sowohl in New York als auch in Österreich als Anwältin zugelassen und absolvierte zuletzt ein Kunstgeschichte Studium in Wien. Heute arbeitet Leopold in der Wiener Anwaltskanzlei CMS. Der nächsten Generation an Anwältinnen rät sie, sich selbst zu vertrauen und sich nicht durch die Stereotype, die über den Anwaltsberuf vorherrschen, abschrecken zu lassen. „Es findet momentan zum Glück ein Umdenkprozess statt. Die Kanzleien merken, dass die jüngeren Generationen neue Anforderungen an einen Arbeitsplatz haben und müssen sich anpassen, um die besten Juristinnen nicht an die Rechtsabteilungen von Tech-Unternehmen zu verlieren.“

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