Von dem großen Freiheitsversprechen, das Kryptowährungen wie Bitcoin anfangs begleitete, ist gerade nicht mehr so viel zu spüren. Illegale Cyberaktivitäten in Zusammenhang mit der Blockchain häufen sich. Sofia Rollet hilft dabei, diese aufzuspüren und zu bekämpfen.
Als sich die aus Italien stammende Physikerin Sofia Rollet vor fast 20 Jahren dazu entschied, einen Forschungsauftrag in Österreich anzunehmen, wollte sie eigentlich nur für zwei Jahre bleiben. „Aber wie so oft im Leben, kam es dann doch etwas anders“, erklärt sie lachend. Und obwohl sich die Aufgabengebiete und Forschungsfragen immer wieder geändert haben, ist sie dem AIT Austrian Institute of Technology während dieser Zeit stets treu geblieben. Als Data-Science-Expertin im Austrian Institute of Technology konzentriert sie sich im europaweiten Projekt TITANIUM momentan auf das Aufspüren von Cyberkriminalität im Zusammenhang mit Kryptowährungen.
Um dieses neue Gefährdungspotential effektiv einzudämmen, entwickelte sie zusammen mit ihrem Team das Tool GraphSense, das weltweit zu einem der führenden Open-Source-Forensikwerkzeugen für die Analyse virtueller Währungen geworden ist. Ziel ist es, Strafverfolgungsbehörden künftig bei ihrer Ermittlungstätigkeit rund um anonymisierte, illegale Cyberaktivitäten zu unterstützen.
SHEconomy: Geht es um Bitcoin oder andere Kryptowährungen, dann breitet sich häufig sehr schnell eine gewisse Skepsis aus. Fast so, als würden sie zu einer weit entfernten Zukunft und nicht zur Gegenwart gehören. Warum ist das so?
Sofia Rollet: Das Problem ist, dass Kryptowährungen nur sehr schwer zu durchschauen sind. Deshalb werden sie schnell als verdächtig eingestuft und häufig mit großer Skepsis behandelt. Ich ziehe hier gerne den Vergleich zu den Anfängen des Internets. Weil es etwas absolut Neues war, herrschte auch hier großes Misstrauen. Ich erinnere mich noch sehr genau an diese Anfänge, weil ich damals in einem CERNLabor in Genf gearbeitet habe. Aber weil es sich so unkompliziert nutzen ließ und vor allem das Mailsystem unglaublich praktisch war, waren die Menschen relativ schnell dazu bereit, sich damit zu beschäftigen. Bei Blockchain und Kryptowährungen handelt es sich aber um viel komplexere Systeme. Die Skepsis wird sich also nicht so schnell auflösen. Auch deshalb nicht, weil immer mehr Fälle von Betrug und Diebstahl im Kontext mit Kryptowährungen bekannt werden. Aber genau deshalb forsche ich ja in diesem Bereich.
Zwar handelt es sich bei Bitcoin und Co. um virtuelle Währungen, ihr Einfluss ist trotzdem real. Welche Macht haben diese Währungen bereits?
Der Einfluss von Kryptowährungen auf die globale Wirtschaft wird definitiv immer größer. Im realen Geschäfts- und Wirtschaftsleben haben Kryptowährungen allerdings noch kein so großes Gewicht, weil die Bezahlung mit Kryptowährungen erst sehr wenige Geschäftsfelder erreicht hat. Sollte es sich aber vermehrt durchsetzen, dann wird sich auch hier vieles verändern.
Glauben Sie, dass sich in der Entwicklung von Bitcoin und anderen virtuellen Währungen ein generelles Misstrauen in das institutionelle Bankenwesen widerspiegelt?
Das ist definitiv so. Wir sind ja nicht nur an die Banken gebunden, sondern müssen auch die Beträge akzeptieren, die sie für Transaktionen verlangen. Und auch wenn man einer anderen Person Geld schicken möchte, bedeutet das heute normalerweise noch, dass es über eine Bank laufen muss. Deshalb haben Banken auch einen solch großen Einflussbereich. Was natürlich auch wichtig ist, weil sie eine maßgebliche Rolle in der Regulation des Marktes spielen. Wenn man den Menschen die Wahl ließe, dann würden sich aber mit Sicherheit sehr viele dazu entscheiden, nicht an eine Institution gebunden zu sein. Das macht auch einen Großteil der Anziehungskraft von Kryptowährungen aus. Und das war letztlich auch der Ursprung von Bitcoin.
Das funktioniert aber nur dann, wenn diese neuen Währungen auch genug Vertrauenswürdigkeit ausstrahlen.
Ja, genau. Und da würde ich gerne nochmals zu meinem Beispiel von vorhin zurückkommen. Auch bei der Entwicklung des Internets war man in diesem Punkt sehr optimistisch. Die meisten waren extrem inspiriert, aber gleichzeitig auch sehr naiv. Weil ich grundsätzlich ein sehr neugieriger Mensch bin, hat auch mich diese Begeisterung damals sehr schnell erfasst. Einen ähnlichen Optimismus habe ich auch beim Thema Blockchain beobachtet. Zu Beginn wurden vor allem die Möglichkeiten gesehen. Mittlerweile haben wir aber ein deutlich realistischeres Bild davon.
Was hat Sie daran gereizt, sich auf Forschungsebene mit der Blockchain und Kryptowährungen zu beschäftigen?
Es ist vor allem die Neugierde, die mich antreibt. Ich fühle mich von neuen Ideen und Technologien angezogen. Vor allem dann, wenn es dabei um Bereiche geht, die durch neue Entwicklungen gravierend verändert werden könnten. Deshalb finde ich die Blockchain und ihre Anwendung im Bereich der Kryptowährungen so spannend. Anfangs hat die Freiheit, die sich viele davon versprochen haben, mein Interesse geweckt. Als immer klarer wurde, dass sich Missbrauch und Betrug stärker ausbreiten werden, wollte ich gerne etwas tun, um diese Entwicklungen rechtzeitig in den Griff zu bekommen. Deshalb habe ich mich sehr darüber gefreut, dass der Zuschlag für die Koordination von TITANIUM an das AIT gegangen ist.
Was sind Ihre Aufgaben innerhalb des Projektteams?
Wir versuchen herauszufinden, mit welchen Mitteln sich im Vorfeld ausloten lässt, ob es sich um vertrauenswürdige Währungen und Prozesse handelt oder nicht. Datenschutz spielt dabei natürlich eine sehr große Rolle, schränkt uns aber nicht massiv ein, weil wir uns vor allem auf die Anzahl der Transaktionen konzentrieren und nicht auf personenbezogene Daten. Wir sehen uns die getätigten Transaktionen anhand einer großen Anzahl verschiedener Parameter an und versuchen so, herauszu finden, ob sich bei einer bestimmten Kryptowährung verdächtige Transaktionen abzeichnen. Ob Anomalien, Auffälligkeiten und Hacks zu erkennen sind, die auf Gesetzesbrüche hindeuten. Weil jeder einzelne Block mit tausenden Transaktionen verbunden ist, können wir diese nicht selbst untersuchen, sondern brauchen ein Tool, das diese komplexe Aufgabe für uns übernimmt und den Untersuchungsprozess automatisiert abwickelt. Deshalb haben wir GraphSense entwickelt, das auch mit sehr großen Datenmengen umgehen kann und sich bisher sehr bewährt hat.
Bei der Online Konferenz SHEtech wird Sofia Rollet einen Impulsvortrag zum Thema »Forensik in virtuellen Währungen« halten. Sichern Sie sich jetzt ihren Platz!