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Feminismus Festival im Dschungel Wien: „Kinder wissen genau, wie die Welt funktioniert“

Im Rahmen des Skin Festivals finden von 7. bis 13. März im Dschungel Wien zahlreiche Performances, Talks und Workshops rund um das Thema Feminismus statt. Im Gespräch mit SHEconomy geben die Intendantin des Dschungel Wien, Corinne Eckenstein, und die Künstlerin Myassa Kraitt Einblicke in ihren persönlichen Zugang zu Feminismus und welche Rolle Humor für sie dabei spielt.  

Frau Eckenstein, während der Pandemie sind die Anliegen und Bedürfnisse junger Menschen stark in den Hintergrund getreten. Inwiefern hat die Pandemie die Entstehung und die Inhalte des Skin-Festivals geprägt?

Corinne Eckenstein: Die Ausgrenzung, Diskriminierung und Gewalt gegenüber jungen Menschen sind schon länger Probleme, die sich während der Pandemie nur weiter verstärkt haben. In den vergangenen Monaten und Jahren mussten im Dschungel Wien wegen der Pandemie viele Premieren verschoben werden, einige konnten nun im Rahmen des Skin-Festivals unter verschiedenen Schwerpunkten gebündelt werden. Der erste Teil beschäftigte sich mit Rassismus und Diversität, jetzt geht es um Feminismus, Intersektionalität und Humor. Den Teil des Skin-Festivals, in dem es um Queerness, Sex und Body Positivity geht, holen wir im kommenden Jahr nach. Er musste aufgrund der Pandemie verschoben werden. Das Programm richtet sich jedenfalls an 14- bis 23-Jährige und insbesondere an junge Menschen aus unterschiedlichen marginalisierten Gruppen, die bisher vielleicht noch nie im Theater waren.

„Kinder und Jugendliche wissen genau, wie die Welt funktioniert. Sie müssen nur empowert werden, ihre Themen einzubringen und eine Auseinandersetzung anzuregen.“
– Myassa Kraitt

In dem Festival geht es um Rassismus, Diskriminierung, Feminismus. Frau Kraitt, wie reagieren die jungen Menschen denn auf die Inhalte des Festivals? Merken Sie, dass diese Generation besonders sensibel für die genannten Themen ist?

Myassa Kraitt: Man muss hier nur daran zurückdenken, was die eigenen Werte waren, als man selbst zwischen 18 und 21 Jahre alt war. Das Gerechtigkeitsempfinden ist bei jungen Erwachsenen stark ausgeprägt. Deshalb besteht enormes Potenzial, dass sie einmal zu Kritiker*innen der Gesellschaft werden. Kinder und Jugendliche wissen genau, wie die Welt funktioniert. Sie müssen nur empowert werden, ihre Themen einzubringen und eine Auseinandersetzung anzuregen.

Bei „Laughing & Fighting: Feminist resistance now!“ wir das Thema Feminismus mit Humor verknüpft. Warum war es Ihnen wichtig diese humorvolle Ebene miteinzubeziehen?

Eckenstein: Humor und Anarchie sind wichtige Punkte im Festival und die ziehen sich quer durch alle Stücke – genauso wie das Thema des sozialisierten Frauseins. Auf Bühnen erfolgen teilweise immer noch sehr stereotype Geschlechterzuordnungen, das finde ich fad und uninteressant, weil hier nur alte Vorstellungen wiedergegeben werden. Damit will ich mich als Künstlerin aber nicht auseinandersetzen, ich möchte tun, was mir Spaß macht, was mich empört und wo ich das Gefühl habe: da will jemand zuschauen.

Kraitt: Ich finde das Hinterfragen von dem, was wir als Norm sehen und den Versuch, es in Unordnung zu bringen, sehr schön und lustvoll. Es ist aber auch wichtig zu betonen, dass es nicht immer lustig ist. Aktivismus ist gefährlich, und zwar unterschiedlich gefährlich für unterschiedliche Personen. Wenn man sich in der Öffentlichkeit gegen gewisse Normvorstellungen positioniert und gleichzeitig nicht der Norm entspricht, dann macht man sich verletzlich und wird angegriffen.

„Ich möchte tun, was mir Spaß macht, was mich empört und wo ich das Gefühl habe: da will jemand zuschauen.“ –
Corinne Eckenstein

 

Früher herrschte das Bild der humorlosen Feministin vor. Frau Eckenstein, wie haben Sie den Feminismus erlebt als Sie aufgewachsen sind?

Eckenstein: Meine Mutter hat ihre Kinder genderfrei erzogen. Da stand keine Ideologie dahinter, sie ließ uns in unserer Entwicklung einfach möglichst viel Freiraum. Als ich in die Pubertät kam, ging das Konzept jedoch nicht mehr auf. Ich habe mich wie ein Junge verhalten und bin damit häufig angeeckt. Im Alter von 17 Jahren bin ich meiner ersten Frauengruppe beigetreten, Anfang der 70er habe ich mich in der Schweiz den Demos für das Frauenwahlrecht angeschlossen und auch als Künstlerin habe ich mich früh so positioniert. Im Jahr 1991 habe ich gemeinsam mit Lilly Axster das feministische „TheaterFOXFIRE“ gegründet, da wir uns beide als Frauen im Theater benachteiligt gefühlt haben. Im Foxxfire wollten wir jungen Frauen eine andere, nämlich eine queer-feministische Perspektive bieten. Und daran halten wir bis heute fest: Lilly als Aktivistin und ich als Künstlerin.

Zum Schluss eine Frage an Sie beide: Wie kann es sein, dass partriachale Strukturen innerhalb der Kunstszene immer noch so fest verankert sind?

Eckenstein: Es kommt auf den Bereich an. Aber es hängt maßgeblich mit Fördersystemen zusammen: wer entscheidet über Kunstförderungen und wie wird darüber entschieden? Ich denke aber nicht, dass es nur daran liegt, dass dort hauptsächlich Männer sitzen. Es ist generell ein sehr elitäres Konstrukt und ich kann manchmal gar nicht glauben, welche einseitigen Bilder auf den großen Bühnen reproduziert werden.

Kraitt: Ich denke bei dieser Frage an ein Zitat von Berthold Brecht, in dem er über die elitären Kunsthistoriker spricht. Er macht darin diese Hierarchien in der Kunst meiner Meinung nach sehr gut sichtbar: „Wenn es anderen Leuten bedauerlich erschiene, dass eine immer größere Anzahl von Kindern keine Milch bekomme, so schiene es ihnen [Anm.: den Kunsthistorikern] bedauerlich, dass eine immer kleinere Anzahl von Leuten Kunstwerke bekomme. Es sei ihrer Ansicht nach nicht in Ordnung, dass genauso wie die Bergwerke auch die Kunstwerke nur einigen wenigen Leuten gehören, und kommen sie sich dabei ganz revolutionär vor. In Wirklichkeit besteht zwischen dem Zustand, in dem hungernde Kinder keine Milch bekommen und den Kunstwerken ein tiefer, böser Zusammenhang. Der gleiche Geist, der jene Kunstwerke geschaffen hat, hat den Zustand geschaffen.“


Corinne Eckenstein, Intendantin im Dschungel Wien, dem Theaterhaus für junges Publikum. | © Franzi Kreis

Zu den Personen:

Dschungel Wien Intendantin Corinne Eckenstein hat bereits 1991 gemeinsam mit Lilly Axster das feministische Theater Foxxfire gegründet und war damit Vorreiterin in der österreichischen Kulturszene. Seit 2015/16 ist sie künstlerische Leiterin bei Dschungel Wien.

Myassa Kraitt ist nicht nur Künstlerin, sondern auch Kultur- und Sozialanthropologin. Beim SKIN Festival von Dschungel Wien tritt sie als Königin der Macht auf und proklamiert in Mamageddon (8.3., 9.3. und 10.3.) den feministischen Tag der Abrechnung.

Tickets unter: skin-festival.com

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