StartRolemodelsManagement„Frauen befinden sich häufig in einem Hoffen-und-Warten-Modus. Das ist der falsche Weg.“

„Frauen befinden sich häufig in einem Hoffen-und-Warten-Modus. Das ist der falsche Weg.“

Mit 30 Prozent Frauen in Führungspositionen, über 50 Prozent weiblichen Lehrlingen und einer eigenen LGBTQ-Community nimmt die Wiener Städtische eine echte Vorreiterrolle ein, was die Themen Gender Equality und Diversity angeht.

Wir haben uns mit Vorständin Sonja Steßl und Karin Kafesie, Leiterin Marketing und Kundenkommunikation, über die spezifische Unternehmenskultur der Wiener Städtischen unterhalten, die diese Erfolge möglich macht.

Gender Equality und Diversity sind als Buzzwords in aller Munde. Tatsächlich gelebt werden diese in großen Unternehmen, wenn man einen Blick auf die Zahlen wirft, selten. Wie sieht es diesbezüglich bei der Wiener Städtischen aus?

Steßl: Bei uns gilt Chancengleichheit für alle. Wir fördern weibliche Karrieren. Unser Vorstand besteht zu gleichen Teilen aus Frauen und Männern, wir haben mehr als ein Drittel weibliche Führungskräfte im Innendienst und mehr als 40 Prozent Frauen im gesamten Unternehmen. Und auch unter den Lehrlingen sind 50 Prozent weiblich. Das ist in der Finanzbranche einzigartig. Außerdem haben wir im Unternehmen über 40 Ethnien beschäftigt, eine eigene LGBTQ-Community und ein aktives Frauennetzwerk.

Woran liegt es, dass der Anteil von Frauen bei der Wiener Städtischen im Vergleich zu Mitbewerbern so hoch ausfällt?

Steßl: Da kommen viele Faktoren zusammen. Unser Betriebskindergarten besteht seit 1974 und ist damit der älteste Wiens. Wir leben flexible Arbeitszeitmodelle und ein aktives Karenz-Management, das heißt, dass wir mit unseren Mitarbeiter:innen auch während der Karenz, egal ob Mann oder Frau, aktiv in Kontakt bleiben, um danach den Wiedereinstieg zu erleichtern. Außerdem haben wir spezielle Angebote für Väter, etwa den Papa-Monat, die Papa-Karenz und Teilzeit-Anstellungen.

Der Versicherungsbranche eilt ja noch immer der Ruf voraus, eine klassische Männerdomäne zu sein. Stimmt das?

Kafesie: Ja, dieses Bild hält sich durchaus hartnäckig. Insbesondere, wenn man die großen nationalen oder internationalen Versicherungskonferenzen besucht.  Die Realität zeichnet aber ein differenzierteres Bild: nämlich, dass es erfreulicherweise immer mehr Versicherer gibt, die Vorstands- und Führungskräftepositionen weiblich besetzen und auch zwischen einzelnen Ländern gibt es hier durchaus große Abweichungen.

Steßl: Die Finanzbranche wir noch immer als primär männerdominiert gesehen. Eigentlich eine vollkommen aus der Zeit gefallene Ansicht. Frauen werden, was ihre Fähigkeiten betrifft, diesbezüglich noch immer unterschätzt. Dabei verfügen wir über so viele Soft Skills, die in unserer Branche enorm wichtig sind. Frauen haben einen ganz natürlichen Zugang zum Thema Sicherheit und Vorsorge. Deshalb arbeiten wir auch stetig daran, diversere Teams zu bekommen. Ich bin optimistisch, dass sich das mit der Zeit verbessert.

Liegt es vielleicht zum Teil auch an den Frauen selbst?

Steßl: Meine Erfahrung ist, dass Frauen es als Hemmschwelle sehen, wenn sie „nur“ 80 Prozent der Jobkriterien erfüllen. Frauen befinden sich häufig in einem „Hoffen-und-Warten-Modus“. Sie hoffen, dass wenn sie ihre Leistung erbringen, entdeckt und angesprochen werden. Das ist aber der falsche Weg.

Auch im Bereich Lehrlings-Recruiting ist die Wiener Städtische extrem erfolgreich. Wie ist es Ihnen gelungen, das Unternehmen für Jugendliche so attraktiv zu machen?

Steßl: Wir haben ein eigenes Job-Game kreiert. Junge Menschen bekommen dabei spielerisch erklärt, was die Wiener Städtische ist, für welche Werte sie steht und wie der Beruf des/der Versicherungsberater:in konkret aussieht. Man durchläuft diesen Prozess mittels Gamification und kann sich zum Abschluss bewerben. Ein weiteres Tool, das uns beim Recruiting sehr erfolgreich macht, ist unser „Mitarbeiter sucht Mitarbeiter-Programm“. Das hat eine hohe Erfolgsquote, weil Mitarbeiter:innen nur jemanden empfehlen, von dem sie absolut überzeugt sind.

Was würden Sie Ihren 18-jährigen Ichs raten?

Steßl: Was in der Werbung gilt, das gilt auch für die Karriere. Die Menschen müssen sich an einen erinnern. Dafür muss man mindestens sechs bis sieben Mal in Kontakt gewesen sein. Nur so wird man, wenn ein Job frei wird, dann vielleicht von den Betreffenden auch genannt. Eine kontinuierliche Beziehungspflege und ein verlässliches Netzwerk aufzubauen ist essenziell. Da haben wir Frauen noch einiges aufzuholen.

Kafesie: Selbstbewusst und offen für Neues zu sein; und Veränderung nicht als Bedrohung zu sehen. Es ist nicht notwendig, in jedem Thema tiefe Expertise mitzubringen, oftmals ist es wesentlicher für den Erfolg, sich mit Interesse, Ambition und Herzblut auf Neues einzulassen. Damals wie heute unerlässlich: mit einem hohen Maß an Resilienz durchs Berufsleben zu gehen.

Auf welche gemeinsamen Projekte und Entwicklungen sind sie besonders stolz?

Steßl: Frau Kafesie und ich, wir haben während des ersten Lockdown im Jahr 2020 relativ ad hoc ein Digitalangebot auf den Markt gebracht, um schwangere Frauen und deren Partner bei der Geburtsvorbereitung zu unterstützen. Der Bedarf war da. Das ist extrem gut angekommen bei den Kund:innen. Man merkt, wenn man mit einer Idee einen enormen Nutzen stiftet. Und darauf bin ich stolz, dass uns das gelungen ist.

Kafesie: Dass wir schon vor Jahren die Relevanz des Ökosystems Gesundheit erkannt und dazu unterschiedlichste Aktivitäten gesetzt haben. Und bei allen Produkten und Services immer die Kund:innen zuerst gedacht und alles darauf ausgerichtet haben. Ob persönliche oder digitale Lösungen.

Steßl: Solche Dinge machen den Unterschied. Grundsätzlich ist das Versicherungsgeschäft ein Beziehungsgeschäft. Die persönliche Beratung ist nach wie vor wichtig, inzwischen aber auch unterstützt durch digitale Tools.

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